Die Röntgentechnik im Kriege.
Von Friedrich Dessauer, Frankfurt a. M.
I.
Physikalische Grundlagen.
Seit einigen Jahren wissen wir Bescheid über die Natur der Röntgenstrahlen.
Nach einem Gedanken des jüngsten deutschen Nobelpreisträgers für Physik,
Professor von Laue in Frankfurt a. M., haben Friedrich und Knipping Versuche
angestellt, aus deren Ergebnis klar hervorgeht, daß die Röntgenstrahlen eine Licht
art sind, ausgezeichnet durch eine besonders kleine Wellenlänge und durch eine
besonders große sekundliche Schwingungszahl.
Um den Inhalt dieser neuen, zum großen Teil in der Kriegszeit gewonnenen
Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Menschheit zu verstehen, müssen wir etwas
weiter ausholen.
Es ist bekannt, daß nicht nur die Körper als Ganzes sich von Ort zu Ort be
wegen können, etwa wie der fallende Stein, der aufsteigende Ballon, das gleitende
Schiff, sondern daß auch die kleinsten Bestandteile der Körper, ihre Moleküle,
ihre Atome und endlich ihre Elektronen sich bewegen können. Freilich geht bei
dem im Gefüge eines Körpers (etwa eines Metallfadens in der Glühlampe) eingeschlosse
nen Atom die Bewegung nicht von Ort zu Ort, sondern sie vollzieht sich als Schwin
gung um einen Ruhepunkt, etwa so, wie ein herabgewehtes Blatt eines Baumes auf
der Oberfläche eines Sees, eines Wasserspiegels, auf- und abschwingt, wenn Wellen
über den See hinweggehen. Solche Schwingungen kleinster Teilchen um ihre Ruhelage
finden in der Natur allenthalben und in großer Mannigfaltigkeit statt. Denn alle
Stoffe und die daraus gebildeten Körper sind nicht tot und starr, wie sie uns gegen
übertreten, sondern in ihren letzten Teilchen von der lebendigsten Bewegung erfüllt.
Bewegen sich Körper in unserer Nachbarschaft, so kann diese Bewegung
durch die Sinne zu unserer Kenntnis gelangen; wir fühlen, hören, sehen diese Bewe
gung. Aber auch Bewegungen kleinster Teilchen können zu unserer Wahrnehmung
gelangen. Freilich sehen wir da nicht die Schwingung des einzelnen Atoms, aber die
Tatsache seines Schwingens ist die Voraussetzung dafür, daß wir überhaupt sehen.
Mit anderen Worten: der physikalische Vorgang des Sehens ist der, daß Atom
schwingungen ganz bestimmter Geschwindigkeit durch ein Medium im Raume zu
unseren Augen gelangen und die Stäbchen und Zäpfchen der Sehhaut reizen. Aller
dings ist unser Auge als Empfangsorgan in seinem Wahrnehmungsvermögen eng
begrenzt. Bezeichnet man, wie das in der Physik üblich ist, 1 / 100 o Millimeter mit
dem griechischen Buchstaben [x, so läßt sich sagen, daß unser Auge nur dann den
Eindruck der Lichtempfindung in unser Bewußtsein weiterleitet, wenn die Länge
einer Schwingung oder Welle zwischen 0,4 und 0,8 |x liegt. Unser Auge ist also
für eine Oktav, um dieses Bild aus der Akustik zu gebrauchen, empfindlich. Schwin-