Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Wilhelm Gundermann 
gewahrt und der Blutstillung erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet werden. Bei 
Befolgung dieser Vorsichtsmaßregeln gelingt es meistens, wenn auch spät, noch 
eine knöcherne Vereinigung der Bruchenden zu erzielen. Es braucht wohl nicht 
besonders betont zu werden, daß die Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen, die einer 
derartig langen Behandlung, wie sie Knochennaht und Knochenüberpflanzung 
mit sich bringen, unterworfen werden müssen, zunächst keine hervorragende ist. 
Erst mit der Zeit werden solche Glieder wieder verwendungsfähig. 
Wie schön ausgeführt, liegt den Blutungsfällen immer eine stärkere Infektion 
zugrunde. In schweren Fällen bleibt diese nicht auf den Ort der Verletzung be 
schränkt, sondern greift durch Vermittelung der Blutgefäße, und zwar der Venen, 
auf den ganzen Körper über. Es kommt dann zur allgemeinen Blutvergiftung. 
Hohe Temperaturen mit Schüttelfrösten kennzeichnen das Krankheitsbild. Die 
Nahrungsaufnahme ist sehr gering, Erbrechen und Durchfälle sind nicht selten. 
So kommen die Kranken rasch herunter auch ohne Blutungen, die bei ihnen natürlich 
ebenfalls ständig drohen. Die Aussicht auf Genesung ist eine recht geringe, die 
meisten Kranken mit allgemeiner Blutvergiftung erliegen ihrem Leiden. 
Es bleibt noch übrig, einiges über den Verlust von Gliedmaßenteilen oder 
ganzen Gliedmaßen zu sagen. Auch wenn ein direkter Abschuß vorliegt, muß der 
Stumpf doch stets chirurgisch behandelt werden, damit er für den Kranken brauch 
bar wird. Es muß, wie der Fachausdruck lautet, nachamputiert werden. Ob es 
sich nun um eine Nachamputation handelt oder ob die Absetzung des Gliedes aus 
anderen Gründen vorgenommen wird, das ärztliche Bestreben richtet sich immer 
darauf, einen gebrauchsfähigen Stumpf zu erhalten, mit dem der Kranke im täg 
lichen Leben noch etwas anfangen kann. Ein gebrauchsfähiger Stumpf soll nicht 
druckempfindlich sein, die Weichteile sollen über dem Knochen verschieblich sein, 
er soll gut mit Blut versorgt sein. Für den Unterschenkel speziell verlangen wir 
von einem solchen Stumpf noch, daß er tragfähig ist. Die genannten Eigenschaften 
kommen im allgemeinen nur Amputationsstümpfen zu, wie sie bei aseptischen 
Operationen erhalten werden. Gerade die Kriegsamputationen aber können meist 
nicht aseptisch ausgeführt werden. Es läßt sich aber auch an solchen Stümpfen 
durch zielbewußte und frühzeitig einsetzende Nachbehandlung erreichen, daß 
sie in der Gebrauchsfähigkeit hinter den aseptischen nicht wesentlich zurück 
stehen. Ist ein guter Stumpf gebildet, so muß dann eine gute Prothese das übrige 
tun, um dem Kranken nach Möglichkeit das Gefühl zu nehmen, zum Krüppel 
geworden zu sein. Die vielen Amputationen des Weltkrieges haben das Gute mit 
sich gebracht, daß in .großzügiger Weise der Prothesenbau von Ärzten und Inge 
nieuren gemeinsam, in die Hand genommen worden ist. Das dabei Erreichte wird 
späteren Geschlechtern zugute kommen. 
Besonders zu gedenken ist noch der Versuche, durch Nutzbarmachung der 
zurückbleibenden Muskulatur bessere Gebrauchsfähigkeit der amputierten Glied 
maßen zu erzielen. Besonders zu erwähnen sind in dieser Beziehung die Bestrebungen 
Sauerbruchs, auf die ja in der Tagespresse schon öfters hingewiesen worden ist. 
Wie Sauerbruch selbst sagt, ist das Problem der natürlich beweglichen Kunsthand 
chirurgisch gelöst. Aufgabe der Technik ist es, noch eine brauchbare Prothese 
herzustellen. Hoffen wir, daß auch diese Schwierigkeit noch überwunden wird,
	        
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