Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Krieg und Heilkunst 
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ist immer mehr auch der spezialärztliche Charakter von vielen Krankenhäusern, 
z. B. von Kliniken, gleichgültig, ob sie äußerlich die Form von Reservelazaretten 
oder Vereinslazaretten haben, zur Geltung gekommen. Diese während des Krieges 
vollzogene Entwicklung ist vom Standpunkt der wissenschaftlichen Heilkunde 
durchaus zu begrüßen. 
Es gilt dies nicht nur für die speziell chirurgischen Krankenhäuser, sondern 
auch für die Gebiete der inneren Medizin, der Augen- und Ohrenkrankheiten, sowie 
für die Geistes- und Nervenkrankheiten. 
Kehren wir nach dieser allgemeinen Übersicht über die Lazarettorganisation 
zu den unmittelbaren Wirkungen von Schußverletzungen zurück, so muß vor allem 
auf die Notwendigkeit der Röntgenuntersuchung in sehr vielen Fällen hingewiesen 
werden. Diese Methode hat im Verhältnis zu dem 70er Krieg eine geradezu radikale 
Umbildung der Kriegschirurgie hervorgebracht, weil nunmehr mit ihrer Hilfe 
ein viel Jdarerer Einblick in die Folgen der Schuß Verletzung und in vielen Fällen 
in die Art und Lage des Geschosses gewonnen werden kann, als dies früher möglich 
war. In bezug auf die Wundbehandlung kann dadurch vor allem das in der Kriegs 
chirurgie der 70er Jahre noch häufige Sondieren der Wunde, das in vielen Fällen 
nicht ohne Bedenken wäre, vermieden werden. Vor allem wird durch die Röntgen 
aufnahme eine viel klarere Beurteilung der Indikationen zu der Operation und 
zu der Art ihrer Ausführung gewonnen. Eine weitgehende Ausrüstung der Lazarette 
mit leistungsfähigen Röntgenapparaten oder die zweckmäßige Benutzung von 
sonstigen vorhandenen Einrichtungen dieser Art, die sich jetzt vielfach schon im 
Besitz von Spezialärzten befinden, ist unbedingt nötig. Auch in meinem Spezial 
gebiet besonders bei Verletzungen von Gehirn, Rückenmark und ^peripherischen 
Nerven sind vielfach Röntgenaufnahmen durchaus erforderlich. Dabei hat sich mir 
mehrfach gezeigt, wie schwierig es werden kann, auch mittels Röntgenaufnahme 
das Geschoß zu finden, da dieses oft ganz merkwürdige Wege einschlägt. Ein von 
mir erlebtes, schlagendes Beispiel dieser Art war folgendes: 
Ein Soldat zeigt am Rücken einen Einschuß; aus der Beschaffenheit der Haut ist sehr wahr- 
scheinlich, daß der Schußkanal von außen oben nach innen unten in der Richtung auf die Wirbelsäule 
zu gegangen ist. Der Patien't zeigt Störungen beider Beine, die darauf deuten, daß eine Rückenmarks - 
Störung in der Höhe des Brustmarkes stattgefunden hat. Eine Röntgenaufnahme in der betreffenden 
Höhe der Wirbelsäule ergibt kein Bild eines Geschosses, auch keinen Nachweis der Verletzung des 
betreffenden Wirbels. Nur zeigt sich an einem der Brustwirbel an der Seite des Einschusses eine auf 
Druck empfindliche Stelle. Diese entspricht der Fortsetzung des erwähnten Schußkanals. In der 
Annahme, daß die Kugel hier angeschlagen und abgeprallt ist, werden neue Röntgenaufnahmen mit 
erweitertem Durchleuchtungsgebiet gemacht. Hierbei zeigt sich die Kugel in beträchtlicher Entfernung; 
von der schmerzhaften Stelle der Wirbelsäule viel weiter oben. 
Es handelte sich um ein Infanteriegeschoß, das unter der Haut bis zu der betreffenden Stelle- 
der Wirbelsäule gegangen, dort abgeprallt und im spitzen Winkel wieder nach oben außen gegangen ist. 
Ähnliche Erfahrungen, die ich mehrfach gemacht habe, sprechen dafür, daß 
in gewissen Fällen vor der eigentlichen photographischen Aufnahme eine Durch 
leuchtung mit Röntgenstrahlen in weiterem Umfang von dem Feld der eigentlichen 
Verletzung stattfinden soll. Jedenfalls kann auf die Notwendigkeit der Röntgen 
untersuchung auch in dieser allgemeinen Einleitung nicht dringend genug hinge 
wiesen werden.
	        
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