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Emil Küster
Gleichwohl und selbst wenn wir in Betracht ziehen, daß ein großer Teil der Be
völkerung noch aus heimlichen Quellen sich Fett und Eiweiß zu verschaffen weiß,
so ändert dies doch nichts an der Tatsache, daß die Menge unserer Eiweißnahrung
und Fettnahrung ganz gewaltig unter die Friedensziffer und unter das Voitsche
Kostmaß herabgegangen ist.
Wie die am Schlüsse folgenden Statistiken ergeben, hat sich der Gesund
heitszustand in der Zivilbevölkerung und bei der Truppe nicht wesentlich verändert.
Hätten die verminderten Nahrungsmengen an Eiweiß und Fett eine Unterernährung
der Zivilbevölkerung bedingt, so müßte diese in einer erhöhten Krankenziffer zum
Ausdruck kommen. Da dies nicht der Fall ist,..sind wir vollberechtigt, zu sagen,
daß unsere Ernährung, die an gewohnter Menge und Schmackhaftigkeit zweifellos
eingebüßt hat, trotzdem, ausreichend ist.
Wir waren und sind imstande, unserem Körper * eine ausreichende
Gesamtnahrung (in Wärmeeinheiten berechnet) zuzuführen. Zuweilen reicht
allerdings diese Gesamtmenge nicht, um den Stoffwechselbedarf des von Friedens -
Zeiten her überernährten (im Übergewicht befindlichen) Körpers zu decken. In
diesem Fall tritt eine Abmagerung (Verlust des überflüssigen Fettes) solange ein,
bis der Körper auf einem Stoffwechselbedarf angelangt ist, welcher der Nahrungs
menge entspricht; dann tritt eine Gleichgewichtsstellung für Bedarf und Ernährung
hervor, ohne daß wir den Eiweißmindestbedarf in der Nahrung unterschreiten;
denn solange wir überhaupt imstande sind, durch Verzehren üblicher, wenn auch
weniger gehaltvoller Nahrungsmittel (Gemüsenahrung) einen Gleichgewichts
zustand von Nahrungsaufnahme zu Körperleistung zu erreichen, nehmen wir immer
eine genügende Menge Eiweiß auf.
Beim Übergang von einer reichlichen Fett- und Fleischnahrung, die verhält
nismäßig lange bei der Verdauung im Magen verweilt, zu einer überwiegenden
Gemüsekost und fettarmen Gerichten, die den Magen rasch verlassen und sogar
durch den Darm rascher hindurchgehen, tritt, wie schon oben angedeutet, durch
die rascher einsetzende Magenleere anfangs Hungergefühl auf. Dieses hat mit einem
Zellhunger unmittelbar nichts zu tun und verschwindet durch Gewöhnung an die
veränderte Ernährung. Schon in Friedenszeiten haben die aus Überzeugung fleisch
frei lebenden Menschen (Vegetarier) zur Genüge bewiesen, welche sportliche Höchst
leistungen ohne Fleischnahrung vollbracht werden können, und alle Erhebungen,
die jetzt 1 y 2 Jahre nach der unfreiwilligen Bevorzugung der Gemüsekost angestellt
wurden, lassen im großen ganzen keinen ungünstigen Einfluß erkennen; im Gegenteil,
wenn man berücksichtigt, daß reichliche Fleischkost zu reichlicher Harnstoff
und Harnsäurebildung führt, die zum mindesten eine unnötige Stoffwechselbelastung,
wenn nicht Schädigung (Gichtentstehung) darstellt, soll man es begrüßen, daß
die Kriegsnot unser Volk in der Gesamtheit wieder einer einfacheren, vernunft
gemäßeren, billigeren und gesünderen Ernährungsweise entgegenführt.
Der allgemeine Gesundheitszustand des Feldheeres war zu Beginn des Krieges
schon zufriedenstellend und hat sich dank der noch immer verbesserten militär
ärztlichen Fürsorge weiter bedeutend gehoben. Im ersten Kriegsjahre betrug der
durchschnittliche Monatskrankenzugang bei den Truppen, berechnet auf tausend
der Kopfstärke (0/00 K), 120, im zweiten nur noch 100.