Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Die Hygiene im Kriege 
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2. Es ist unbedingt notwendig, daß eine bestimmte Menge des Körpernahrungs - 
bedarfs (umgerechnet in Wärmeeinheiten) durch Eiweiß gedeckt wird, denn unser 
Körper verbraucht bei seinem Zelleben ständig Eiweiß, und dieser Verbrauch kann 
infolge der einzigartigen chemischen Zusammensetzung des Eiweiß 1 ) nur durch 
Zufuhr von Eiweiß in der Nahrung wieder ausgeglichen werden. (Eiweißmindest - 
bedarf.) 
Man hat das Voitsche Kostmaß und insbesondere die geforderte Eiweißmenge 
unberechtigterweise meist als Mindestforderung aufgefaßt, unter Verkennung bzw. 
Außerachtlassung der Bedingungen, unter denen das Kostmaß aufgestellt war. 
Die Voitsche Eiweißmenge soll und kann keinen Mindestsatz darstellen. Das 
Eiweißminimum — d. h. diejenige Eiweißmenge, die dem Körper unbedingt zur 
Erhaltung normaler Körperfunktionen zugeführt werden muß, die durch kein 
anderes Nahrungsmittel ersetzbar ist — kann bei einem Menschen von 70 Kilo 
Gewicht und mittlerer Arbeitsleistung jedenfalls ganz erheblich tiefer liegen, wenn 
auch über die absolute Größe noch keine Übereinstimmung herrscht. Der Eiweiß 
bedarf ist, abgesehen vom Körpergewicht, Geschlecht und Tätigkeit, auch von der 
Größe des Gesamtstoffwechsels, dem absoluten Ernährungszustand, der Erreg 
barkeit, Gewohnheit und vor allem von der Art und Zusammenstellung der Speisen 
abhängig, in denen die Grundstoffe gereicht werden. 
Schon in Eriedenszeiten haben viele wissenschaftliche und praktische Ver 
suche im wesentlichen übereinstimmend dargetan, daß man bei geeigneter Kost 
zusammenstellung mit viel weniger Eiweiß auskommt, als Voit bei gemischter 
Kost fordert, aber der steigende Wohlstand, das hastende Leben und allgemein 
das Verlangen nach einer möglichst schmackhaften, abwechslungsreichen und 
hochwertigen Kost forderten eine eiweißreiche Kostzusammenstellung. Tritt der 
Anteil von Brot und Kartoffeln an der Ernährung zurück, so mnß Eleisch (und auch 
Fett) in größerer Menge herangezogen werden, wenn anders wir die zur Ernährung 
notwendige Gesamtwärmemenge in der Nahrung aufnehmen wollen. 
Die Erschwerung der Lebensmittelzufuhr zur See und zu Land und der Rück 
gang unserer landwirtschaftlichen Erzeugung infolge Mangels an hochwertigen 
ausländischen Düngstoffen (Chilesalpeter)—Friedenseinfuhr jährlich 800000 Tonnen 
— und der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften haben an den Voraus 
setzungen, damit auch an den Schlußfolgerungen unserer Volksernährungsfragen 
ungeahnte Umwälzungen zuwege gebracht. Heute heißt es nicht mehr, wie können 
wir uns möglichst abwechslungsreich mit schmackhafter Kost am angenehmsten 
und gesundheitlich richtig ernähren, sondern wir müssen mit den im Lande erzeugten 
Lebensmitteln einschließlich der geringen Einfuhr bis zum Siege aushalten. Durch 
die staatliche Beschlagnahmung und gleichmäßige Verteilung der wichtigsten Lebens 
mittel stehen uns heute pro Kopf und Tag etwa 250: 7 = 35 Gramm Fleisch mit 
7,5 Gramm Eiweiß und 75:7 = 11,0 Gramm Fett zur Verfügung. Dazu kommen 
noch die Mengen an Eiweiß und Fett, die wir in Form von Eiern und Käse erhalten; 
auch Fisch, Muscheln, Geflügel liefern berechenbare Eiweiß- und Fettmengen, 
1 ) So enthält z. B. das Eiweiß N. (Stickstoff), der sich in Fetten und Kohlehydraten nicht vor 
findet.
	        
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