Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Ernst Lehmann 
Ganz abgesehen von diesen Differenzierungsschwierigkeiten macht die Ruhr 
diagnose im Kriege nach übereinstimmenden Erfahrungen sehr vieler Bakteriologen 
besondere Schwierigkeiten. Die Ruhrbakterien sind einmal außerhalb des Darmes 
gegen Abkühlung recht empfindlich, und werden daselbst von den Begleitbakterien 
schnell überwuchert, sodaß sie nach längerem Transport schwer feststellbar sind. 
Man hat deshalb, bei klinisch positiven Befunden, bakteriologisch sehr häufig 
negative Ergebnisse zu verzeichnen. Eine möglichst schnelle Verarbeitung möglichst 
frischen Stuhles führt zu den günstigsten Ergebnissen. 
Wegen dieser oft recht schwierigen Feststellung von Ruhrbazillen im Stuhle, 
besonders bei alten Fällen, hat man versucht, durch Agglutination sicherer Ruhr 
stämme, mit Krankenserum, nach Art des Typhus Widal, die Diagnose sicherzu 
stellen. Die Ergebnisse, welche nach dieser Richtung erzielt wurden, sind wieder 
recht ungleichartig. Die überwiegende Mehrzahl hält den positiven Ausfall der 
Agglutination mit Pseudodysenteriebazillen nicht für beweisend für von diesen 
ausgehende Infektion, da auch Blutserum Gesunder diese Bakterien, ganz 
besonders nach Impfung mit Cholera- oder Typhusbazillen, in weitgehenden 
Verdünnungen ägglutiniert. Typische Agglutination von B. dysenteriae wird 
aber meistenteils wenigstens in Verdünnungen von 1: 100 und höher als beweisend 
betrachtet. 
Auf eine Reihe farbstoffbilden der Bakterien, die, wie die Bakterien des grünen 
Eiters, B. pyocyaneum und syncyaneum im Kriege allerdings auch bei Ver 
wundungen usw. nicht selten zu finden sind, soll hier nicht näher eingegangen 
werden. Dagegen ist noch eines Bakteriums, welches sehr gewöhnlich ist und als 
Erreger stinkender Fäulnis allgegenwärtig zu sein pflegt, etwas eingehender zu 
gedenken, da es im Laufe des Krieges eine ganz besondere Bedeutung gewonnen hat, 
das ist das 
B. proteus. 
Von der Mannigfaltigkeit seiner Gestalt hat dieses Bakterium seinen Namen. 
In der Regel tritt es uns in Gestalt von schlanken, dünnen Stäbchen entgegen. Oft 
sind diese in langen Fäden aneinander gereiht, hie und da bilden sie isodiametrische 
Formen, spiralig gewundene Fäden usw. Die Stäbchen sind sehr lebhaft beweglich. 
Sie verflüssigen Gelatine. 
Das Stäbchen spielte immer bei der Wasseruntersuchung eine Rolle, indem 
sein Auftreten auf das Vorhandensein von fauligen Substanzen im Wasser schließen 
ließ. Nun hat dieses Bakterium an einem sehr wichtigen Platz eine weite Bedeutung 
gewonnen. Weil und Felix gelang es nämlich, aus dem Urin an Fleckfieber, der 
in diesem Kriege besonders gefürchteten Seuche, Erkrankter einige Proteus-Stämme 
zu erziehen, welche mit dem Blute von Fleckfieberkranken eine deutliche Agglu 
tination ergaben. Dieses Ergebnis ist in weitgehendem Maße nachgeprüft und all 
gemein als zu Recht bestehend erkannt worden. Da B. proteus als Erreger des 
Fleckfiebers nicht in Frage kommen kann, so ist das Wesen dieser Agglutination 
noch nicht erklärt und bleibt späteren Untersuchungen Vorbehalten. Trotzdem aber 
gibt die Reaktion ein äußerst wertvolles Mittel zur Unterscheidung des Fleck 
fiebers von ähnlichen Infektionskrankheiten an die Hand.
	        
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