Die Bakteriologie im Kriege
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erreger verschiedener Art gerade im Kriege eine besondere Bedeutung besitzen. In
praktischer Hinsicht bedeutsam sind die Essigsäurebakterien, die Milchsäure
bakterien ; als Krankheitserreger erinnern wir beispielsweise an die Erreger von
Pest und Influenza. Die Bewohner des gesunden Darms, allen voran B. coli, sind
in der Mehrzahl Stäbchen, dazu kommt eine große Reihe harmloser Saprophyten,
die man allgegenwärtig findet. Für den Krieg von allergrößter Bedeutung aber sind
die Stäbchenbakterien als Erreger der wichtigsten Heeresseuchen wie Typhus
und Ruhr und so bedeutsamer Wundinfektionen wie Wundstarrkrampf und Gas
phlegmonen. Als Hauptcharakteristikum zur Einteilung dieser Stäbchenbakterien
benutzt man das Vorhandensein oder Fehlen von Dauerformen oder Sporen. Wir
betrachten zuerst die im Kriege wichtigsten sporenlosen Bakterien formen.
Sporenlose Bakterien.
Die Typhus-Coli-Ruhr-Gruppe.
Der Darm des Menschen und der Tiere enthält bekanntlich eine sehr reiche
Bakterienflora. Sehr viele der im gesunden Darm lebenden Bakterien sind Stäb
chen, welche zu den sogenannten Colibakterien gehören. Das B. coli wurde im
18. Jahrhundert von Escherich entdeckt. Es ist in der Regel ein Kurzstäbchen
von 2 bis 4 Millimetern Länge und 0,4 bis 0,6 Millimetern Breite, das aber manchmal
nahezu die Form eines Ovals annimmt. Das Bakterium färbt sich nicht nach Gram.
Die Beweglichkeit ist manchmal vorhanden, manchmal fehlend. In seinen bio
logischen Ansprüchen kann Coli sehr verschieden sein. Es nützt Eiweißstoffe und
einfache stickstoffhaltige Substanzen. Es vergärt Kohlehydrate der verschiedensten
Art. Entsprechend diesen sehr mannigfaltigen Fähigkeiten ist B. coli imstande,
saprophytisch in der verschiedensten Weise zu leben — außerhalb der Därme findet
sich B. coli an sehr vielen Stellen — dazu aber tritt es hie und da auch parasitisch
auf, wenngleich nicht in für den Krieg erheblich hervortretender Weise. Besondere
Bedeutung ist dem Auftreten des B. coli im Wasser beigemessen worden. Von
mancher Seite wird ein Auftreten der Colibazillen im Wasser als Zeichen statt
gehabter Verunreinigung auf gef aßt. Bei der großen Bedeutung einer einwandfreien
Wasserversorgung unserer Truppen im Feld spielt die Stellung zu dieser Frage,
welche nicht näher auf gerollt werden soll, eine wichtige Rolle.
In nächster Beziehung zu B. coli und morphologisch nicht von ihm trennbar
steht nun aber eine Reihe höchst bemerkenswerter epidemischer Krankheitserreger.
Denken wir uns —ob die Sache sich in derTat so verhält, können wir nicht sagen,—
coliähnliche Bakterien haben sich zu irgendwelchen Zeiten im Darm des Menschen,
ob aus sich selbst oder unter Einwirkung der Verhältnisse der Umgebung, ist zu
entscheiden heute ebenfalls nicht möglich, weiter entwickelt. Dabei haben sowohl
unbewegliche als bewegliche Formen Entwickelungsgänge‘durchgemacht. Unter
irgendwelchen uns unbekannten Bedingungen haben sie sich in zwei ver
schiedenen Richtungen umgewandelt, die beweglichen nach der Richtung der
uns heute geläufigen Typhus-Paratyphus-Gruppe, die unbeweglichen nach der
Ruhrgruppe.