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Ernst Lehmann
ein direktes Gift. Unter den pathogenen Bakterien sind sauerstoffliehende und
Sauerstoff scheue vertreten. Von ersteren seien besonders die Choleravibrionen,
von letzteren die Tetanusbazillen und die Erreger der Gasphlegmonen genannt,
als im Kriege von besonderer Bedeutung. Es ist klar, daß das Verhalten dem
Sauerstoff gegenüber ebensowohl in diagnostischer Beziehung, als für die Kultur
möglichkeit der Bakterien von Wichtigkeit ist.
Von- ganz außerordentlicher Bedeutung für die Kultur wie für die Diagnose
der pathogenen Bakterien sind sodann die Ansprüche, welche diese Organismen
an die Stickstoff quelle stellen. Die pathogenen Bakterien sind parasitische Organis
men. Sie sind im Laufe ihres normalen Lebensganges auf die Stickstoff quellen
des Menschen bzw. der Tiere angewiesen. Hier werden ihnen in erster Linie als
solche komplizierte Eiweißverbindungen geboten. Das spricht sich bei vielen
pathogenen Bakterien noch darin aus, daß sie außerhalb des Menschen nur auf'
Nährböden kultiviert werden können, welche Körpereiweiß enthalten. Zur Her
stellung. solcher Nährböden benutzt man verschiedene eiweißhaltige Substanzen,
menschliche Transsudate (Aszites), Blut, Serum usw.
Bei weitem nicht alle pathogenen Bakterien bedürfen aber hochkomplizierter
Eiweißstoffe zum Gedeihen außerhalb des Menschen. Manche können auch mit
viel einfacheren stickstoffhaltigen Substanzen, wie Albumjnoiden oder Peptonen,
gut auskommen. Unter den ersteren ist die Gelatine von besonderer Bedeutung,
welche von einem Teil der pathogenen Bakterien — Cholera, Proteus — angegriffen
und verflüssigt wird, von vielen anderen aber nicht genützt werden kann. Die Ver
flüssigung der in Reagenzröhrchen gebrachten Gelatine geschieht in vielen Fällen
in sehr charakteristischer Weise und bietet vorzügliche Anhaltspunkte für die
Diagnose.
Nicht weniger wichtig ist in manchen Fällen Pepton. Hierin gedeihen beispiels
weise die Cholera Vibrionen vorzüglich.
Wichtig zur Diagnose ‘sind verschiedene Stickstoff quellen dann aber noch
weiter in anderer Richtung. So können manche Bakterien ein häufiges Spalt
produkt des Eiweißmöleküls, Tryptophan, angreifen und weit er spalten, andere
nicht. Bei der Spaltung dieses Tryptophans kommt es nun zur Bildung aromatischer
Substanzen, welche durch ihren Geruch besonders bekannt sind: Skatol und Indol,
von denen der Nachweis des letzteren von diagnostischer Bedeutung ist. Man führt
diesen Nachweis dergestalt aus, daß einige Tage alte Bouillonkulturen mit kon
zentrierter Schwefelsäure und Kaliumnitrit versetzt werden. Auf diese Weise
kommt es zu lebhafter Rotfärbung, welche auf das von den betreffenden Bakterien
gebildete Indol zurückzuführen ist. Da Cholerabazillen diese Indolbildung hervor-
rufen, so bezeichnet man diese Reaktion auch als Cholerarotreaktion. Sie ist
auch wichtig zur Differenzierung in der Coli-Typhusgruppe. | I |
Neben der Stickstoff quelle benötigen die Bakterien wie alle Organismen
weiter Kohlehydrate zu Leben und Wachstum. Zucker, Alkohole usw. kommen
hier in Frage. Wie die Hefe mit Hilfe der Diastase den Traubenzucker vergärt, so
spalten die Bakterien vermittels ihrer Enzyme die verschiedensten Zuckerarten usw.
Sie sind dabei aber oft recht wählerisch, und gerade diese Vorliebe der einzelnen
Bakterienarten für verschiedene Kohlehydrate ist für die Diagnose wertvoll.