Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Die Botanik im Kriege 
575 
Lehrer und Apotheker haben sich mancherorts vereint, um mit den Schülern 
Arzneipflanzen zu sammeln und haben auf diese Weise neben der Arzneipflanzen 
sammlung naturgeschichtlichen Unterricht getrieben. Beispielsweise haben Schüler 
in Saulgau 1916 gesammelt und abgeliefert-. 38,5 Kilogramm Lindenblüte, 46,1 
Kilogramm Schafgarbe, 136 Kilogramm Johanniskraut, 40,5 Kilogramm Spitz 
wegerich, 63,7 Kilogramm Huflattich, 23,5 Kilogramm Augentrost usw. Auch 
die Heeresverwaltung hat umfangreiche Sammlungen vornehmen lassen. Aus 
den Vogesen liegt mir ein Merkblatt vor, auf welchem die wichtigsten Arzneipflanzen 
abgebildet und beschrieben sind, die dann unter Leitung von Apothekern und 
Sanitätsmannschaften in umfangreichem Maße gesammelt und der Heeresver 
waltung zugeführt wurden. 
Im Jahre 1917 hat sich dann einmal die deutsche pharmazeutische Gesell 
schaft mit Fragebogen an Sachverständige durch ganz Deutschland gewandt, 
um festzustellen, was an Arzneipflanzensammlung und Kultur bisher schon be 
trieben wurde, um auf Grund dieser Erhebungen weitere Schritte tun zu können. 
Weiterhin hat sich in München die Hortusgesellschaft konstituiert, welche allen 
Fragen, die mit Arzneipflanzeftsammlung und -kultur in Beziehung stehen, ihre 
besondere Aufmerksamkeit widmet und meinem besonderen, monatlich erscheinenden 
Organ über die Fortschritte berichtet und Vorschläge und Aufsätze wissenschaft 
licher und praktischer Natur bringt. 
Es steht zu erwarten, daß diese Bestrebungen auch für den Frieden Früchte 
tragen werden. 
Faserersatz. 
Tierische und pflanzliche Fasern haben für die Kultur menschheit eine ungeheure 
Bedeutung gewonnen. Nicht allein, daß überaus bedeutende Mengen von Fasern 
zu Kleidungsstücken verarbeitet werden, vielmehr erfordert die Technik Fasern 
auch sonst zu den allerverschiedensten Zwecken. Säcke, Tücher, Decken der 
verschiedensten Art, Watten und Verbandstoffe, Stopf- und Polstermaterial, 
Filze, Bürsten und Besen, Papier, Dochte, allerlei geflochtene Gegenstände wie Matten, 
Stühle, Körbe, alle diese und noch unendlich viele andere Dinge erfordern pflanz 
liche oder tierische Fasern. Deutschland mit seiner gewaltigen Textilindustrie 
— die Zahl der darin beschäftigten Personen betrug im Frieden etwa 1 Million — 
verbrauchte besonders große Fasermengen und war doch mit dem Rohmaterial 
fast gänzlich auf das Ausland angewiesen, da nur verschwindend geringe Mengen 
von Faserflanzen in Deutschland angebaut wurden. Fast 10 Millionen Doppel 
zentner Rohfasern wurden alljährlich von auswärts der deutschen Textilindustrie 
zugeführt. 
In früherer Zeit lagen die Verhältnisse ganz anders. Flachs und Hanf wurden 
zur Herstellung von Geweben in Deutschland im großen Umfange gebaut, und die 
Leine Weberei a besaß in manchen Gegenden eine außerordentliche, Bedeutung. Da 
erstand in der Baumwolle den deutschen Faserlieferanten eine mächtige Konkurren 
tin, die nie wieder aus dem Felde zu schlagen gelungen ist. Der Hanf-und Flachs 
bau ging immer mehr zurück. Betrug z. B. die mit Flachs bebaute Bodenfläche 
Sachsens zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch über 19000 Hektar, so ist sie bis
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.