Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Ernst Lehmann 
nicht als giftig bekannt war. Von manchen Stellen wurde sogar die Gefahr der 
Pilzvergiftung als sehr gering bezeichnet und die Anschauung verbreitet, man lebe 
einer übertriebenen Vergiftungsfurcht. 
Es ist aber zweifellos, daß eine solide Pilzkenntnis die Voraussetzung für 
eine so weite Nützungsmöglichkeit der Pilze ist. In unseren Wäldern wachsen in 
großer Mannigfaltigkeit die verschiedensten, einander zum Teil sehr ähnlichen Pilz 
formen, die richtig zu erkennen nicht das Werk eines Pilznachmittags ist. Und so 
ereigneten sich auch während der Kriegszeit nicht wenig Pilzvergiftungsfälle. 
Dittrich hat dieselben für das Jahr 1915 und 1916 in den Berichten der Deutschen 
Botanischen Gesellschaft zusammengestellt. Eür das Jahr 1915 ermittelt er durch 
Zeitungsnachrichten, auf Grund eigener Nachforschungen usw. 248 Personen, die 
nach dem Genuß schädlicher Pilze erkrankt, 92, die danach gestorben sind. Für das 
Jahr 1916 kommen 89 bekannt gewordene Todesfälle in Frage. Es ist nicht zu 
bezweifeln, daß die Zahl der Erkrankungsfälle zum mindesten noch eine erheblich 
höhere gewesen ist, als die Statistik angibt, wenn dieselbe auch eine recht dankens 
werte Grundlage bietet. Als weitaus gefährlichster Giftpilz wurde, wie schon früher, 
der Knollenblätterschwamm, Amanita phalloides, festgestellt, doch wird von ver 
schiedenen Seiten auch über eine Reihe weiterer totbringender Schädlinge berichtet. 
Sehr bemerkenswert ist, daß nach den Angaben Dittrichs durch Marktverkauf 
keine totbringenden Vergiftungen festgestellt wurden, sondern fast ausschließlich 
bei den Sammlern und ihren Familien selbst. Auch in Österreich hat man den 
Pilzvergiftungen während des Krieges erneute Aufmerksamkeit gewidmet. So 
beschäftigt sich daselbst Kanngieser mit Pilzvergiftungen (Prager mediz. W. 1915, 
Nr. 11). Nach Angaben Tunmanas aus der Schweiz sollen sich 1916 die Pilz 
vergiftungen bedenklich gemehrt haben, doch fehlen tatsächliche, zahlenmäßige 
Grundlagen. 
An manchen Stellen sind sehr zweckmäßige Einrichtungen getroffen worden, 
vor Pilzvergiftungen zu bewähren. Ich erwähne hier nur, daß in Bayern ein Erlaub 
nisschein des Bezirksamtes zum Verkauf von Pilzen notwendig ist und daß die 
Ausstellung eines solchen nur auf Grund einer Prüfung durch einen Sachverständigen 
erfolgt. In manchen Städten bestehen sodann Pilzauskunftsstellen, wo ein jeder 
umsonst oder für ein geringes Entgelt Auskunft erhält (Königsberg, Danzig). 
Das, was nun tatsächlich mit der Anregung zum Pilzsammeln erzielt wurde, 
ist sicher recht bedeutsam. Besonders vorbildlich ist die durch den Lehrer Hermann 
Schulz geschaffene Sammelorganisation der Stadt Kassel. Hier ist der ganze Stadt- 
und Landkreis Kassel in Bezirke eingeteilt, in welchen von den Schulen nach be 
stimmtem Verteilungsplan gesammelt wird. Es betrifft das nicht nur die Pilze, 
sondern auch anderes Ersatzmaterial. 
In Württemberg hat sich ein Pilzausschuß organisiert, an dessen Spitze zwei 
Männer mit ausgezeichneter Pilzkenntnis, Lehrer Obermeier in Stuttgart und 
Professor Ritter in Tübingen, stehen. Sie stehen in Verbindung mit der Geschäfts 
stelle des Albvereins und sind in jeder Weise zum Sammeln von Pilzen, Verar 
beitung von Pilzen zu Mehl und Extrakt, zu Hühner- und Schweinefutter usw. 
eingetreten, und so ließen sich ähnliche Ergebnisse von manchen Gegenden ver 
melden.
	        
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