Die Botanik im Kriege
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Ersatz gesucht wird. Wohl der bekannteste Fall dieser Art ist die napoleonische
Kontinentalsperre, durch welche, um England möglichst empfindlich zu treffen,
die Einfuhr von Kolonialprodukten nach dem Eestlande nach Möglichkeit unter
bunden werden sollte. Von ganz erheblichen Folgen war in dieser Richtung aber,
wie wir noch weiter sehen werden, auch der nordamerikanische Bürgerkrieg und der
Krimkrieg.
Die Folgen dieses Krieges allerdings auf dem Gebiete der pflanzlichen
Nahrungs-, Genußmittel- und Rohstoffversorgung sind bisher unerhörte und vorher
nie dagewesene. Das Streben nach Ersatzbeschaffung ist ein so gewaltiges, daß es
im Rahmen dieses Werkes nur möglich sein wird, das allerwichtigste herauszuheben.
Wir wollen in folgendem eine kurze Übersicht über die pflanzlichen Ersatzstoffe
zu geben versuchen.
Öle und Fette.
Der Krieg hat uns der Einfuhr fast sämtlicher ausländischer Öllieferanten,
wie der Sesamsamen, Erdnüsse, Oliven, Baumwollsamen usw. beraubt. Die Auf
gabe war, den Ausfall nach Möglichkeit zu ersetzen. Deutschland hatte vor dem
Weltkrieg eine Einfuhr an Ölsaat und Ölfrüchten von 1 600 000 t, die eine Aus
beute von 570 000 t Öl ergab. Das Inland lieferte 20—30 000 t Öl.
Daß dieser ungeheure Ausfall gedeckt werden oder auch nur annähernd aus
geglichen werden könnte, ist ausgeschlossen. Um aber dem Mangel nach Möglichkeit
abzuhelfen, gab es vor allem die folgenden Wege:
1. Gesteigerter Anbau der schon vor dem Krieg als Öllieferanten in Deutsch
land gebauten Pflanzen.
2. Anbau von vor dem Krieg nicht oder nur in beschränktem Maße in Deutsch
land angebauten Pflanzen.
3. Nutzung der bei uns wildwachsenden oder zu anderen Zwecken kultivierten
Pflanzen.
1. Gesteigerter Anbau vor dem Krieg als Öllieferanten in Deutschland
angebauter Pflanzen.
Schon gar bald, als die Ölknappheit einsetzte, war man bestrebt, den Anbau
früher schon in größerem Umfange gebauter Ölpflanzen wieder zu steigern. So
wurde durch das preußische Landwirtschaftsministerium, durch den Kriegsaus-
schuß für Fette und Öle und durch andere öffentliche wie private Institute der
Anbau von Lein, Hanf, Raps, Rübsen usw. zu heben versucht, teilweise mit gutem
Erfolg. Es ist aber hier nicht der Ort, auf die mit diesem Anbau erzielten landwirt
schaftlichen Ergebnisse näher einzugehen; es wird das im landwirtschaftlichen Teile
geschehen. Uns interessiert hier vielmehr der 2. und 3. eben angedeutete Weg.
2. Anbau von vor dem Krieg nicht oder nur in beschränktem Mage
in Deutschland kultivierten Ölpflanzen.
Wer in den Kriegssommern .1915 und 1916 durch Deutschland reiste, dem
begegneten ungewohnte Bilder. In sonst nie gesehener Fülle prangten im Juni