Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Felix Lampe 
Jahrhunderten erzogen ist, wie der Druck der Nachbarn auf sein rings um- 
lungertes Stück Erde in europäischer Mittellage es trotz alles Dranges eigenwilliger 
Bewohner nach Sonderleben immer wieder zum Staate zusammenschweißte. 
Bemerkenswert ist für jeden, der den Wert der Staaten ermessen will, zuvör 
derst der Aufbau der Erdoberfläche nach Formen und Gesteinen. So Wechsel voll 
durch Bergzüge und Verflächungen, durch Halbinseln und Inseln Westeuropa ist, 
stellten Osteuropas im Süden tafellagernde Bodenschichten und nordwärts an 
grenzende Ebenen Grundbedingungen für das Entstehen eines Einheitsstaats 
dar, wie sie dem Westen fehlen. Hier wie dort lebt freilich eine Mehrzahl von Volks 
stämmen; aber im Westen bildeten sie getrennte Staaten, im Osten faßte ein Reich 
alle zusammen, wie der Bodenaufbau das begünstigte. Weil die Zusammenhaltung 
der Riesenräume voll verschiedener. Völker einen starken Einheitswillen voraussetzt, 
war straffe Monarchie hier die gegebene Staatsform. Der demokratisierenden 
Revolution folgte dagegen sofort die Absplitterung randlicher Reichsteile. 
Merkwürdig genug ist im Westen die Geschichte des Bodens und der Völker 
verlaufen. Die Geologie zeigt alte Zusammenhänge der schottischen und skandina 
vischen Bergmassen * anderseits der Gebirge von Wales und Cornwall mit denen 
der Bretagne und Auvergne, ebenso von'den normännischen Kreidelandschaften 
mit denen in Südost-England. So hatten auch norwegische Wikinger und bretonische 
Kelten ihre Beziehungen zu England, und die Angeln und Sachsen von der Nieder 
elbe fanden hinter der ausgebauchten Ostküste Großbritanniens zwischen Themse 
und Wash-Busen Schwemmland wie in der Heimat. Ähnlich steht es um Boden - 
und Staatenzusammenhänge zu beiden Seiten des bottnischen Busens. Den balti 
schen Schild oder Fennoskandia nennen die Geologen/die nach Bodenart und 
Landschaftsform einander zugehörigen Landschaften Mittel- und Nordschwedens wie 
Finnlands, die, nur durch seichte Ostsee-Überflutung rein äußerlich getrennt, durch 
die Alandsinseln sichtbarlich verbunden sind. Auch geschichtlich gehörten sie zu 
sammen ; sie wurden erst durch Rußlands Land gier staatlich, nich b kulturell getrennt, 
und Schweden beobachtete im Kriege gereizt, wie Befestigungswerke den russisch-eng 
lischen Machtbereich über die Alandsinseln nach Skandinavien vor schoben. Das ist 
das Kennzeichen Mitteleuropas von Schweden bis nach Italien und Griechenland, daß 
die Landschaften nach Ost- oder nach Westeuropa, auch wohl zu beiden hin ohne 
natürliche Grenzsäume hinüberfließen und deshalb auch der Menschengeschichte 
freie Bahnen zu Ost- und West-Bewegungen auftun.. Ebenen, von Unterlassenen 
Grundmoränengeschieben eiszeitlicher Gletscher über das fast ganz verhüllte, ge 
wachsene Bodengerüst geschüttet, erfüllen Südschweden, Dänemark, Norddeutsch 
land und die baltischen Provinzen Rußlands und boten dadurch ihren Völkern ähn 
liche Lebensbedingungen, so daß über die den Verkehr nirgends ernstlich hemmenden 
welligen Flachlandschaften rege Bewegung in Gutem wie Bösem seit alters statt 
hat. Weiter südwärts wird Mitteleuropa ausgefüllt vom wechselvollen Zug der 
Mittelgebirge, oft umgestalteter Gebilde aus Resten altvergangener Hochketten, 
die von Südpolen bis Westfrankreich sich dehnten. Hier sind wie im Flachlande die 
Grenzen gegen Osten ganz offen, so daß eine Völkerflut auf die andere von dort 
heranspülte, Slawen und Hunnen, Avaren, Ungarn und Mongolen. In Galizien, der 
Bukowina, Siebenbürgen und Rumänien lagert in krausem Volksgemisch, was so
	        
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