Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Krieg und Kultur 
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realistischen Zug gewonnen. Einen idealistischen Positivismus durchzuführen, 
wie es H. Vaihingers großartige „Philosophie des Als Ob“ unternommen hat, 
muß als eine eigenartig deutsche Leistung gewertet werden. Wir dürfen heute 
sagen, daß der nach 1870 auf allen Gebieten einsetzende realistische Geist den 
idealistischen Grundzug des deutschen Denkens nicht erhöht hat; er ist in den 
letzten beiden Jahrzehnten neu gekräftigt worden. Beide im Geistesleben der 
Nation wirksam zu erhalten, ist die Aufgabe, deren wir uns seit den Augusttagen 
von 1914 völlig bewußt geworden sind. Was über die verschiedenen Aufgaben und 
Richtungen in der Philosophie und ihr Verhältnis zum Erleben der Gegenwart 
zu sagen wäre, das kann hier nur angedeutet werden. Die beste Erörterung dieser 
Frage gibt die geistvolle Darstellung von E. Bergmann in dem Sammelwerk 
„Der Kampf des deutschen Geistes im Weltkrieg“. 
Daß der Krieg auch die Philosophie vor neue Aufgaben stellt, glauben wir heute 
schon zu fühlen. Ob das Erleben unseres Volkes den führenden Geist wecken wird, 
kann niemand wissen. Aber soviel ist sicher, daß der Ethik eine große Aufgabe für 
die Zukunft zufallen wird. Ein Glücksbegriff, der nur danach strebt, der Summe der 
Lustgefühle gegenüber ein Übergewicht über die Unlust zu errechnen, hat Wilhelm 
Raabe im Hunger der Seele nach Erhebung der Seelen eine tiefere Lebensmacht auf 
gewiesen, die sich nicht in Lust- und Unlustgefühle auflösen läßt. Was nun der Krieg 
lehrt, ist dies, daß „Glück“ in Erlebnissen besteht, die aus Hingabe und Opfer 
erwachsen. Unser Sein erfüllt sich erst dann mit den über ihm stehenden Werten. 
Die deutsche Philosophie der Zukunft wird deshalb keine Versenkung in tatenlose 
Beschaulichkeit, noch weniger den Genuß preisen. Daran liegt die Schwäche Scho 
penhauers, dessen Philosophie allzu stark die Wesenszüge seines persönlichen 
Charakters trägt. Er hat in vielem recht; aber er bedarf der Ergänzung durch den 
Aufruf zu Tat und Arbeit. Darin kann Leibniz wieder zu lebendiger Wirkung 
kommen. Wenn er, der größte deutsche Metaphysiker, das Wesen der Substanz als- 
der höchsten, in Wirkung aufgehenden Wesenheit, als Kraft bestimmt, so lebt der 
Gedanke, daß das Wirkliche das Wirkende sei, in Kant, Eichte, Hegel und in 
Nietzsches Ethik fort. Er ist in Fichte vor allem Tat geworden; darum ist er vor 
allem der Philosoph unserer Zeit. Dieser Gedanke wird auch in den verschiedenen 
Denkrichtungen der Gegenwart als Gemeinsames wirken. 
W. Wundt, Die Nationen und ihre Philosophie. Leipzig 1914. 
, Über den wahrhaftigen Krieg. Rede. Leipzig 1914. 
Emil Hammacher, Hauptfragen der modernen Kultur. Berlin 1914. 
Karl Joel, Die Vernunft in der Geschichte. München 1916. 
, Die philosophische Krisis der Gegenwart. Leipzig 1914. 
Wilh. Jerasalem, Der Krieg im Lichte der Gesellschaftslehre. Stuttgart 1915. 
Georg Mehlis, Gestalten des Krieges. Tübingen 1915. 
Gerh. von Mutius, Die drei Reiche. Berlin 1916. 
Heinrich Scholz, Der Idealismus als Träger des Kriegsgedankens. Gotha 1914. 
Erich Franz, Politik und Moral. Über die Grundlagen politischer Ethik. Göttingen 1917. 
Adolf Wach, Staatsmoral und Politik. Leipzig 1917. 
Herrn. Cohen, Über das Eigentümliche des deutschen Geistes. 1914. 
E. Bergmann, Philosophie und Krieg. (Der Kampf des deutschen Geistes. S. 65—89.) 
Wilhelm Düwell, Vom inneren Gesicht des Krieges. Beiträge zur Psychologie und Soziologie des 
Krieges. Jena 1917. 
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