Die Ballistik im Kriege
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Neben dem eben beschriebenen Le Boulenge-Apparat findet der sogenannte
Funkenchronograph von Werner Siemens die verbreitetste Verwendung. Er ist
folgendermaßen eingerichtet: Einer mit bekannter Geschwindigkeit rotierenden,
berußten Metalltrommel (R siehe Bild 6) gegenüber befindet sich eine feine Spitze
(S). S und R befinden sich im Sekundär Stromkreis des Primärstromkreises
E—G—I—E. E ist eine konstante Stromquelle, I die Induktionsspule und G das
Gitter, entweder als Mündungsdraht oder als Kontaktscheibe ausgebildet. Sobald
durch das Geschoß der Mündungsdraht — am zweckmäßigsten eine gehärtete
Stricknadel — zerrissen wird, wird der Primärstrom unterbrochen. Im Sekundär
stromkreis entsteht hierdurch der hochgespannte Sekundärstrom, der in Gestalt
eines Funkens zwischen S und R übergeht und dabei eine gut sichtbare Marke auf
der berußten Trommel erzeugt. Dadurch, daß man mehrere Spitzen nebeneinander
anordnet und mehrere Primärstromkreise verwendet, können Marken im Augen
blicke des Geschoßaustrittes aus der Mündung und im Augenblick, da das Geschoß
Bild 6
einen zweiten und dritten Punkt in bekannten Entfernungen erreicht hat, erzeugt
werden. Die entsprechende Zeit ergibt sich sehr einfach aus folgender Überlegung:
Der Abstand zweier aufeinander folgender Marken sei auf dem Trommelumfang
gemessen a Millimeter. Der Trommelumfang selbst sei u Millimeter. Wenn sich
nun die Trommel in der Minute n mal umdreht, so dreht sie sich in der Sekunde
7^/60 mal. Ein Punkt der Trommel legt somit einen Weg von • u in der Sekunde
zurück. Um einen Millimeter zurückzulegen, braucht somit der Punkt Sekun-
n • u
den, für a Millimeter daher a . Dies ist die gesuchte Zeit.
n • u
Es sind noch eine ganze Reihe von Zeitmeßapparaten in Anwendung, deren
genaue Beschreibung hier viel zu weit führen würde. Im Prinzip seien jedoch noch
einige angedeutet, die besonders eigenartig und geistreich sind.
So besteht z. B. die sogenannte Klepsydra aus einem mit Quecksilber gefüllten
Gefäße. Bei Durchschießung des Mündungsdrahtes wird elektrisch ein Ventil
geöffnet, das sich beim Durchschießen des zweiten Drahtes wieder schließt. Da die
Ausflußgeschwindigkeit des Quecksilbers bekannt ist, so gibt das Gewicht des
ausgeflossenen Quecksilbers ein Maß für die zu messende Zeit. Auf gleichem Prinzip
beruht die außerordentlich geistreiche sogenannte Kondensatormethode von
Radakovic. Beim Durchschießen des Mündungsdrahtes beginnt ein aufgeladener
Kondensator von bekannter Kapazität sich durch einen Widerstand zu entladen.
Beim Durchschießen des zweiten Drahtes wird dieser EntladungsVorgang unter