Um V29 Uhr kann die Meldung erstattet wer¬
den: Feuer auf den Brandherd beschränkt. —
Noch gilt eö, im Neubau die Keller zu schützen. In
ihnen sind wertvolle Vorräte aufgestapelt, Paraf¬
fin, Wachse, Harze und zwei große gefüllte Oel-
zisternen. Eine eigene Abteilung ist bei den Keller¬
türen aufgestellt, um den Flammen den Durch¬
schlag zu verwehren. Gegen 11 Uhr werden die
ersten Züge vom Brandplatze in ihre Zeugstätten
zurückbeordert, nur der Zug Neustadt hat auf dem
Brandplatze zu verbleiben, um die letzten Brand¬
nester zu ersticken, Aufräum- und Sicherungs¬
arbeiten vorzunehmen. Ein großes Polizeiaufgebot
verwehrt Unberufenen den Zutritt, Volkswehr-
abteilungen zu Fuß und zu Pferd versehen Sicher¬
heitsdienste.
Fetzt erst kann der Umfang des Brandes und
der angerichtete Schaden festgestellt werden. Unge¬
heure Masten an Rohmaterial find zugrunde¬
gegangen, unersetzlich damals, weil es sich um lauter
ausländische Ware handelt, deren Nachschaffung
nur mit größten Kosten verbunden ist. Der Neu-
städter-Zug arbeitet unermüdlich weiter. Ueber
Mittag, bis in die Dämmerung und gegen Abend
zu. Hier leckt eine Flamme heraus — sie wird
gelöscht. Da droht verbranntes Gebälk einzustürzen
— es wird abgetragen. Eiserne Träger sind durch
die Hitze aus ihrer Form gekommen, Decken senken
sich, eS muß gepölzt werden.
Gottfried Scherb ist bei der Abteilung einge¬
teilt, die die letzten Löscharbeiten durchzuführen hat.
Er steht an einer Mauer, zum erstenmal mit dem
Rohre in der Hand. Vualm und Rauch haben sein
Gesicht geschwärzt, Hnngergefühl beschleicht ihn,
denn er ist ja noch immer ohne Frühstück. Aber
unermüdlich schweift sein Auge, um Brandnester
zu entdecken, und zielsicher richtet er den Strahl
gegen sichtbar werdende Feuerherde. Mühsam
arbeitet er sich durch das Gewirr der Trümmer,
der Balken, durch den fettigen Schlamm bis nahe
an die Mauer, die den ausgebrannten Teil be¬
grenzt. Plötzlich beginnt die Mauer zu schwanken,
seine Kameraden rufen noch: Gottfried, die Mauer
geht! — Zu spät. Mit Getöse stürzt urplötzlich
das Mauerwerk zusammen, begräbt den jungen
Scherb unter sich, drückt ihn in den rauchenden
Brodem aus heißem Fett und Schlamm. Entsetzen
scheint die Umstehenden zu lähmen. Aber im
Bruchteil einer Sekunde reißen helfende Feuer¬
wehrhände Mauertrümmer und Balken weg, un¬
geachtet der eigenen Lebensgefahr. Fn einigen
Minuten ist der Verunglückte von der auf ihm
ruhenden Last befreit, aber du armer, armer junger
Mann! Ueber und über ist fein Körper mit Brand¬
wunden bedeckt. Ungeheurer Schmerz verkrampft
feine Züge und er kann nicht einmal den Helfern
für ihre Mühe danken. Die bereitgestellte Ret¬
tungsabteilung bringt ihn ins Spital. Auch hier
mühen sich wieder helfende Hände um ihn — ver¬
geblich! Kurze Zeit nach seiner Einlieferung stirbt
das jüngste Mitglied unserer Feuerwehr, ein leuch¬
tendes Beispiel von Pflichterfüllung und hingeben¬
dem Mute, besiegelnd den Treuschwur, den er bei
dem Eintritt in die Feuerwehr geleistet hat. —
Vater und Bruder aber dienen heute noch mit
gleichem Feuereifer bei der freiwilligen Feuerwehr
der Landeshauptstadt Linz. — Diese hat ihrem auf
dem Felde der Ehre gefallenen Mitglieds in der
Zeugstätte der Feuerwache Neustadt ein Ehren¬
zeichen — eine Gedenktafel — gewidmet.
Peter Paul R i e h m a n n.