Volltext: Dur und Moll aus dem Schulleben 1. Bändchen (1. Bändchen / 1918)

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keilen zu kämpfen. Die Disziplin selbst bereitete mir 
weniger Schwierigkeiten, obwohl ich eine sehr starke Klasse 
hatte, denn die Kinder waren, wie das meist auf dem Lande 
der Fall ist, recht gutmütig, aber mit dem Unterrichte ging 
es nicht s o vorwärts, wie ich es wünschte, und da war ich 
oft recht mutlos und verdrossen. Da war es Freund R., 
der mir helfend zur Seite stand. Er führte damals ständig 
die oberste Klasse und lud mich ein, so oft es meine Zeit er 
laube, was während der Religionsstunden in meiner Klasse 
möglich war, seinem Unterrichte beizuwohnen, von welcher 
Erlaubnis ich sehr oft Gebrauch machte. Aber auch er kam 
ab und zu als stiller Zuhörer in meine Klasse und nach der 
Schule tauschten wir bei unseren täglichen gemeinsamen 
Spaziergängen dann unsere Beobachtungen aus, i ch bei 
meinem damals sehr lebhaften Temperament oft sehr un 
gestüm, er, der ja auch um zehn Jahre älter war, immer 
ruhig und abgeklärt. 
Und da sagte er eines Tages, als ich ihm nach einem 
Besuche seiner Klasse meine Verwunderung über seine un 
erschütterliche Ruhe und nie versagende Geduld ausgedrückt 
hatte: 
„Ja, stehst du, urtem Lieber, das verdanke ich erstens: 
Rudolf von Habsdurg, zweitens: dem Grafen Montccuccoli 
und drittens: meinem Zauberringe". 
Ich starrte meinen Kollegen verständnislos an, doch 
er ließ mich nicht lange auf die Erklärung warten. 
Rudolf von Habsburg sagte einmal, als man ihm Vor 
stellungen machte, daß er zu gut sei: „Es hat mich noch nie 
gereut, daß ich zu milde, wohl aber schon oft, daß ich zu 
strenge war." Und Graf Montecuccoli, der berühmte Feld 
herr, sagte: „Zum Kriegführen gehört Geld, Geld und wie 
der Geld." Das habe ich übersetzt und sage: „Zum Schul 
halten gehört Geduld, Geduld und wieder Geduld." 
„So. Uttd der Zauberring?" 
Da zog- Freund R. lächelnd den Ehering vom Finger, 
verwies mich auf die Inschrift und fragte: 
„Was heißt das?" 
„G. g. G. Gott gebe Glück!" 
„Ja," sagte er, „ich lese aber auch: „Gott gebe Ge 
duld!" Siehst du, wenn ich nun mit einem Kinde zu tun 
habe, das dumm oder faul oder beides zugleich ist, so daß ich 
vergeblich alle pädagogische Kunst anwende, so bezwinge ich 
den aufsteigenden Unmut oder verringere ihn wenigstens, 
indem ich an dem Ring drehe und mich an seine Inschrift
	        
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