Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

tischen Beziehungen zu Deutschland vom Kongreß 
mit einer ungeheuren Mehrheit — 78 gegen 5 
Stimmen — gutgeheißen. Das bedeutete freilich noch 
nicht den Krieg, aber es war vorauszusehen, daß sein 
Ausbruch bald folgen werde. Sehr selten hat sich in der 
Geschichte, wenn die diplomatischen Beziehungen ein- 
mal abgebrochen sind, der Krieg noch vermeiden lassen. 
In Deutschland und den ihm verbündeten Län- 
dern wurde das Vorgehen des amerikanischen Prä- 
sidenten mit großer Ruhe hingenommen. Das Volk 
wußte hier, daß Amerika die Feinde Deutschlands 
bisher schon mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote 
standen, unterstützt hatte, nämlich mit Geld, Lebens- 
mitteln und allem Kriegsbedarf. Trat es nun selbst 
in den Krieg ein, so mußte diese Unterstützung eher 
geringer als größer werden, denn es brauchte seine 
Vorräte selbst. Ein amerikanisches Heer war für den 
Krieg über See überhaupt nicht vorhanden, sondern 
mußte, wenn Amerika wirklich ein Eingreifen in 
Europa beabsichtigte, erst gebildet werden. Das nahm 
1—2 Jahre in Anspruch, wie man an England ge- 
sehen hatte. Vis dahin hoffte man durch den rück- 
sichtslosen Unterseebootkrieg die Sache beendet zu 
haben. Ein Einsetzen der amerikanischen Flotte er- 
wartete man nicht, denn man traute den Aankees 
die Dummheit nicht zu, daß sie ihre Flotte für Eng- 
land, das seine eigene zurückhielt, würden in den 
Grund schießen lassen. Die Furcht vor Amerika war 
also ganz gering, die Zuversicht auf den glücklichen 
Ausgang der Dinge war sehr groß. Am 31. Januar 
hatte der Reichskanzler im Reichstage erklärt: „Feld- 
marschall von Hindenburg hat mir vor wenigen 
Tagen die Lage wie folgt bezeichnet: Unsere Front 
steht auf allen Seiten fest. Wir haben überall die 
notwendigen Reserven, die Stimmung der Truppen 
ist gut und Zuversichtlich. Die militärische Eesamtlage 
läßt es zu, alle Folgen auf uns zu nehmen, die der 
uneingeschränkte D-Bootkrieg nach sich ziehen könnte. 
Und weil der D-Bootkrieg unter allen Umständen 
ein Kampfmittel ist, unsere Feinde aufs schwerste zu 
schädigen, muß er begonnen werden". Daran hielt 
sich das Volk. Hindenburg hat es gesagt, Hinden- 
bürg überlegt alles vorher, hat also sicher auch den 
Krieg mit Amerika schon in seine Berechnung ein- 
gestellt, und somit brauchen wir den Krieg nicht zu 
fürchten. Das war nicht etwa nur die Uberzeugung 
des einfachen Mannes, sondern die der klügsten, ge- 
bildetsten und gelehrtesten Leute in Deutschland. 
Was Hindenburg und Ludendorff gesagt hatten, 
war dem ganzen Volke ein Evangelium. Nie haben 
zwei Männer das Vertrauen einer großen Nation 
in demselben Maße besessen wie diese beiden. 
Wenn die deutschen Zeitungen das große Ereignis 
im ganzen sehr kühl besprachen, so wurde dagegen 
in der Presse der Engländer und ihrer Freunde ein 
geradezu maßloser Jubel laut. Die Kriegstreiber 
hatten jetzt nun wieder einmal, was sie brauchten, 
um den gesunkenen Mut ihrer Völker neu aufzu- 
peitschen. Diesen Dienst hatte ihnen 1915 Italien, 1916 
Rumänien geleistet. Nun hatten sie 1917 den großen 
Trumpf mit Amerika auszuspielen. „Die ganze 
Kulturwelt steht jetzt gegen Deutschland unter Waffen," 
hieß es. „Nun kann es, mag es sich wehren wie 
es will, dem Untergang nicht mehr entgehen. Der 
Sieg der Zivilisation über die Barbarei ist nun ganz 
sichergestellt, indem gegen die halberschöpfte deutsche 
Bestie ein ganz frischer Feind auf den Plan tritt usw." 
Es wurde dabei nur die Kleinigkeit übersehen, daß 
dieser Feind jenseits des Weltmeeres saß, und daß 
die Möglichkeit, seine Hilfsmittel nach Europa her- 
überzubringen, durch den Il-Bootkrieg mit jeder 
Woche geringer wurde. 
Der erste Schlag, den Wilson gegen Deutschland 
auszuführen gedachte, bestand nicht in einer kriege- 
rischen Unternehmung, sondern in einer Note, die er 
an die europäischen Neutralen richtete. Sie hatte 
folgenden Wortlaut: 
„Im Auftrage meiner Regierung beehre ich mich. Euer 
Exzellenz bekanntzugeben, daß die Regierung der Vereinigten 
Staaten angesichts der neuerlichen Ankündigung der deutschen 
Regierung, daß sie den hemmungslosen Unterseebootkrieg zu 
erneuern gedenke, keine andere Wahl hat, als den Weg zu 
verfolgen, den sie in ihrer Note an die deutsche Regierung 
vom 18. April 1916 niedergelegt hat. Meine Regierung wird 
daher den amerikanischen Botschafter und sein Gefolge aus 
Berlin abberufen und ungesäumt dem deutschen Botschafter 
in Washington die Pässe für ihn uud sein Gefolge einhän- 
digen. Ich bin ferner beauftragt, zu sagen, daß der Präsident 
zögert zu glauben, daß Deutschland tatsächlich die Drohungen 
gegen den neutralen Handel ausführen wird, daß aber der 
Präsident, wenn dies doch geschehen sollte, vom Kongreß die 
Bollmacht verlangen wird, die Kraft der Nation zu benutzen 
zum Schutz der amerikanischen Bürger, die in friedlichen uud 
gesetzlichen Unternehmungen auf dem offenen Meere beschäftigt 
sind. Nach der Ansicht des Präsidenten stimmt der von ihm 
eingeschlagene Weg vollständig mit den Grundsätzen überein, 
die er in seiner Adresse an den Senat am 12. Januar ver- 
kündet hat. Der Präsident glaubt daher, daß es dem Welt- 
srieden dienlich sein wird, wenn die anderen neutralen Mächte 
es möglich finden, eine ähnliche Aktion zu unternehmen, wie 
es von der Regierung der Vereinigten Staaten geschehen ist." 
Die Note war ein Schlag ins Wasser. Weder die 
skandinavischen Staaten, noch Spanien, noch Holland, 
noch die Schweiz gingen auf den Wilsonschen Leim 
Höflich aber kühl wurde das Liebeswerben Amerikas 
abgewiesen. In den Jahren 1914 und 1915 hätte 
sich die große Republik vielleicht eine Vormachtstellung 
bei den kleinen europäischen Mächten sichern können, 
wenn sie die Rechte der Neutralen furchtlos und 
nachdrücklich gegen die Vergewaltigung Englands 
vertreten hätte. Jetzt war eine solche Nolle nicht 
mehr möglich. Am wenigsten ließen sie sich in einen 
Krieg gegen Deutschland hineinhetzen. Die Erlebnisse 
Serbiens und Rumäniens schreckten doch allzu sehr 
vor einem Bruche mit Deutschland ab, und die Er- 
fahrungen, die sie mit England gemacht hatten, 
vor allem im Hinblick auf das vergewaltigte Griechen- 
land, hatten viele Leute in den neutralen Staaten 
wenn auch nicht deutschfreundlich, so doch höchst 
mißtrauisch gegen England gemacht. Darum lehnten 
sie denn alle die Einladung Wilsons ab und be- 
wiesen damit dem Präsidenten, daß er von der er- 
träumten und ersehnten Stellung eines Völkerhirten 
und Weltrichters noch weit entfernt war. 
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