um Menschheitsfragen zu kümmern und zu sorgen,
dahinter hätte die Sorge um ihr Volk zurückzutreten.
Aber seinen Weltbeglückungs- und Friedensträumereien
und über seinen Parteistreitigkeiten hatte es das deutsche
Volk versäumt, sich so wehrhaft zu machen, wie es
feine gefährdete Lage in der Welt erforderte. Vor
dem Kriege feilschte der Reichstag bei Fragen des
Heereswesens — es erscheint uns jetzt wie ein übler
Witz — um jede lumpige Million Mark mit der
Negierung, und diese wagte es nicht, das Notwendige
gegen den Widerstand der Volksboten durchzusetzen,
wie ihr denn Kraft, Folgerichtigkeit und Stetigkeit
vollständig mangelten. Als dann der Krieg begann,
fehlte das Notwendige an allen Ecken und Enden.
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft und auch
sonst fast in jeder Hinsicht ungenügend vorbereitet,
ging das deutsche Volk in den Krieg, den es an-
geblich gewollt und heraufbeschworen hat. Das Tollste
aber war, daß dann auch während des Krieges weder
die Regierung, noch die große Masse des Volkes das
Wesen dieses Kampfes klar erkannten. Die Regierung
träumte immer weiter von Verständigung und Ver-
söhnung und tat alles halb oder gar nicht oder zu
spät, und das Volk zersplitterte seine Kraft in Partei-
streitigkeiten, die immer wilder und erbitterter wurden.
Das Genie zweier großer Feldherren, die Tapferkeit
des Heeres, die Opferwilligkeit bestimmter Volkskreise
ermöglichten den Deutschen, trotzdem vier Jahre hin-
durch die siegreiche Führung des Krieges, ja, nach
dem Zeugnis des Lord Churchill, hätte Deutschland
um ein Haar den Krieg gewonnen. Aber dann kam
der Zusammenbruch der Bundesgenossen, an die uns
eine verrückte Staatskunst geschmiedet hatte, es kam der
Zusammenbruch des Kriegswillens in der deutschen
Arbeiterschaft und infolgedessen der Zusammenbruch
des verführten und verhetzten Heeres, und endlich löste
die Revolution das Heer selbst vollständig auf, noch
ehe der Friede geschlossen war und machte Deutsch-
land vollkommen wehrlos. Das kann nicht alles mit
der Hungerpsychose entschuldigt und erklärt werden,
denn gerade der Teil des Volkes, der am meisten
gedarbt und gehungert hat, der kleine Mittelstand, hat
treu und fest durchgehalten. Die Hetzer und Schürer
dagegen verstanden es zumeist, trotz der allgemeinen
Not recht behaglich zu leben, gehörten auch zum größ-
ten Teile der „unabkömmlichen Konfession" an.
So kam es, wie es kommen mußte. Übersieht
man alle die ungeheuren Fehler und Versäumnisse,
die vor dem Kriege und während des Krieges ge-
macht worden sind, so muß man sagen: Nur ein
Wunder Gottes konnte uns den Sieg verschaffen.
Er hat sehr wohl gewußt, weshalb er ein solches
Wunder nicht tat. Das deutsche Volk mußte wieder
einmal, wie schon mehrmals im Laufe der Geschichte,
in eine harte Zucht genommen werden.
An seiner Zukunft brauchen wir trotzdem nicht zu
verzweifeln. Ein Volk, das selbst nach dem Dreißig-
jährigen Kriege wieder hoch emporzukommen ver-
mochte, trägt wohl unzerstörbare Lebenskräfte in sich
und so wird es auch aus seiner jetzigen Schmach und
Erniedrigung den Weg zur Höhe wiederfinden. Wir,
die eine Zeitlang gehofft haben, den Anbruch des
deutschen Tages in der Geschichte mitzuerleben, sind
freilich aufs grausamste enttäuscht worden. Es mag
Jahrzehnte dauern, ehe Deutschland auch nur frei
wieder atmen kann. Aber einst wird kommen der Tag,
da Bismarcks Schöpfung sich aus ihren Trümmern
erheben und unser Volk unter den Völkern der Erde
den Platz einnehmen wird, der ihm trotz aller seiner
Schwächen gebührt. Darauf wollen wir hoffen, daran
wollen wir glauben, dafür wollen wir arbeiten und
im Hoffen und Glauben und Arbeiten nicht ver-
zagt, noch müde werden!
Paul Schreckenbach.
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