Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

es war durch eine wunderbare Gunst des Glücks seine 
beiden großen Nebenbuhler losgeworden. Den ge- 
fahrdrohenden Gegner in Vorderasien hatte Hinden- 
burgs Schwert und die russische Revolution zugrunde 
gerichtet, der gefahrdrohende Wettbewerber auf dem 
Weltmarkte war durch die Hungerblockade und die 
deutsche Revolution erledigt. Die Weissagung freilich, 
daß vom Augenblicke der Niederwerfung Deutschlands 
an jeder Engländer um mehrere hundert Pfund reicher 
sein werde, hatte sich nicht erfüllt. Vor der Hand 
waren vielmehr alle Engländer durch die riesigen 
Kriegssteuern sehr viel ärmer geworden, und da auch 
das siegreiche England eine ungeheure Staatsschuld 
hinfüro zu verzinsen hatte, und da in die Stelle des 
erledigten Handelskonkurrenten prompt ein noch ge- 
fährlicherer Handelskonkurrent, nämlich Amerika, 
eingerückt war, so sah es nicht aus, als ob diese 
und die nächste Generation Englands viel Freude an 
den Ergebnissen haben solle. Noch viel schlimmer war 
die Lage Frankreichs und Italiens. Beide Länder 
waren finanziell und wirtschaftlich halb zugrunde 
gerichtet, und besonders bei Italien war es gar nicht 
abzusehen, wie sich das von Natur arme Land mit 
seiner zur Hälfte indolenten Bevölkerung jemals wieder 
aus einer Schuldenlast, die das gesamte National- 
vermögen weit überstieg,werde herausarbeiten können. 
Die furchtbarste Folge des Krieges aber war für alle 
Länder und für die ganze Kultur der Menschheit über- 
Haupt das Emporkommen des Bolschewismus, der ver¬ 
Nach 
m Schlüsse meiner Weltkriegschronik fühle ich 
mich gedrungen, den Lesern, die mir bis hierher 
gefolgt sind, noch einiges zu sagen. 
Erstens: Dieses Werk wurde in Angriff genommen 
zu einer Zeit, als das ganze deutsche Volk der Mei- 
nung war, der Krieg werde in spätestens einem halben 
Jahre zu Ende sein. Hätte ich geahnt, daß der Krieg 
über vier Jahre dauern und schließlich außer ein paar 
kleineren Völkern alle Nationen der Erde in Mit- 
leidenschaft ziehen würde, so hätte ich mich an die 
gigantische Arbeit, die jedes einzelnen Menschen Kraft 
weit überstieg, nimmermehr herangewagt. 
Zweitens: Ich verwahre mich ausdrücklich gegen 
die Ansicht, daß ich eine Geschichte des Krieges habe 
schreiben wollen. Eine Geschichte des Krieges wird 
man erst schreiben können, wenn, von vielen anderem 
abgesehen, die Staatsarchive nicht nur von Berlin 
und Wien, sondern auch von London, Paris, Wa- 
shington usw. der Forschung zugänglich sind. Bis da- 
hin mag noch sehr viel Zeit vergehen. Ich habe nicht 
der Geschichtsschreiber des Krieges sein wollen, sondern 
sein Chronist, der aufzeichnet, was er über den Gang 
der Ereignisse in Erfahrung bringt, die Dokumente, 
so weit sie ihm erreichbar sind, zusammenträgt und 
schildert, wie sein Volk während des Krieges lebte 
rückten Lehre, daß die Welt ein Paradies sein werde» 
wenn erst einmal in allen Ländern der Erde die „Bour¬ 
geoisie" vernichtet sein und das brave, reine, treue Prole- 
tariat die Herrschaft in seinen Händen haben werde. 
Rußland wurde durch die Herrschaft der Bolschewisten 
in Grund und Boden verderbt, Ungarns Wirtschaft 
in ein paar Monaten derartig verwüstet, daß nach 
den Worten eines ungarischen Sozialistenführers zum 
Wiederaufbau dreißig Jahre kaum ausreichen werden. 
In den Adern des polnischen, lettischen, litauischen, 
tschechischen Volkes kreiste das bolschewistische Gift, und 
Deutschland war so stark davon ergriffen, daß es 
mehrmals schien, als solle es der Seuche erliegen. 
Auch in den siegreichen Ländern und in den neu- 
tralen Staaten hat der Bolschewismus Wurzel ge- 
faßt, und da überall das wirtschaftliche Leben mehr 
oder weniger zerrüttet ist, die alten Autoritäten ins 
Wanken gebracht, die Massen der Arbeit entwöhnt 
und mit Souveränitätsdünkel erfüllt sind, so ist die 
Gefahr für die Kultur der Menschheit ungeheuer. 
Denn ein Sieg des Proletariats in allen Ländern 
würde den Untergang aller Kulturgüter und Kul- 
turwerte bedeuten, die in jahrtausendelanger müh- 
seliger Arbeit die Menschheit errungen hat. Jeden- 
falls wird man ohne Übertreibung sagen dürfen-. 
Das Volk wird in Zukunft das führende und der 
eigentliche Sieger im Wellkriege sein, das diese Ge- 
fahr in sich am schnellsten und am vollständigsten 
überwinden wird. 
wort. 
und litt, dachte und empfand. Deshalb wird das 
Werk auch abgesehen von seinem Vilderteile, der 
die meisten ähnlichen Unternehmungen tief in den 
Schatten stellt, einen bleibenden Wert haben. 
Eine Siegeschronik ist es ja nicht geworden, wie 
ich bei seinem Beginne von ganzem Herzen hoffte. 
Es erzählt fast auf jeder Seite von den stolzesten 
Siegen der deutschen Waffen und muß doch am Ende 
von der furchtbarsten Niederlage berichten, die unser 
Volk jemals erlitten hat. Da fragt sich's denn, ob 
ich nicht die Worte widerrufen muß, die am Schlüsse 
der Einleitung stehen: Es gibt einen gerechten Gott 
und eine sittliche Weltordnung, und zu Recht be- 
steht das Wort Schillers „Die Weltgeschichte ist das 
Weltgericht." 
Ich fühle mich dazu in keiner Weise veranlaßt: 
Das deutsche Volk büßt es, daß es gegen das oberste 
Gesetz gefrevelt hat, das es im Völkerleben gibt. Dieses 
Gesetz lautet: Du sollst dein Volk und deinen Staat, 
höher stellen als alles andere auf Erden. Kein anderes 
Volk hat sich so schwer dagegen vergangen wie das 
unsere, ja, die Mehrzahl der Deutschen verlachte es 
als etwas Veraltetes, Überlebtes — die einen, weil 
sie überhaupt keine Ideale mehr hatten, die anderen, 
weil sie meinten, sie hätten sich vor allen Dingen 
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