Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

„Es geht das Gerücht, daß die Schüsse von Personen ans- 
-gehen, die glauben, das alte Regiment verteidigen zu sollen. 
Demgegenüber wird festgestellt, datz bereits vor Tageu von 
allen militärischen Stellen, insbesondere auch dem Oberkom- 
mando in den Marken, befohlen ist, mit allen Mitteln die 
gegenwärtige Neichsleitung zu unterstützen und die Ruhe un- 
bedingt zu wahren. Dieser Befehl wird hiermit noch nach- 
drücklich wiederholt. ^ 0 ^ow. Schöpflin. M. d. R." 
Es war den Truppen also verboten, für die Re- 
gierung, auf die sie vereidigt waren, von der Waffe 
Gebrauch zu machen, und es wurde behauptet, dieses 
„Schießverbot" sei vom Kriegsminister Scheüch ge- 
geben worden. Andere belasten den General v. Gröner 
damit. Mit Sicherheit ist es zur Zeit noch nicht fest- 
zustellen. Es hat natürlich sehr wesentlich zum Siege 
der Revolution mit beigetragen. 
Es muß hier ganz und gar davon abgesehen 
werden, eine Geschichte der deutschen Revolutions- 
bewegung zu geben. Nur das wird 
hervorgehoben, was für den Ausgang 
des Krieges von Bedeutung war, d. h. 
alles das, was die Feinde ermutigte, 
den Deutschen einen Schmach- und Ge- 
waltfrieden aufzuerlegen. Dahin ge- 
hört zuerst die Zerschlagung aller bis- 
her im Reiche bestehenden gesetzlichen 
Gewalten. Bundestag und Reichstag 
waren mit dem Tage der Revolution 
beseitigt. Am 15. November wurde das 
preußische Abgeordnetenhaus aufgelöst, 
das Herrenhaus beseitigt. Die Bun- 
desstaaten folgten diesem Beispiele, alle 
lösten ihre Kammern auf, und wo et- 
was dem preußischen Herrenhause Ahn- 
liches bestand, wurde es gleichfalls be- 
seitigt. Den Kampf gegen die Kirchen 
eröffnete in Preußen der neue Kultus- 
ministerAdolf Hoffmann, ein Mensch, der nach eigenem 
Geständnisse nur Volksschulbildung besaß und sich bisher 
im Reichstag und Landtage durch unwürdige An- 
griffe auf alles, was Religion heißt, hervorgetan 
hatte. Am tollsten gebärdete sich die Revolution in 
Bayern, dessen „Ministerpräsident" Kurt Eisner wurde, 
ein galizischer Jude, der eigentlich Solomon Kosmo- 
noroski hieß. Er dachte sogar, die Beziehungen mit 
Preußen abzubrechen, wenn nicht die durch ihr frü- 
heres Verhalten „kompromittierten" Männer aus der 
preußischen Regierung entfernt würden. Zu denen 
gehörte nach seiner Meinung auch Scheidemann, der 
ja früher deutsch-national gesinnt gewesen sei. 
Derselben Meinung waren auch die Radikalen in 
Berlin. Ebert-Scheidemann und alle anderen Mehr- 
heitssozialisten waren in ihren Augen Schurken, die 
die Revolution an das Bürgertum verraten hatten. 
Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann! Die 
ganze Macht an die Arbeiter- und Soldatenräte! Das 
war das Feldgeschrei der „Freiheit" und der „Roten 
Fahne", der Organe der Unabhängigen und der söge- 
nannten Spartakusgruppe, die von Liebknecht und der 
Luxemburg geführt wurden. Am 6. Dezember wurde 
der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte im 
Abgeordnetenhause von einem Feldwebel verhaftet, 
aber wieder freigelassen, nachdem es sich herausgestellt 
hatte, daß der Rat der Volksbeauftragten den Befehl 
dazu nicht gegeben hatte. An demselben Tage fanden 
blutige Zusammenstöße in Berlin statt. Am 14. De- 
zember ordneten die Volksbeauftragten die Bildung 
einer freiwilligen Volkswehr an. Das erwies sich 
als sehr nützlich, denn am 23. begannen sehr ernste 
Unruhen in Berlin. Die Matrosen der Volksmarine- 
division besetzten das Reichskanzlerpalais und nahmen 
Ebert und Landsberg gefangen, gaben sie aber am 
Abend wieder frei. Am 24. ereignete sich eine große 
Schießerei am Schlosse und am Marstall, die fast 
zur Schlacht wurde. Um die Matrosen aus dem 
Schlosse zu vertreiben, wurde die alte Wohnstätte 
der Hohenzollernkönige unter Artilleriefeuer genom- 
men. Die Regierung,verhandelte mit 
den Spartakisten wie mit einer krieg- 
führenden Macht und bewies dabei die 
höchste Unsicherheit und Schlappheit. 
Das kam mit daher, daß die „Unab- 
hängigen" in der Regierung den Mehr- 
heitssozialisten stets in die Arme fielen, 
wenn diese sich tatkräftig gegen die 
Anstifter der Unruhen wenden wollten. 
Am 29. Dezember traten die drei „Un- 
abhängigen" ganz aus der Regierung 
aus, weil sie Ebert und seine Leute der 
Hinneigung zur Reaktion verdächtigten, 
und nun traten an die Stelle der Aus- 
scheidenden Wissel und Noske. Wissel 
war ein Mann von derselben Bedeu- 
tungslosigkeit wie die anderen, wenig- 
stens als Charakter. Als Wirtschafts- 
Politiker war er klüger, als die gegen- 
wärtige Regierung zusammen. Noske aber, der Leiter 
der Kieler Revolution, war ein Mann von starkem 
Willen und der erste unter den Revolutionsmännern, 
der es klar begriff, daß keine Regierung ohne Ge- 
walt auskommen kann, und der, was noch viel mehr 
sagen will, danach handelte. Der Zentralrat der Ar- 
beiter- und Soldatenräte „bestätigte" diese Wahl. 
Am 16. Dezember war in Berlin der Zentralrat aller 
deutschen Arbeiter- und Soldatenräte zusammenge- 
treten. Hier unterlag nach langer und erbitterter 
Debatte die Partei, die die Diktatur des Proletariats 
durchsetzen wollte, und es wurde beschlossen, am 19. 
Januar die Wahl zur Nationalversammlung vor- 
zunehmen. 
Ehe aber die Nationalversammlung gewählt werden 
konnte, versuchten die Spartakisten, die Macht an 
sich zu reißen und dem Rätesystem in Deutschland 
zum Siege zu verhelfen. Vom 5. bis 13. Januar 
tobten blutige Straßenkämpfe in Berlin. Aber Noske, 
am 6. Januar zum Generalgouverneur von Berlin 
ernannt, übernahm den Oberbefehl über sämtliche 
Truppen in der Stadt und schlug den Aufstand nach 
schweren Kämpfen nieder. Am 15. wurden die Führer 
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