Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

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Unfähigkeit geschickt hätte, so wären wohl bessere, aber 
schwerlich auch nur halbwegs befriedigende Vedin- 
gungen zu holen gewesen. Wenn es nach Foch und 
den anderen führenden Männern Frankreichs allein 
gegangen wäre, so hätte der Krieg seine Fortsetzung 
genommen, denn als der Waffenstillstand am Nach- 
mittag des 11. November unterzeichnet wurde, wußte 
der französische Marschall schon, daß Deutschlands 
Heer verloren war, wenn es noch weiter kämpfen 
wollte. Die Heimat hatte es im Stiche gelassen. In 
Berlin, München, Stuttgart, Dresden und vielen 
kleineren Residenzen war die Revolution ausgebrochen, 
die Revolution des Proletariats, das nichts anderes 
verlangte als Frieden, Freiheit und Brot. Diese 
Parole hatte es von den russischen Revolutionären 
übernommen. Die Heimat wollte keinen Krieg mehr, 
wie hätte ihn das Heer 
weiterführen können. 
Das wußte Foch, und 
deshalb hätte er lieber 
die deutschen Abge- 
sandten zurückgewie- 
sen. Aber er mußteRü ck- 
sicht auf seine Verbün- 
deten, besonders auf 
Amerika nehmen. Die 
Ablehnung eines Waf- 
fenstillstandsgesuchs 
der Deutschen hätte 
Wilsonvor seinemVol- 
ke nicht verantworten 
können. So stellte Foch 
denn derartige Vedin- 
gungen, daß sie, nach 
französischem Gefühl wenigstens, nicht angenommen 
werden konnten, und dabei siel ihm weder Wilson 
noch Lloyd George in den Arm. 
Aber sie wurden angenommen. Am 10. November 
fand in Verlin eine Sitzung der Regierung statt, und 
diese Sitzung entschied über das Schicksal des deutschen 
Volkes. Die Regierung hätte versuchen können, das 
Volk zur nationalen Verteidigung aufzurufen und 
lieber noch einmal das Äußerste zu wagen, als sich 
unter diese Bedingungen zu beugen. Nur jetzt konnte 
das noch geschehen, später nicht mehr. Hatte Deutsch- 
land erst seine Flotte, seine Unterseebote, seine Ee- 
schütze und Transportmittel und Kriegsvorräte aus- 
geliefert, war das Heer erst einmal entmutigt und de- 
moralisiert, so war eine Wiederaufnahme des Kampfes 
allerdings nichts anderes als eine heroische Narrheit, 
die zu nichts führen konnte, als zu völliger Vernich- 
tung. Die Regierung war gerade neu gebildet worden 
und zustande gekommen durch eine Einigung der 
beiden sozialistischen Parteien und bestand nur aus 
Sozialisten. Die Mehrheitssozialisten hatten Ebert, 
Scheidemann und Landsberg gestellt, die „Unab- 
hängigen" Haase, Dittmann und Barth. Die „Fach- 
minister", Staatssekretäre der verschiedenen Ressorts 
und alle Beamten der Behörden wurden als „tech¬ 
nische Gehilfen des entscheidenden Kabinetts" in ihren 
Amtern gelassen. Das geschah deshalb, weil sonst 
in wenigen Tagen die ganze Herrlichkeit zusammen- 
gebrochen wäre, da keiner von den Herren Ministern 
von dem, was er in seinem Fache zu leisten hatte, 
auch nur den leisesten Schimmer einer Ahnung hatte. 
Sie waren zur Ausfüllung ihrer Amter fo wenig 
fähig, wie es die Schuldiener wären, wenn sie plötzlich 
zu Eymnasialdirektoren gemacht würden. Aber zu 
der Entscheidung, die diese Regierung ein paar Stunden 
nach ihrem Entstehen zu treffen hatte, waren keine 
Fachkenntnisse nötig, um das Rechte zu treffen. Dazu 
gehörte nur ein lebhaftes Gefühl für nationale Ehre 
und Kraft des Willens. Beides fehlte den Herren, 
die ihre Macht der Straße verdankten, gänzlich, 
und so wurde denn der Waffenstillstand unterzeichnet, 
der Deutschland wehr- 
los machte. Zugleich 
wurde ein Funkentele- 
gramm an Wilson ab- 
geschickt, in dem 
hieß: 
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»Die 
Der Nat der Volksbeauftragten. 
Von links nach rechts: Vartb, Landsberg, Ebert, Haase, Dittmann und Scheidemann. 
(Phot. A. Noack, Berlin.) 
deutsche Regie- 
rung hat die Bedingungen 
des Waffenstillstandes er- 
halten. Nach einer Blok- 
kade von 50 Neonaten 
würden diese Bedingun- 
gen, insbesondere die Ab- 
gäbe der Verkehrsmittel 
und die Unterhaltung der 
Besatzimgstruppen bei 
gleichzeitiger Fortdauer 
der Blockade die Ernäh- 
rungslage Deutschlands 
zu einer verzweifelten ge- 
stalten und den Hunger- 
tod von Millionen Man- 
nern, Frauen und Kindern bedeuten. — Wir mußten die 
Bedingungen annehmen. Wir machen aber den Präsidenten 
feierlich und ernst darauf aufmerksam, daß die Durchführung 
der Bedingungen im deutschen Volke das Gegenteil der Gesin- 
nung erzeugen muß, die eine Voraussetzung für den neuen 
Ausbau der Völkergemeinschaft bildet und einen dauerhaften 
Rechtsfrieden verbürgt. Das deutsche Volk wendet sich daher 
in letzter Stunde nochmals an den Präsidenten mit der Bitte, 
auf eine Milderung der vernichtenden Bedingungen bei den 
alliierten Mächten hinzuwirken." 
Natürlich tat Wilson nichts, und der Waffenftill- 
stand wurde ohne jede Änderung am 11. November 
im Walde von Eompiegne von den deutschen Ab- 
geordneten unterzeichnet. Nun schrieb der „Vorwärts" 
in unbeirrbarer Gläubigkeit: 
„Der Waffenstillstand ist noch nicht der Friede. Aufgabe 
der neuen Regierung wird es sein, einen raschen und möglichst 
guten Frieden zu schließen. Sie rechnet dabei auf die Hilfe 
aller Freunde des Friedens und der Freiheit in der ganzen 
Welt, damit aus diesem Chaos ein Friede des Völkerbundes 
und der internationalen Brüderlichkeit entstehen kann." 
Leider blieben aber die Freunde des Friedens 
und der Freiheit in der ganzen Welt stumm, am 
stummsten der Heiland von Amerika, und es ge¬ 
lang der neuen deutschen Rxgierung weder der 
Abschluß eines raschen noch eines möglichst guten 
Friedens. Die Machthaber der siegreichen Völker 
suchten den Abschluß des Friedens möglichst hin- 
auszuziehen, denn sie alle, besonders Frankreich 
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