Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Volke. Denn die furchtbaren Bluttaten unserer Bundes- 
genossen, die Deutschland hätte verhindern müssen und 
ohne Zweifel auch hätte verhindern können, bilden 
einen schwarzen Fleck auf dem Schilde der deutschen 
Die Revolution 
„Er war nicht unbegabt; die Geisteskräfte 
Genügten für die laufenden Geschäfte." 
ieser Vers des niederdeutschen Humoristen könnte 
jedem deutschen Reichskanzler, der nach Bismarck 
die Zügel des Reiches in den Händen hatte, auf 
den Grabstein geschrieben werden. Nur auf den 
letzten würde er nicht passen. Nicht einmal in ruhigen 
Zeiten hätte Prinz MaX von Baden den Posten eines 
deutschen Reichskanzlers bekleiden können, denn ihm 
fehlte das, was der Staatsmann neben der Festig- 
feit des Willens am meisten bedarf — die Klarheit 
des Geistes. Im Januar 1918 schrieb er an seinen 
Vetter, den Prinzen Alexander v. Hohenlohe, Sätze 
wie die folgenden: 
„Die Blätter der Linken, voran die mir höchst unsym¬ 
pathische „Frankfurter Zeitung", loben mich durch ein Brett, ob- 
gleich ich deutlich genug die demokratische Parole und die Schlag- 
worte der Parteien zumal im Parlamentarismus sammele, 
The world is out of joy and peoples minds out of balance. 
Ein Wort sachlicher Vernunft, ernstgemeinten praktischen Christen- 
tums und nicht sentimentaler menschlicher Gesinnung können 
sie bei ihrer suggerierten Verrücktheit einfach nicht mehr au 
pied de la lettre setzen, sondern müßte es erst durch den Dreck 
und Schlamm ihrer entstellenden Torheit hindurchziehen, um 
es ihrer niedrigen Gesinnung anzupassen." (Man beachte auch 
das Deutsch dieses deutschen Prinzen!) 
In demselben Briefe „lehnte er den westlichen 
Parlamentarismus für Deutschland und Baden ab" 
und nannte „die sogenannte Friedensresolution vom 
19. Juli 1917 „ein scheußliches Kind der Angst und 
der Berliner Hundstage" und wünschte „möglichst 
große Vergütungen in irgendwelcher Form, damit 
wir nach dem Kriege nicht zu arm werden." Und 
dieser selbe Mann, der das im Januar 1918 schrieb, 
also doch wohl auch dachte und meinte, ließ sich im 
Oktober 1918 von den Mehrheitsparteien zum Kanzler 
machen und bildete eine Regierung aus Führern 
dieser Parteien. Demnach war er ein vollkommen 
unklarer Kopf. 
Das, wofür er in der Zeit seiner Kanzlerschaft 
arbeitete, war neben der Herbeiführung des Wilson- 
frieden? die Einführung des Parlamentarismus in 
Deutschland und die Durchführung des allgemeinen 
gleichen und geheimen Wahlrechts in Preußen. Am 
8. Oktober stimmte der Bundesrat dem Entwürfe 
eines Gesetzes zu, durch das die Bestimmung der 
Reichsverfassung aufgehoben wurde, daß Mitglieder 
des Reichstages ihren Sitz verlieren, wenn sie ein be- 
soldetes Reichs- oder Staatsamt annehmen. Es sollten 
also in Zukunft Mitglieder des Reichstags zugleich 
der Reichsleitung angehören können. Das war der 
erste Schritt zur Parlamentarisierung des Reichs. 
Dann wurde ein Gesetz angekündigt, das dem Reichs- 
tag die Mitwirkung bei der Entscheidung über Krieg 
Ehre, der nicht wegzuwischen ist, und diese Greuel 
sind nicht von dem Feinde erfunden und erlogen, 
wie die angeblich in Belgien verübten Greuel, sondern 
sie sind eine grauenvolle Wahrheit. 
in Deutschland. 
und Frieden zusprach. Der Reichskanzler sollte dem 
Reichstage verantwortlich sein. Der Kriegsminister 
sollte die Ernennung der höheren Offiziere des Land- 
Heeres, der Marineminister die der höheren Seeoffi- 
ziere gegenzeichnen. Alle diese Vorschläge der Re- 
gierung wurden vom Reichstage, d. h. von den Mehr- 
heitsparteien des Reichstags, angenommen. Eine 
weitgehende Amnestie befreite alle politischen Ver- 
brecher aus dem Gefängnis oder dem Zuchthaus. 
So wurden die Abgeordneten Liebknecht und Ditt- 
mann, die wegen Aufhetzung des Volkes der Straße 
gefangen saßen, befreit und ihrer segensreichen Wirk- 
samkeit zurückgegeben. In Preußen kam im Abge- 
ordnetenhause und im Herrenhause unter dem Drucke 
von oben und unten eine Mehrheit für das demo- 
kratische Wahlrecht zustande, doch sollte die Ver- 
hältniswahl eingeführt werden, die den bürgerlichen 
Minderheiten in den Großstädten eine Vertretung 
sicherte. Das Herrenhaus sollte ganz umgestaltet 
werden. Die Vertretung des Grundbesitzes wollte 
man einschränken, Vertreter der Arbeiter und Ange- 
stellten hineinberufen und jede Stadt von 200000 Ein- 
wohnern sollte einen Abgeordneten zu entsenden 
haben. Die ganze Neuordnung des Reiches und 
Preußens bedeutete einen Sieg der Demokraten und 
noch mehr der Sozialdemokraten auf der ganzen 
Linie. Am 4. November veröffentlichten der demo- 
kratische Prinz und sein Ministerium einen Aufruf: 
An das deutsche Volk! 
„Wir müssen diese schweren Tage und ihre Folgen über- 
winden. Heute schon müssen wir arbeiten für die glücklichen 
Zeiten, auf die das deutsche Volk ein Anrecht hat. Die neue 
Regierung ist am Werk, diese Arbeit zu leisten. Wichtiges 
ist erreicht: 
Das gleiche Wahlrecht in Preußen ist gesichert. 
Eine neue Regierung hat sich aus den Vertretern der Mehr- 
heitsparteien des Reichstags gebildet. 
Der Reichskanzler und seine Mitarbeiter bedürfen zu ihrer 
Amtsführung das Vertrauen des Reichstags und damit des 
Volkes. 
Grundlegende Rechte sind von der Person des Kaisers auf 
die Volksvertretung übertragen worden. 
Kriegserklärung und Friedensschluß unterliegen der Ge- 
nehmigung des Reichstages. 
Die Unterstellung der Militärverwaltung unter den ver- 
antwortlichen Reichskanzler ist durchgeführt. 
Eine weitgehende Amnestie ist erlassen. 
Preßfreiheit und Versammlungsrecht sind gewährleistet." 
Nun sollte, so hieß es weiter in dem Erlasse, das 
Volk mithelfen, daß Deutschland ein Volksstaat werde, 
der an politischer Freiheit und sozialer Fürsorge hinter 
keinem Staate der Welt zurückstehe. Deshalb sollte 
sich das Volk nicht von Phantasten sinnlos und 
nutzlos in neues Elend und Verderben hineintreiben 
lassen. Selbstzucht und Ordnung täten not. 
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