Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Monarchie. Sie klangen ihnen wie Musik in die Ohren, 
denn sie waren ja die Bestätigung ihrer eigenen An- 
ficht, daß eben nur der Monarchie und der Junker- 
Herrschaft willen die ganze Welt gegen Deutschland 
in Waffen stehe. — Man muß der Mehrzahl dieser 
Leute durchaus den guten Glauben zubilligen. Mit 
ihrer Parteibrille auf der Nase konnten sie nicht weiter 
sehen. Als acht Monate später der Wilsonfrieden 
kam, rief ihr geistiges Haupt, Philipp Scheidemann, 
voll ehrlichen Entsetzens „Die Welt ist um eine Jllu- 
sion ärmer". Der Mann war also derartig verblendet, 
daß er meinte, außer ihm und seinesgleichen habe 
irgend jemand, und nun gar „die Welt", den ameri- 
kanischen Humbug ernst genommen. 
Die deutsche Regierung gab dem Präsidenten eine 
Antwort, die deutlich zeigte, daß sie den Frieden 
haben wollte und haben mußte. SielegtekeineEmpfind- 
lichkeit an den Tag über die Vorwürfe, die Wilson 
ihr gemacht hatte wegen der unmenschlichen Kriegfüh- 
rung, suchte sie nur zu entkräften und gab das Versprechen, 
daß deutscheU-23oote von nun an nicht mehr torpedieren 
sollten. Dann wies sie darauf hin, daß die Ver- 
fafsung des Reiches geändert sei. Die Entscheidung 
über Krieg und Frieden unterliege in Zukunft der 
Mitwirkung der Volksvertretung,- auch könne in Zu- 
kunft keine Regierung ihr Amt antreten oder fort- 
fähren, ohne das Vertrauen der Reichstagsmehrheit 
zu besitzen. Die gegen Deutschland verbündeten 
Regierungen hätten es zu tun mit einer Regierung, 
die, frei von jedem willkürlichen und unverantwvrt- 
lichen Einfluß, getragen werde von der Zustimmung 
der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes. 
Nachdem alle diese Zugeständnisse gemacht waren, 
geruhte der Präsident der Vereinigten Staaten am 
23. Oktober der deutschen Regierung mitteilen zu 
lassen, daß er „es nicht ablehnen zu können glaube, 
mit den Regierungen, mit denen die Vereinigten 
Staaten verbündet seien, die Frage eines Waffen- 
ftillstandes aufzunehmen". Es würden aber, so setzte 
er hinzu „außerordentliche Sicherheiten verlangt werden 
müssen". Er halte es für feine Pflicht, auszusprechen, 
daß die Völker der Welt kein Vertrauen in die Worte 
derer setzen und setzen können, die bisher die Herren 
der deutschen Politik gewesen sind, und zu wieder- 
holen, daß beim Friedensschluß und bei dem Unter- 
nehmen, die unendlichen Gewalttaten und Unge¬ 
rechtigkeiten dieses Krieges wieder gut zu machen, die 
Regierung der Vereinigten Staaten einzig und allein mit 
denjenigen Vertretern des deutschen Volkes verhandeln 
kann, die als wirkliche Beherrscher Deutschlands eine 
wahre verfassungsmäßige Stellung zugesichert erhalten 
haben. Wenn die Vereinigten Staaten jetzt mit den 
militärischen Beherrschern und monarchischen Auto- 
kraten verhandeln sollen, oder wenn es wahrscheinlich 
ist, daß sie später mit ihnen über die völkerrechtlichen 
Verpflichtungen des Deutschen Reichs zu verhandeln 
haben werden, müssen sie nicht Friedensverhandlungen, 
sondern Übergabe verlangen". 
Noch unverhüllter als früher redete Wilson dem 
deutschen Volke zu, die Monarchie zu beseitigen, 
Die deutsche Regierung erwiderte darauf: 
„Der Präsident kennt die tiefgreifenden Wandlungen, die 
sich im deutschen Verfassungsleben vollzogen haben und voll- 
ziehen. Die Friedensverhandlungen werden von einer Volks- 
regierung geführt, in deren Händen die entscheidenden Macht- 
befngnisse tatsächlich und verfassungsmäßig ruhen. Ihr sind 
auch die militärischen Gewalten unterstellt. Die deutsche 
Regierung sieht nunmehr den Vorschlägen für einen Waffen- 
stillstand entgegen, der einen Frieden der Gerechtigkeit ein- 
leitet, wie ihn der Präsident in seinen Kundgebungen ge- 
kennzeichnet hat." 
Österreichs Zerfall. Zusammenbruch der Türkei. 
^V^-ach dem Zusammenbruche Bulgariens faßte die 
■JVbeutfche Oberste Heeresleitung den Plan, die 
vordringenden Truppen der Entente an der Donau 
abzuwehren. Der Plan hatte zur Voraussetzung, 
daß Österreich-Ungarn der Kampfgenosse Deutschlands 
blieb. Aber wenige Wochen nach der Waffenstreckung 
der Bulgaren barst das Reich der Habsburger aus- 
einander. 
Los von Österreich! Das war die Losung aller 
der Slavenvölker geworden, die unter dem Szepter 
Karls l. lebten, seitdem Rußland völlig zusammen- 
gebrochen war. Der ungeheure Druck der Furcht vor 
dem Zarenreiche hatte früher die Völker Österreichs 
zusammengehalten. Nachdem dieser Druck aufgehört 
hatte, strebten sie auseinander und wollten nicht mehr 
von Wien aus regiert werden. Am entschiedensten 
gingen die Tschechen vor. Die Zeiten, in denen auf 
dem Markte von Prag Deutsche und Tschechen ge- 
meinsam „Die Wacht am Rhein" gesungen hatten, 
waren längst vorüber. Die maßlose Verhetzung, die 
bald nach dem kurzen Begeisterungsrausche von seilen 
der national-tschechischen Führer eingesetzt hatte, trug 
im Laufe des Krieges immer reichere Früchte und ver- 
giftete schließlich das ganze Volk. Auf die tschechischen 
Truppen war kein Verlaß mehr. Ganze Regimenter 
gingen mit ihren Offizieren zu den Russen über und 
bildeten dort eine besondere, die tschecho-slowakische 
Armee. Nachdem Karl I. die Häupter der tschechischen 
VerHetzer, Kramarsch und Genossen, begnadigt hatte, 
konnten die zu den russischen Bolschewisten desertierten 
Soldaten, wenn sie gefangen wurden, nicht mehr be- 
straft werden, denn wie konnte man die Verführten 
bestrafen, wenn man die Verführer frei ausgehen ließ. 
Das Abgeordnetenhaus in Wien war im Sommer 
1918 der Schauplatz der wildesten Kämpfe. Am 21.Juli 
brachten die Tschechen den Ministerpräsidenten Seidler 
zu Fall, der ihnen scharf entgegengetreten war, der 
ausgesprochen hatte, das Rückgrat des vielgestaltigen 
Reiches sei das deutsche Volk und werde es immer 
bleiben. An seine Stelle trat der Freiherr Hussarek 
von Heinlein, und der erreichte nun wenigstens die Be- 
willigung des vorläufigen Staatshaushaltsanschlags 
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