Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

mteressen alles gehört hätte, was man im Lande der 
Träumer von ihm dachte und erhoffte, schrieb und 
sprach, er wäre sicherlich vor Lachen geborsten. 
Die amtliche Note, die in der Nacht zum 5. Oktober 
der schweizerischen Regierung zur Übermittlung an 
Wilson Zugestellt wurde, hatte folgenden Wortlaut: 
„Die deutsche Regierung ersucht den Präsidenten der Ver- 
einigten Staaten von Amerika, die Herstellung des Friedens 
in die Hand zu nehmen, alle kriegführenden Staaten von 
diesem Ersuchen in Kenntnis zu setzen und sie zur Entsendung 
von Bevollmächtigten zwecks Aufnahme der Verhandlungen 
einzuladen. Sie nimmt das vom Präsidenten der Vereinigten 
Staaten von Amerika in der Kongreßbotschaft vom 8. Januar 
1918 und in seinen späteren Kundgebungen, namentlich der 
Rede vom 27. September aufgestellte Programm als Grund- 
läge für die Friedensverhandlungen an. — Um weiteres Blutver¬ 
gießen zu vermeiden, ersucht die deutsche Regierung, den sofortigen 
Abschluß eines Waffenstillstandes zu Lande, 
zu Wasser und in der Luft herbeizuführen." 
Osterreich-Ungarn schloß sich dem 
Gesuche mit einer ähnlich lautenden 
Note an. 
Damit wäre, wenn die Feinde so- 
fort zugegriffen hätten, England seiner 
schweren Bedrängnis durch den l^-Voot- 
krieg mit einem Male ledig gewesen 
und die Deutschen hätten alle Vorteile 
verloren, die sie seit dem Einsetzen der 
Unterseekriegführung errungen hatten. 
Es könnte wundernehmen, daß Eng- 
land das nicht benutzte, den Waffen- 
stillstand abschloß, die Verhandlungen 
hinzögerte und dann den Krieg wieder 
aufnahm, nachdem es sich vollkommen 
neu verproviantiert hatte. Aber Lloyd 
George wußte ganz genau, daß kein 
Volk, das einmal die Waffen niedergelegt hatte 
zu bewegen gewesen wäre, sie wieder aufzunehmen. 
Auch erwartete Foch den vollen Sieg im Felde, und 
zwar in kurzer Zeit. Dann konnten die Verbünde- 
ten die härtesten Waffenstillstandsbedingungen vor- 
schreiben. Daß auch ein im Felde unbesiegtes Deutsch- 
land die härtesten Bedingungen annehmen würde, 
konnte man in London und Paris um so weniger 
annehmen, als Mar von Baden in seiner Antritts- 
rede im Reichstage gesagt hatte: 
„Wir sind starken Herzens und voll zuversichtlichen Glaubens 
an unsere Kraft entschlossen, für unsere Ehre und für die Frei- 
heit sowie für das Glück unserer Nachkommen noch schwerere 
Opfer zu bringen, wenn es unabänderlich ist. — Wie das 
Ergebnis des Friedensangebots auch ausfallen möge, ich weiß, 
daß es Deutschland fest entschlossen und einig finden wird, so- 
wohl zu einem endlichen Frieden als zu einem Endkampf 
auf Leben und Tod, zu dem unser Volk, wenn es dazu ge- 
zwungen wird, bereit ist. Kein Zagen befällt mich bei dem 
Gedanken, daß dieses zweite Ergebnis eintreten könnte, denn 
ich kenne den Geist der gewaltigen Kräfte, die auch jetzt noch 
in unserm Volke vorhanden sind; und ich weiß, daß die un- 
widerlegliche Überzeugung, daß jeder für unser Leben kämpft, 
diese Kräfte verdoppeln würde." 
Solche Worte brauchten nach dem, was das deutsche 
Volk seit vier Jahren geleistet hatte, keine leeren Prah- 
lereien zu sein. — 
Wilson antwortete am 8. Oktober oder vielmehr, 
er ließ Lansing antworten. Die Note Amerikas be¬ 
stand in zwei Fragen und einer Bedingung. „Meint 
der Herr Reichskanzler," so sagte Lansing, „daß die 
kaiserlich - deutsche Regierung die Bedingungen, die 
vom Präsidenten in seiner Botschaft an den Kongreß 
der Vereinigten Staaten vom 8. Januar und in den 
folgenden Botschaften niedergelegt sind, annimmt, und 
daß ihr Zweck beim Eintritt in die Diskussion nur 
der sein würde, sich über die praktischen Einzelheiten 
ihrer Anwendung zu verständigen?" — Der Präsident 
glaube auch zu der Frage berechtigt zu sein, ob der 
Kanzler nur für diejenigen Gewalten des Reiches 
spricht, die bisher den Krieg geführt haben. Er hält 
die Antwort auf diese Frage von jedem Standpunkte 
aus für außerordentlich wichtig. Dazu erklärte der 
Staatssekretär der Vereinigten Staaten 
noch bezüglich des Waffenstillstandes: 
Der Präsident fühlt sich verpflichtet, 
zu erklären, daß er sich nicht berechtigt 
fühlen würde, den Regierungen, mit 
denen die Vereinigten Staaten gegen 
die Mittelmächte verbunden sind, einen 
Waffenstillstand vorzuschlagen, solange 
die Heere dieser Mächte auf ihrem 
Boden stehen. Der gute Glauben jeder 
Diskussion würde von der Zustimmung 
der Mittelmächte abhängen, ihre Trup- 
pen sofort überall aus den besetzten Ge- 
bieten zurückzuziehen. — Das war 
Wilsons Antwort. (Österreich-Ungarn 
bekam überhaupt keine.) Sie verpflich- 
tele den Präsidenten zu gar nichts 
und war eigentlich nur ein geschick- 
ter Versuch, festzustellen, wie weit die 
Nachgiebigkeit Deutschlands gehen werde. Außer- 
dem wurde der Abschluß des Waffenstillstandes da- 
durch hinausgezögert, und das war ja gerade die 
Absicht des großen Friedensapostels in Washington, 
oder wenigstens seiner Hintermänner. Die deutsche 
Regierung freilich gab sich alle Mühe, die Sache so 
prompt wie möglich zu erledigen, denn schon am 
12. Oktober ließ sie folgende Antwort an Wilson 
gelangen: 
„Die deutsche Regierung hat die Sätze angenommen, die 
Präsident Wilson in seiner Ansprache vom 8. Januar und in 
seinen späteren Ansprachen als Grundlage eines direkten Rechts- 
friedens niedergelegt hat. Der Zweck der einzuleitenden Be- 
sprechungen wäre also lediglich der, sich über praktische Einzel- 
heiten ihrer Anwendung zu verständigen. 
Die deutsche Regierung nimmt an, daß auch die Regierungen 
der mit den Vereinigken Staaten verbundenen Mächte sich auf 
den Boden der Kundgebungen des Präsidenten Wilson stellen. 
Die deutsche Regierung erklärt sich im Einvernehmen mit 
der österreichisch - ungarischen Regierung bereit, zur Herbei- 
führung eines Waffenstillstandes den Räumungsvorschlägen des 
Präsidenten zu entsprechen. Sie stellt dem Präsidenten an- 
heim, den Zusammentritt einer gemischten Kommiision zu ver- 
anlassen, der es obliegen würde, die zur Klärung erforderlichen 
Vereinbarungen zu treffen. 
Die jetzige deutsche Regierung, die die Verantwortung für 
den Friedensschritt trägt, ist gebildet durch Verhandlungen 
und in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit des Reichs- 
tags. In jeder seiner Handlungen gestützt auf den Willen 
dieser Mehrheit, spricht der Reichskanzler im Namen der deut¬ 
schen Regierung und des deutschen Volkes. Solf, Staatssekretär 
des Auswärtigen Amtes." 
Matthias Erzberger, 
wurde im Oktober 1918 zum Staats¬ 
sekretär ohne Portefeuille ernannt. 
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