Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

redete der Masse ohnehin ein, und die feindlichen 
Agenten und Emissäre verkündeten unablässig, der 
Krieg werde geführt, um die „Großen" noch größer 
zu machen. Dieses Schlagwort wurde mit der Zeit 
eine immer verhängnisvollere Macht. 
Leider kann nicht geleugnet werden, daß etwas 
Wahres an dem war. Der Krieg wurde natürlich 
nicht weitergeführt, um einzelne Leute und einzelne 
Stände zu bereichern, so wenig er deshalb begonnen 
worden war. Von deutscher Seite nämlich. Für die 
Deutschen war er nur ein Verteidigungskrieg gegen 
den Überfall übermächtiger Räuber, der von langer 
Hand vorbereitet war. So empfand in den August- 
tagen 1914 das 
ganze Volk mit 
wenigen Ausnah- 
men. So empfand 
selbst ein großer 
Teil der Fremd- 
stämmigen, die in 
Deutschland leb- 
ten. Aber mit der 
Zeit hatte sich das 
geändert. Eswa- 
ren mit der Zeit 
Leute in die Höhe 
gekommen, die den 
Krieg als etwas 
recht Angenehmes 
betrachteten und 
ein brennendes 
Interesse daran 
hatten, daß er nicht 
so bald aufhörte. 
Es ging ihnen 
nichts ab. Sich und ihre Leute hatten sie in Sicherheit 
gebracht; sie waren für kriegsuntauglich befunden 
worden. 
So konnten sie in der Heimat oder in den be- 
setzten Gebieten Geschäfte machen, Geschäfte, die 
ihnen unglaubliche Gewinne einbrachten. Gelegen- 
heit dazu boten ihnen vor allem die Kriegsgesell- 
schaften, wo sie sich z. V. Einblick verschaffen konn- 
ten in die Geschäftsgeheimnisse ihrer Konkurrenz- 
firmen, sie trieben einen ungeheuren Schleichhandel 
mit Getreide, Mehl, Speck und dergleichen, oder sie 
stellten Ersatzstoffe her, zum großen Teil halb oder 
ganz wertlosen Schund, den sie sich teuer bezahlen 
ließen. Die Gerissensten unter diesen Herrschaften — 
viele waren erst während des Krieges eingewandert 
aus Polen oder Galizien —„verdienten" viele Millionen, 
die kleineren Leute Hunderttausende. Ein neuer Reich- 
tum kam herauf und wurde protzenhaft zur Schau 
getragen, was die notleidenden Schichten des Volkes 
über die Maßen erbitterte. Zudem war allgemein 
bekannt, daß die großen Geldleute am kaiserlichen 
Hofe im größten Ansehen standen und das Ohr der 
Majestät hatten. Viele, deren Groß- oder Urgroß- 
väter noch mit Pfropfenzieherlocken durchs Land 
hausiert hatten, waren in den Adelsstand erhoben 
worden und gehörten zur Umgebung des regierenden 
Herrn, besaßen außer bei der obersten Heeresleitung, 
überall bei den höchsten Behörden den größten Ein- 
sluß. Daß diese Kriegsgewinnler und ihre Vettern 
ihren Einfluß nur anwendeten, den Krieg zu ver- 
längern, daß sie bestrebt seien, jede Friedensmöglich- 
keit im Keime zu ersticken, wurde in den weitesten 
Kreisen des Volkes geglaubt. Auch daß die Sonder- 
begehrlichsten einzelner deutscher Fürsten ausgiebig 
in der Öffentlichkeit erörtert wurden, war unklug und 
schuf eine böse Stimmung. So machte der König von 
Sachsen Ansprüche aus Litauen, weil die Wettiner 
einstmals die Kro¬ 
ne der Jagellonen 
getragen hatten, 
der .König von 
Bayern wollte im 
Elsaß entschädigt 
werden, und es 
kam bei dieser Ge- 
legenheit an den 
Tag, daß Ludwig 
Bayer schon 
früher die An- 
gliederung des 
Elsaß an sein Reich 
betrieben und da- 
durch die Um- 
Wandlung des 
Reichslandes in 
einen selbständi- 
gen Bundesstaat 
verhindert hatte. 
Das Schriftstück, 
das den Elsässern und Lothringern Autonomie ver- 
hieß, war schon lange vor dem Kriege fertig ge- 
wesen, aber die Unterschrift des Kaisers war durch 
den Wittelsbacher verhindert worden. Die Sache 
war leider so, und das bewies, wie sehr die ge- 
krönten Häupter Deutschlands, etwa mit Ausnahme 
des Badeners, des Hessen und zwei oder drei von 
den ganz Kleinen, noch in den dynastischen Gedanken- 
gängen des 18. Jahrhunderts lebten. Nun hieß es 
an allen Enden, der Krieg mit Frankreich und so- 
mit der Krieg überhaupt, hätte vermieden werden 
können, wenn die Unterschrift rechtzeitig erfolgt wäre. 
Das war ein Unsinn, denn die Geldkönige, die Frank- 
reich regierten, wollten die Bodenschätze des Reichs- 
landes haben, hatten deshalb auf den Krieg hin- 
gearbeitet und dem dummen Volke den Revanche- 
gedanken einhämmern lassen: Dieser Krieg war ein 
Krieg der Hochfinanz der ganzen Welt und war nicht 
dadurch aufzuhalten, daß man den Reichslanden diese 
oder jene Verfassung gab. Aber überall erzählten 
Leute mit der Miene des Eingeweihten und zu- 
gleich sittlich Entrüsteten: Der Krieg hätte vermieden 
werden können, wenn der König von Bayern 
nicht so habgierig und der Kaiser nicht so schwach 
Abtransport von Kleinbahn-Lokomotiven. 
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