Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Macht mit vereinten Kräften niederzuzwingen. Käme 
nun die ganze Macht Deutschlands über sie, so würden 
sie bald verloren sein. Derartigen Gedankengängen 
begegnete man im Januar 1918 in fast allen deut- 
scheu Zeitungen. 
Leider aber beruhte diese Schlußfolgerung auf 
einer ganz falschen Voraussetzung. Das Volk war 
in einem ungeheuren Irr- 
tum befangen, wenn es 
meinte, alle die Kräfte, die 
bis jetzt gegen Rußland 
und Rumänien gefochten 
hätten, würden nun gegen 
den Westen in Bewegung 
gesetzt werden. Den große- 
ren Teil des Ostheeres ließ 
die deutsche Heeresleitung 
im Osten stehen, und die 
kleinere Hälfte der dort bis- 
her gebunden gewesenen 
Truppenteile und Geschütze 
warf sie an die deutsche 
Westgrenze. Das ist ihr 
hinterher von vielen Seiten 
zum Vorwurf gemacht 
worden — ob mit Recht 
oder mit Unrecht, das wird 
sich später erst entscheiden 
lassen. Die deutscheuFührer 
fürchteten unliebsame Uber- 
raschungen von Seiten der 
Bolschewisten, Polen, Ru- 
mäuen und mußten die 
besetzten Gebiete vor revo- 
lutionären Banden schir- 
men, auch die Ukraine be- 
setzt halten, da sonst schwer- 
lich ein Wagen mit Getreide 
nach Deutschland 
gelangt wäre. Sie 
konnten also ihre 
Maßnahmen sehr 
wohl begründen. 
Ferner ließ die öf- 
fentliche Meinung 
in Deutschland 
ganz außer acht, 
daß die Engländer 
und Franzosen an 
der deutschen West- 
front längst nicht 
mehr allein kämpf- 
ten. Sie mußte 
das außer acht las- 
sen, denn über die 
großen Truppen- 
Überführungen 
der Amerikaner 
war sie nur ganz 
Prüfen des Ballon-Ventils. 
Entleeren des Ballons. 
mangelhaft oder gar nicht unterrichtete Vis weit in 
den Sommer hinein unterschätzten fast alle amtlichen 
Stellen die Stärke und die Bedeutung der ameri- 
kanischen Hilfsheere in fast lächerlicher Weise, und die 
Zeitungen erhielten die Weisung, sie ebenfalls zu unter- 
schätzen. Erst etwa im Juli erfuhr das deutsche Volk, 
daß ihm in den Amerikanern ein höchst gefährlicher 
Feind gegenüberstand. 
Ein noch viel gefähr- 
licherer Feind erstand ihm 
von Jahresanfang an in 
den Reihen des eigenen 
Heeres. Die Truppen von 
seiner Westfront hatten in 
jahrelangen Kämpfen und 
Entbehrungen Unglaubli- 
ches, Übermenschliches ge¬ 
leistet, und daß sie sich von 
ganzem Herzen nach einem 
Ende des Krieges sehnten, 
war wohl begreiflich. Trotz- 
dem herrschte unter ihnen 
im großen und ganzen noch 
ein guter Geist. Hier und 
da kamen Fälle von Ge- 
horsamsverweigerung' ge- 
gen unbeliebte Vorgesetzte 
vor, aber im ganzen war 
die Manneszucht noch nicht 
erschüttert, und der Glaube 
an den endlichen Sieg 
stand noch fest. Das wurde 
von nun an anders. Die 
Truppen, die von Osten 
herübergeworfen wurden, 
brachten einen anderen 
Geist mit. Auch unter ih- 
nen gab es noch zuverlässige 
Bataillone und 
Regimenter, aber 
viele waren ganz 
kriegsunlustig ge- 
worden. 'Sie hat- 
ten lange in Ruhe- 
stellungen gelegen 
waren nur 
gegen Feinde ein- 
gesetzt worden, die 
vor ihnen davon- 
Die West- 
erschien ih- 
wie eine 
Schlachtbank, auf 
die sie geliefert 
werden sollten. So 
suchten sie sich vor 
dem Kampfe zu 
drücken, wo und 
wie es nur irgend 
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