11. Punkt: Rumänien, Serbien und Montenegro sollen
geräumt und die besetzten Gebiete wiederhergestellt werden.
Serbien soll ein freier und sicherer Zugang zum Meere ge-
währt werden. Die Beziehungen der verschiedenen Balkan-
staaten untereinander sollen durch freundliche Besprechungen
entsprechend den geschichtlich gegebenen Linien der Zugehörig-
keit der Nationalität festgesetzt werden. Für die politische und
wirtschaftliche Unabhängigkeit und die territoriale Unversehrt-
heit der verschiedenen Balkanstaaten sollten Garantien ge-
schaffen werden.
12. Punkt: Den türkischen Teilen des jetzigen osmanischen
Reiches sollte der sichere Genuß der Souveränität zugesichert
werden, aber den anderen Nationalitäten, die sich jetzt unter
türkischer Herrschaft befinden, sollte ebenso unzweifelhaft Sicher-
heit des Lebens und absolut unbelästigte Gelegenheit zu auto-
nomer Entwicklung gesichert werden. Die Dardanellen sollten
als freie Durchfahrt für die Schiffe und den Handel aller
Nationen unter internationalen Garantien geöffnet werden.
13. Punkt: Ein unabhängiger polnischer Staat, der die
von zweifellos polnischer Bevölkerung bewohnten Gebiete ein-
schließen müßte, sollte errichtet werden. Er müßte freien Zu-
gang zum Meere haben. Seine wirtschaftliche Unabhängigkeit
und territoriale Integrität müßte durch einen internationalen
Vertrag garantiert werden.
14. Punkt: Ein allgemeiner Völkerbund mutz errichtet wer-
den. Spezielle Verträge müssen für gegenseitige Garantien
der politischen Unabhängigkeit und der territorialen Integrität
für große und kleine Staaten in gleicher Weise sorgen.
Zunächst fanden die vierzehn Punkte nur in der
amerikanischen Presse einmütige Anerkennung. Die
englische und französische Arbeiterpresse siel ihr gleich-
falls zu, Während die Zeitungen der anderen Rich-
tungen in beiden Ländern sich sehr kühl dagegen ver-
hielten. In Italien begegneten sie einer sehr scharfen
Ablehnung, denn der italienische sacro egoismo war
ja keineswegs zufriedengestellt mit der Berichtigung
der italienischen Grenzen nach klar erkennbaren natio-
nalen Linien. In Deutschland war die ganze Presse
von der „Kreuzzeitung" bis zum „Vorwärts", ja bis
zum „Berliner Tageblatt" in der Ablehnung einig.
Auch die Kreise in Deutschland, die nicht mehr an
einen Sieg, sondern an einen unentschiedenen Aus-
gang des Krieges glaubten, sahen ein, daß das alles
nur nach einer Niederlage Deutschlands zu verwirk-
lichen war. Sie
hätten ebensogut
sagen können, daß
auch eine Nieder-
läge Englands da-
zu gehören würde,
die Punkte des
amerikanischen
Präsidenten
zu verwirklichen,
denn wie hätte
England jemals
freiwillig die Frei-
heit der Schiffahrt
auf allen Meeren
anerkennen kön-
nen! Aus diesem
Punkte allein hät-
te schon jedermann
erkennen können,
daß dieganzeAuf-
stellung ein Köder
war oder, wie die „Kölnische Zeitung" sich ausdrückte,
„eine grobe Falle".
Vorderhand war die Wirkung der vierzehn Punkte
gleich null; sie trat erst später ein. Es ist kaum nötig,
zu sagen, daß die Staatsmänner der Mittelmächte es
einmütig ablehnten, auf dieser Grundlage überhaupt
in Verhandlungen über den Frieden einzutreten. Sie
betrachteten Wilsons Rede vor allem als einen Versuch,
die Verhandlungen in Brest-Litowsk zu stören, und
es ist sehr möglich, daß sie in der Tat keinen anderen
Zweck gehabt hat. Vielleicht ist Wilson über die
spätere Wirkung seiner Worte selber nicht wenig er-
staunt gewesen.
Jedenfalls aber hinderte ihn seine stark betonte
Sehnsucht nach dem Frieden nicht im mindesten, mit
aller Kraft zum Kriege zu rüsten. Solange der Krieg
dauerte, sollten jährlich 700000 Mann in die Armee
eingestellt werden. Deshalb wurde am 16. Januar
ein Gesetz im Senat eingebracht über die Registrierung
aller männlichen Personen, die seit dem 5. Juni 1917
das 21.Lebensjahr vollendet hatten — ein kaum
glaublicher Eingriff in die Freiheit des jungen Ameri-
kaners. Die Maßregel bewies, wie ernst es den
Amerikanern mit dem Kriege war, und ebenso be-
wiesen das die ungeheueren Geldausgaben — bis zum
5. Februar betrugen sie 7100 Millionen Dollars —
und die Beschränkungen, die man sich im Kohlen- und
Lebensmittelverbrauche auferlegte.
Am 11. Februar richtete Wilson wieder eine Bot-
schaft an den Kongreß als Antwort auf die Reden,
in denen die Staatsmänner der Mittelmächte seine
Botschaft vom 8. Januar zurückgewiesen hatten. In
dieser Februarbotschaft taucht wieder der Gedanke
an eine „Liga der Nationen" (Völkerbund) und eine
„neue Völkerordnung" aus. Im übrigen war sie be-
langlos. Der Präsident knüpfte dabei an die Ent-
schließung des deutschen Reichstages vom 19. Juli 1917
an, in der ein Ge-
richtshof über alle
Völkerstreitigkei-
ten gefordert sei,
und erklärte, die
Rede des deutschen
Reichskanzlers
stimme nicht zu-
sammen mit dem
Willen der deut-
schen Reichstags-
Mehrheit. Uber-
Haupt unterschied
Wilson stets zwi-
schen dem deut-
schen Volke, für
das er allen mög-
lichen Weihrauch
ausstreute, und
seiner Regierung
und der das deut-
sche Volk beHerr-
Ochsen als Vorspann für ein steckengebliebenes Automobil in Palästina,
904