Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

des Präsidenten der Vereinigten Staaten folgendermaßen 
beantwortet: 
„In Beantwortung des am 22. laufenden Monats von 
Seiner E.rzellenz dem Herrn amerikanischen Botschafter hier 
mitgeteilten Aid« memoire, welches Vorschläge des Herrn Prä- 
sidenten der Vereinigten Staaten von Amerika für einen Ge- 
dankenaustausch unter den gegenwärtig im Kriegszustand be-. 
findlichen Mächten behufs möglicher Herstellung des Friedens 
enthält, legt die Si. und &. Regierung vor allem Wert darauf, 
zu betonen, daß sie sich von demselben Geiste der Freund- 
schaft und des Entgegenkommens, welcher in den edlen An- 
regungen des Herrn Präsidenten zum Ausdruck kommt, auch 
ihrerseits bei Beurteilung derselben leiten ließ. 
Der Herr Präsident hat das Ziel vor Augen, Grundlagen 
für die Herstellung eines dauernden Friedens zu schaffen, wo- 
bei er der Wahl des Weges und der Mittel nicht zu präju- 
dizieren wünscht. Die S\. und ft. Regierung hält als den ge- 
eignetsten Weg zu diesem Ziele einen unmittelbaren Gedanken- 
austausch zwischen den kriegführenden Mächten. Anknüpfend 
an ihre Erklärung vom 12. laufenden Monats, in welcher sie 
sich zu dein Eintritt in Friedensverhandlungen bereit erklärte, 
beehrt sie sich sonnt, den baldigen Zusammentritt von Ver- 
tretern der kriegführenden Mächte an einem Orte des neutralen 
Auslaudes vorzuschlagen. 
Die K. und S\. Regierung stimmt gleichfalls der Auffassung 
des Herrn Präsidenten zu, daß es erst nach Beendigung des 
gegenwärtigen Krieges möglich sein würde, an das große und 
wünschenswerte Werk der Verhütung künftiger Kriege zu schrei- 
ten. Im gegebenen Zeitpunkte wird sie gern bereit sein, ge- 
meinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika ihre Mit- 
arbeit der Verwirklichung dieser erhabenen Aufgabe zu leihen." 
Das klang sehr verbindlich, ja fast freundschaftlich, 
aber zwischen den Zeilen konnte Wilson die Ablehnung 
seiner Person als Vermittler des Weltfriedens lesen, 
denn beide Regierungen erklärten, daß sie die Her- 
beiführung des Friedens von einer Abgeordneten-Zu¬ 
sammenkunft der kriegführenden Staaten erwarteten, 
lehnten also die amerikanische Einmischung kurzerhand 
ab. Auch sprachen sie die Meinung aus, daß über 
den famosen WeUfriedensbund des großen Weltbe- 
glückers erst nach dem Kriege geredet werden könne. 
So war Wilsons Unternehmung schon durch den 
Widerstand der Mittelmächte gescheitert. Noch ganz 
andere Dinge enthielt die Antwort, die der Zehnver- 
band ihm erteilte. Sie lautete: 
„Die alliierten Negierungen haben die Note, welche ihnen 
am 19. Dezember 1916 im Namen der Regierung der Ver- 
einigten Staaten übergeben wurde, erhalten. Sie haben sie 
mit der Sorgfalt geprüft, welche gleichzeitig ihre richtige Emp- 
findung von dem Ernst derStundeund ihre aufrichtige Freund- 
schaft für das amerikanische Volk gebot. Im allgemeinen legen 
sie Gewicht darauf, zu erklären, daß sie den hohen Gesinnun- 
gen. von denen die amerikanische Note beseelt ist, den Zoll 
ihrer Anerkennung darbringen, daß sie sich mit allen ihren 
Wünschen dem Plane der Schaffung einer Liga der Nationen 
anschließen, welche Frieden und Gerechtigkeit in der Welt sichern 
soll, und sie erkennen alle Vorteile, welche die Einrichtung inter- 
nationaler Bestimmungen zur Hinanhaltung gewaltsamer Kon- 
flikte zwischen den Nationen für die Sache der Menschheit und 
der Zivilisation bringen wird — Bestimmungen, welche die 
erforderlichen Maßnahmen (sanctions) in sich schließen müssen, 
um die Ausführung zu gewährleisten und so zu verhindern, 
daß die anscheinende Sicherheit nicht dazu diene, neue An- 
griffe zu erleichtern. Die Erörterung künftiger Abmachungen, 
welche einen dauerhaften Frieden sichern sollen, hat jedoch zu- 
nächst eine befriedigende Regelung des gegenwärtigen Streites 
zur Voraussetzung. Die Alliierten empfinden ebenso tief wie 
die Regierung der Vereinigten Staaten den Wunsch, mög- 
liehst bald diesen Krieg beendet zu sehen, für den die Mittel- 
mächte verantwortlich sind, und welcher der Menschheit grau- 
same Leiden auferlegt; aber sie sind der Ansicht, daß es un- 
möglich ist, bereits heute einen Frieden zu erzielen, welcher 
ihnen die Wiedergutmachungen, Rückerstattungen und Bürg- 
schasten sichert, auf welche sie ein Recht haben infolge des 
Angriffs, für welchen die Mittelmächte die Verantwortung 
tragen und der im Ursprung gerade darauf abzielte, die Sicher- 
heit Europas zugrunde zu richten. Die alliierten Völker hegen 
die Überzeugung, daß sie nicht für ein selbstsüchtiges Interesse, 
sondern zum Schutze der Unabhängigkeit der Völker, des Rech- 
tes der Menschheit kämpfen. Die Alliierten sind sich voll- 
kommen klar über die Verluste und Leiden, welche der Krieg 
den Neutralen wie den Kriegführenden zufügt, und sie be- 
klagen sie, aber sie lehnen die Verantwortung dafür ab, da 
sie den Krieg in keiner Weise gewollt oder hervorgerufen haben 
und sich bemühen, die Schäden zu mildern, soweit dies mit 
den unerbittlichen Forderungen der Verteidigung gegen die 
Gewalttätigkeit und die Fallstricke des Feindes vereinbar ist. 
Mit Genugtuung nehmen sie zur Kenntnis, daß die ameri- 
kanische Mitteilung in keiner Weise ihrem Ursprung nach mit 
derjenigen der Mittelmächte zusammenhängt, welche am 18. 
Dezember der Regierung der Vereinigten Staaten übergeben 
wurde. Sie zweifelten nicht an dem Entschluß der amerika- 
nischen Regierung, selbst den blassen Anschein einer auch nur 
moralischen Unterstützung des verantwortlichen Urhebers des 
Krieges zu vermeiden. Die alliierten Regierungen halten es 
für ihre Pflicht, sich in der freundschaftlichsten, aber klarsten 
Weise gegen eine Gleichstellung auszusprechen, welche auf öffent- 
liehen Erklärungen der Mittelmächte beruht und in direktem 
Widerspruch zur offenkundigen Sachlage steht, sowohl bezüg- 
lich der Verantwortlichkeiten in der Vergangenheit sowie be- 
treffs der Bürgschaften für die Zukunft. Präsident Wilson 
hat durch ihre Erwähnung gewiß nicht beabsichtigt, sich ihr 
anzuschließen. 
Eine historische Tatsache steht gegenwärtig fest, nämlich der 
Angriffswille Deutschlands und Österreich-Ungarns, um ihre 
Vorherrschaft in Europa und ihre wirtschaftliche Herrschaft 
über die Welt zu sichern. Deutschland hat durch die Kriegs- 
erklärung und die sofortige Verletzung der belgischen und lu.rem- 
burgischen Unabhängigkeit, durch die Art, wie es den Kampf 
geführt hat, eine systematische Verachtung aller Grundsätze der 
Menschlichkeit und der Rechte der kleinen Staaten gezeigt. Je 
mehr der Konflikt sich entwickelte, wurde die Haltung der Mittel- 
mächte und ihrer Verbündeten ein ständiger Hohn auf Mensch- 
lichkeit und Zivilisation. Ist es nötig, an die Greuel zu er- 
innern, welche den Einfall in Belgien und Serbien begleiteten, 
die schonungslose Verwaltung der besetzten Länder, die Nie- 
dermetzlung von Hunderttausenden von harmlosen Armeniern, 
die Barbareien gegen die Bevölkerung von Syrien, die Zeppe- 
linangriffe auf offene Städte, die Zerstörung von Postdampfern 
und Handelsschiffen unter neutraler Flagge durch Untersee- 
boote, die grausame Behandlung der Kriegsgefangenen, die 
Justizmorde an Miß Eavell und Kapitän Fryat, die Ver- 
schleppung der Zivilbevölkerung in die Sklaverei usw. Die 
Hinrichtung von Parwille und die Reihe von Verbrechen, die 
ohne Rücksicht auf die allgemeine Mißbilligung begangen wur- 
den, erklären bem Präsidenten Wilson vollständig den Protest 
der Alliierten. Diese sind der Meinung, daß die Note, die 
den Vereinigten Staaten als Antwort auf die deutsche Note 
überreicht wurde, die von der amerikanischen Regierung ge- 
stellte Frage beantwortet und nach dem eigenen Ausdruck der 
letzteren eine öffentliche Erklärung bezüglich der Bedingungen, 
unter denen der Krieg beendet werden könnte, darstellt. Aber 
Präsident Wilson wünscht noch mehr. Er wünscht, daß die 
kriegführenden Mächte offen die Ziele bekanntgeben, welche 
sie sich bei der Fortführung des Krieges setzen. Die Alliierten 
können auf diese Forderung ohne Schwierigkeit antworten. 
Ihre Kriegsziele sind wohl bekannt, sie haben sie mehr- 
fach in den Erklärungen der Oberhäupter der verschiedenen 
Regierungen dargelegt. Diese Ziele werden in den Einzel- 
heiten mit allen Kompensationen und gerechtfertigten Ent- 
schädigungen für den erlittenen Schaden erst in der Stunde 
der Verhandlungen auseinandergesetzt werden. Aber die zivi- 
lisirte Welt weiß, daß sie alles Notwendige einschließen und 
in erster Linie die Wiederherstellung Belgiens, Serbiens 
und Montenegros, die ihnen geschuldeten Entschädigungen, die 
Räumung der besetzten Gebiete von Frankreich, Rußland und 
Rumänien mit den gerechten Wiedergutmachungen, die Re¬ 
organisation Europas, Bürgschaft für ein dauerhaftes Regime, 
das sowohl auf die Achtung der Nationalität und die Rechte 
aller kleinen und großen Völker begründet ist, wie auf terri- 
toriale Abkommen und internationale Regelungen, welche ge- 
eignet sind, die Land- nnd Seegrenzen gegen ungerechtfertigte 
Angriffe zu schützen, die Zurückgabe der Provinzen und Ge- 
biete, die früher den Alliirten durch Gewalt oder gegen den 
Willen ihrer Bevölkerung entrissen worden sind, die Befrei- 
664
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.