Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Völker null und nichtig. Das Leben der ganzen Welt ist tief 
in Mitleidenschaft gezogen. Jeder Teil der großen Familie 
der Menschheit hat die Last und den Schrecken des noch nie 
dagewesenen Waffenganges gespürt. Keine Nation in der 
zivilisierten Welt kann tatsächlich als außerhalb seines Ein- 
flusses stehend oder als gegen seine störenden Wirkungen ge- 
sichert erachtet werden. Doch die konkreten Ziele, für die der 
Kampf geführt wird, sind niemals endgültig festgestellt worden. 
Die Führer der verschiedenen kriegführenden Mächte haben, 
wie gesagt, diese Ziele in allgemeinen Wendungen aufgestellt. 
Aber in allgemeinen Ausdrücken gehalten, scheinen sie die 
gleichen auf beiden Seiten. Visher haben die verantwortlichen 
Wortführer auf beiden Seiten noch kein einziges Mal die ge- 
nauen Ziele angegeben, die, wenn sie erreicht würden, sie 
und ihre Völker so zufriedenstellen würden, daß der Krieg nun 
auch wirklich zu Ende gefochten wäre. Der Welt ist es über- 
lassen, zu vermuten, welche endgültigen Ergebnisse, welcher 
tatsächliche Austausch von Garantien, welche politischen oder 
territorialen Veränderungen oder Verschiebungen, ja selbst, 
welches Stadium des 
militärischen Erfol- 
ges den Krieg zu 
Ende bringen würde. 
Vielleicht ist der 
Friede näher als wir 
glauben. Vielleicht 
sind die Vedingun- 
gen, auf denen die 
beiden kriegführen- 
den Parteien es für 
nötig halten zu be- 
stehen, nicht so un- 
vereinbar, als manche 
fürchten; vielleicht 
könnte so ein Mei- 
nungsaustausch we- 
nigstens den Weg 
zu einer Konferenz 
ebnen, vielleicht 
könnte so schon die 
nächste Zukunft auf 
ein dauerndes Ein- 
vernehmen der Na- 
tionen hoffen und 
sich ein Zusammen- 
gehen der Nationen 
alsbaldverwirklichen. 
Der Präsident 
schlägt keinen Frie- 
den vor; er bietet 
nicht einmal seine Vermittlung an. Er regt nur an, daß man son- 
diere, damit die Neutralen und die kriegführenden Staaten 
erfahren, wie nahe wohl das Ziel des Friedens sein mag, 
wonach die ganze Menschheit mit heißem und wachsendem Ve- 
gehren sich sehnt. Der Präsident glaubt, daß der Geist, in dem 
er spricht, und die Ziele, die er erstrebt, von allen Beteiligten 
verstanden werden, und er hofft und vertraut auf eine Antwort, 
die ein neues Licht in die Angelegenheit der Welt bringen wird. 
Ich benutze diesen Anlaß, Euere Exzellenz erneut meiner 
ausgezeichnetsten Hochachtung zu versichern. gez. Grew." 
Die Note befleißigte sich im Gegensatz zu früheren 
Noten Wilsons eines anständigen Tones, begegnete 
aber in Deutschland überall dem tiefsten Mißtrauen. 
Wie kommt der amerikanische Präsident gerade jetzt da- 
zu, sich zum Friedensvermittler aufzuwerfen? fragten 
die deutschen Zeitungen. Warum ist es ihm, nachdem 
er sich fast 2y2Jahre Zeit gelassen hat, plötzlich so eilig 
damit, daß er nicht einmal die Antwort der Entente- 
mächte auf das deutsche Friedensangebot abwartet? 
Die Frage war sehr berechtigt, und sie konnte nach 
allem, was der große Menschenfreund und Friedens- 
apostel im Weißen Hause bisher geleistet hatte, nur 
eine Antwort finden: Wilson wollte England helfen. 
Der l^-Vootkrieg mit seinen Erfolgen war die Ur¬ 
fache der plötzlichen Wilsonschen Friedensliebe. Wurde 
der deutsche Friedensvorschlag abgelehnt — und das 
war nach den bisherigen Auslassungen der leitenden 
Ententemänner sicher —, so konnte Deutschland kaum 
anders, als von seiner letzten, furchtbarsten Waffe nun 
unbeschränkt Gebrauch zu machen. Dann mußten 
sich die riesigen Verluste Englands an Schiffsraum, 
die schon der November gebracht hatte, verdoppeln, 
vielleicht sogar verdreifachen, und dann wurde der 
Krieg auf alle Fälle für Amerika ein faules Geschäft. 
Ging England nicht siegreich und im großen und 
ganzen ungeschwächt aus dem Kriege hervor, dann 
verlor Amerika seine Rückendeckung gegen Japan, 
und vor allem büßte es sein Geld ein, die unzähligen 
Millionen Dol- 
lars, die es dem 
bedrängten Vetter 
geliehen hatte. Der 
größte Teil des 
deutschen Volkes 
durchschaute das 
ganz klar, und 
die Reichsregie- 
rung mochte wohl 
des Friedens von 
Portsmouth ge¬ 
denken, der 1905 
das siegreiche Ja¬ 
pan durch die Ver- 
mittlung eines 
amerikanischen 
Präsidenten um 
die besten Früchte 
seiner kriegerischen 
Erfolge gebracht 
hatte. So war 
denn die Antwort, 
die die deutsche Regierung dem Präsidenten erteilte, 
auffallend kurz und kühl gehalten, und Osterreich stieß 
in dasselbe Horn. Die deutsche Note lautete: 
„Die Kaiserliche Regierung hat die hochherzige Anregung 
des Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, 
Grundlagen für die Herstellung eines dauernden Friedens zu 
schaffen, in dem freundschaftlichen Geiste aufgenommen und 
erwogen, der in der Mitteilung des Herrn Präsidenten zum 
Ausdruck kommt. Der Herr Präsident zeigt das Ziel, das 
ihm am Herzen liegt, und läßt die Wahl des Weges offen. 
Der Kaiserlichen Negierung erscheint ein unmittelbarer Gedanken¬ 
austausch als der geeignetste Weg, um zu dem gewünschten 
Ergebnis zu gelangen. Sie beehrt sich daher, im Sinne ihrer 
Erklärung vom 12.d. M,, die zu Friedensverhandlungen die 
Hand bot, den alsbaldigen Zusammentritt von Delegierten 
der kriegführenden Staaten an einein neutralen Orte vorzu- 
schlagen. 
Auch die Kaiserliche Negierung ist der Ansicht, daß das 
große Werk der Verhütung künftiger Kriege erst nach Veen- 
digung des gegeuwärtigen Völkerringens in Angriff genommen 
werden kann. Sie wird, wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, 
mit Freuden bereit sein, zusammen mit den Vereinigten Staaten 
von Amerika an dieser erhabenen Aufgabe mitzuarbeiten." 
Der Wortlaut der Antwort Österreich-Ungarns. 
Wien, 26. Dezember. 
„Die K. u. K. Negierung hat, wie das „WienerK.K.Telegr.- 
Korresp.-Büro" mitteilt, die ihr übermittelte Kundgebung 
Im Schlamm der rumänischen Landstraße. Nach einer Zeichnung für die „Jllustrirte 
Zeitung" von Albert Reich. 
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