Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

„Man weiß zu wenig, oder man vergißt bisweilen zu sehr, 
warum wir uns schlagen. Wir schlagen uns, weil Deutschland 
gegen uns angestürmt ist. Wir schlagen uns, um den Feind 
von unserem Gebiet zu verjagen und um durch einen festen 
und vollständigen Frieden zu verhindern, daß jemals ein 
ähnlicher Angriff wiederholt werden kann. Wir schlagen uns, 
weil es ein Verbrechen wäre, durch einen schmachvollen Ab- 
fall unsere Toten und unsere Kinder zugleich zu verraten. 
Wir schlagen uns, damit der Friede wieder das Wohlbehagen 
in unser Land bringe und die Entbehrungen beschwöre, die 
im Falle eines schlechten Ausganges des Krieges viel schlimmer 
sein würden als das, was die unsrigen jetzt erleiden. Wir 
schlagen uns mit Hartnäckigkeit und Disziplin, weil dies die 
wesentlichen Bedingungen des Sieges sind. Einfach und herzlich, 
wie man zu Freunden und Männern spricht, werde ich euch 
die Wahrheit auseinandersetzen, wie sie uns vor Augen steht, 
und ich werde bei einigen Punkten verweilen, die eure besondere 
Sorge beanspruchen müssen. Ich bin überzeugt, daß ihr zur 
nämlichen Schlußfolgerung kommt wie ich, nämlich, daß jeder 
nach seinen Kräften und seinem Amte fortfahren muß, seine 
Pflicht zu tun, seine volle Pflicht." 
In einem langen Aussatz setzte dann der fran- 
zösische Feldherr seinen Soldaten auseinander, daß 
Deutschland den Krieg angefangen und Frankreich 
überfallen habe. Siege es, so werde ganz Europa 
der Sklave Deutschlands sein. Frankreich kämpfe 
demnach um seine Freiheit und um seine Existenz. 
Der Erlaß war sehr bemerkenswert und noch be- 
merkenswerter war es, daß die Franzosen nun auch 
den ganzen Juli über nichts Namhaftes zu tun ver- 
mochten. Diesen Monat hindurch mußten die Eng- 
länder ganz ersichtlich die Hauptlast des Krieges 
tragen, und wieder waren daher die Vorgänge an 
der Front des Kronprinzen Rupprecht von Bayern 
wichtiger als alles andere. An der Front im Süden, 
die der Herzog Albrecht von Württemberg befehligte, 
kamen, das fei hier gleich bemerkt, während des Juli 
ebensowenig der Erwähnung werte Dinge vor, wie 
es im Juni der Fall war. 
Die Absicht der Engländer war, in der Nähe der 
Küste anzugreifen, und deshalb überschütteten sie von 
Anfang des Monats an die deutschen Stellungen 
vom Meere bis in den Wytschaete-Bogen mit starkem 
Geschützfeuer, unternahmen auch Tag für Tag Er- 
kundungsvorstöße, die aber nirgendwo erfolgreich 
waren. Bis zum 9. Juli geschah von beiden Seiten 
nichts von Wichtigkeit, aber am 10. glückte den Deut- 
schen ein größeres Unternehmen. Im Dünenabschnitt 
des Marinekorps stürmten Teile der kampfbewährten 
deutschen Marineinfanterie nach planmäßiger wir- 
kungsvoller Feuervorbereitung die von den Franzosen 
stark ausgebauten, seit kurzem von den Engländern 
übernommenen Verteidigungsanlagen zwischen der 
Küsle und Lombartzyde. Uber 1250 Gefangene, 
darunter 27 Offiziere, blieben in deutscher Hand, und 
die blutigen Verluste der Geschlagenen waren sehr 
hoch. Die englischen Zeitungen schimpften weidlich — 
ein sicheres Zeichen, daß sich Old-England schwer ge- 
troffen fühlte. Dabei sagten sie ihren Lesern noch 
nicht einmal die Wahrheit, denn sie sprachen nur von 
einem Zurückweichen ihrer Truppen bis an den 
Fluß, während sie in Wirklichkeit bis über die Wer 
geworfen worden waren. Mit besonderem Arger er- 
fuhr das englische Volk, daß die deutsche Flieger¬ 
tätigkeit und Artillerie sich der englischen überlegen 
gezeigt und daß die englische Flotte überhaupt nicht 
gewagt habe, in den Kampf einzugreifen. 
Einen ganzen Tag ließen die Engländer vorüber- 
gehen, ohne eine Gegenhandlung einzuleiten. Am 
11. Juli stürmten Hanseaten bei Monchy englische 
Gräben und machten dabei eine größere Anzahl Ge- 
fangene. Am 12. stießen dann die Engländer bei 
Nieuport südlich von Ipern, bei Hulluch und südlich 
der Scarpe vor, wurden aber zurückgeschlagen. Eng- 
lische Vorstöße folgten in den nächsten Tagen noch 
bei Gavrelle am 14., bei Lombartzyde am 15. und 
16., an der Straße Arras-Eambrai am 17., die fort- 
währenden Erkundungsvorstöße, die an zahlreichen 
Punkten der Front stattfanden, gar nicht gerechnet. 
Am 18. schlugen die Deutschen englische Truppen bei 
Fresnoy zurück und fügten den Franzosen, die auf 
diesem Kampfplatz ihnen gegenüberstanden, eine 
Schlappe zu. Hessen stürmten südöstlich von St. Quen- 
tin nach starker Feuervorbereitung die englische Höhen- 
stellung in einem Kilometer Breite. Die Franzosen 
erhöhten ihre Verluste durch Gegenangriffe, die vor 
den genommenen Gräben ergebnislos zusammen- 
brachen. Vom 17. an beschossen die Engländer die 
deutschen Stellungen zwischen Dixmuiden und Ipern 
mit Geschützen von großem Ausmaß, und auch die 
immer zunehmende Fliegertätigkeit sowie die unab- 
lässigen Erkundungsvorstöße zeigten, daß etwas Ve- 
deutendes am Werke war. In der Tat hatten die 
Engländer geplant, am 19. Juli einen großen An- 
griff zu unternehmen. Aber die Gegenwirkung der 
deutschen Geschütze war so stark, daß er unter- 
bleiben mußte. Vom 17. bis 31. Juli lag nun das 
englische Geschützseuer fast unaufhörlich auf der ganzen 
deutschen Stellung vom Meere bis in die Gegend 
von Armentieres überall mit gleicher Stärke, damit 
die Deutschen nicht merken sollten, wo der Gewalt- 
stoß geplant sei. Es war wieder eine „Material- 
schlacht". Denn auf die Überlegenheit des Kriegs- 
Materials, das ihnen die halbe Welt lieferte, setzten 
ja die Engländer ihre höchste Hoffnung. Die deutschen 
Geschütze antworteten kräftig und nicht ohne Erfolg, 
aber gegen die Eisenmassen, die England zu schleudern 
vermochte, konnten sie eben doch nicht aufkommen. 
Nach vierzehn Tagen war Haig der Ansicht, daß von 
den deutschen Gräben nicht viel mehr übrig sein könne 
und von ihrer Besatzung noch weniger, was ja nach 
menschlichem Ermessen auch zutreffen mußte. Somit hielt 
er die Stunde für gekommen, seine Massen zum großen 
Angriff vorzuschicken. Das geschah am 3l. Juli, und 
der deutsche Heeresbericht meldete darüber: 
„Die grohe Schlacht in Flandern hat begonnen; eine der 
gewaltigsten oes heule erfolgverheißend zu Ende gehenden 
drillen Kriegsjahres. 
Mit Massen, wie sie bisher an keiner Stelle dieses Krieges, 
auch nicht im Osten von Vrussilvw, eingesetzt wurden, griff 
der Engländer und in seinen» Gefolge der Franzose gestern 
auf 25 l<m breiter Front zwischen Noordschoote und Warneron 
an. Ihr Ziel war ein hohes: es galt einen vernichtenden 
Schlag zu führen gegen die „Il-Voot-Pest", die von der flandri- 
schen Küste aus Englands Seeherrschaft untergräbt. 
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