Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

der Papst verwilligt, so verkündigte es Wolffs Tele- 
graphisches Büro. Von einer weiteren päpstlichen 
Spende für kriegsbeschädigte Gegenden der Mittel- 
mächte verlautete seitdem nichts, obwohl in Galizien 
weite Strecken durch die Russen barbarisch verwüstet 
worden waren. Dagegen wurden Belgien und Polen 
so mit Gaben überschüttet, wie es die Mittel des 
Heiligen Stuhles nur . irgendwie zuließen. Ver¬ 
wunderlich war das nicht, 
denn Belgien war ja das 
klerikalste Land Europas, 
und in dem befreiten 
wiederhergestellten Polen 
begrüßte Rom die Auf- 
richtung einer katholischen 
Macht im Osten Europas. 
Den Belgiern überwies da- 
her der Papst am 8. Sep- 
tember 1914 den dort 
sammelten 
Er wurde dem 
Mercier ausgehändigt, 
einem wütenden Deutschen- 
feind, der sich 
seine 
tung bemerkbar machte, 
sollte ihn an die „unglüa- 
liche Bevölkerung" verteilen. 
Ihm folgten noch sechs 
weitere päpstliche Spenden, 
deren höchste 40000 und de- 
ren niedrigste 1000 Franken 
betrug. Außerdem, und 
war vor Weihnachten 1915, 
veranlaßte Benedikt unter 
den Katholiken der ganzen 
Welt Sammlungen für Bel- 
gien. Die erste dieser Samm- 
lungen betrug über eine 
Million Mark. Noch weit 
reicher wurde Polen be- 
dacht. Nicht nur übersandte der Papst selbst im 
April 1915 dem Erzbischof von Krakau 50000 Kronen, 
sondern er eröffnete auch im November desselben 
Jahres eine Sammlung für Polen in der ganzen 
Welt. Sie wurde im Oktober 1916 abgeschlossen und 
hat annähernd 3800000 Mark ergeben. Die für 
Litauen ausgeschriebenen päpstlichen Sammlungen 
brachten in dem gleichen Zeitraum über einundein- 
halb Millionen Franken ein. Der Papst selbst sandte 
dem Bischof von Samogitien 20000 Lire. Daß 
Frankreich nicht vergessen wurde, versteht sich von 
selbst. Der Kardinal Annette erhielt vom Papst 
60000 Franken. Auch die kleinen Balkanstaaten Ser- 
bien und Montenegro bekamen päpstliche Unterstützung. 
Einzelne italienische und französische Städte, die von 
den deutschen oder österreichisch-ungarischen Fliegern 
schwer heimgesucht worden waren, wurden gleichfalls 
vom Papst mit Geld unterstützt, so z. V. Chalons, 
Beobachtungsposten von Minenwerfertruppen im vordersten 
Sappenkopf. Nach einer Zeichnung für die „Jllustrirte Zei- 
tung" von Fritz Grotemeyer. 
Padua, Vicenza. Das war eigentlich gar nicht ver- 
wunderlich, ebensowenig verwunderlich wie das Ein- 
treten des Papstes für italienische Spione, die be- 
sonders starke Tätigkeit, die der Heilige Stuhl für 
italienische Vermißte und italienische Verwundete ent- 
faltete. Es wäre sogar höchst unnatürlich gewesen, 
wenn der italienische Papst und seine vorwiegend 
italienischen Kardinäle sich nicht ihrer italienischen 
Landsleute angenommen 
Aber sonderbar und 
zum Widerspruch heraus- 
fordernd wirkte dann die 
allen päpstlichen Anspra- 
chen und Noten wieder- 
kehrende Behauptung der 
vollkommensten Unpartei- 
< denn sie entsprach 
nicht den Tatsachen. 
Seltsam war es übrigens, 
daß die Anregungen des 
Statthalters Christi in Rom 
bei denen auf den 
fruchtbarsten Boden fielen, 
die ihn als solchen nicht an- 
erkannten. Niemand kam 
ihm so bereitwillig entgegen 
wie die Regierung des pro- 
testantischen Kaisers in Ber¬ 
lin. Niemand nahm so viel 
Rücksicht auf die Wünsche 
der katholischen Kirche wie 
sie. Nach den kirchlichen Ge- 
setzen ist es den katholi- 
schen Geistlichen untersagt, 
Kriegsdienste mit der Waffe 
leisten. Die Italiener 
und Franzosen kümmerten 
sich darum nicht im min- 
besten. Sie riefen ihre Prie- 
ster ohne weiteres zum 
Heeresdienst ein, und nach 
französischen Nachrichten waren schon bis Ende 1916 
nicht weniger als 3500 Priester vor dem Feinde gefallen 
und 800 befanden sich in deutscher Gefangenschaft. 
Sie wurden von den Deutschen wie Offiziere unter- 
gebracht und behandelt, und Deutschland befreite alle 
seine Priester vom Dienste mit der Waffe. Ja, das 
Entgegenkommen ging noch weiter. Obwohl kaum 
zwei Dutzend deutscher Priester als Krankenträger in 
französische Hände gefallen waren, schlug die deutsche 
Regierung der französischen vor, die Priester sämtlich, 
ohne Rücksicht auf ihre Zahl, auszutauschen. Nur 
sollten die Ausgetauschten nicht weiterhin mit der 
Waffe kämpfen. Die französische Regierung ging 
darauf nicht ein, ebensowenig wie auf andere Maß- 
regeln, die der Papst entweder geradezu vorgeschlagen 
hatte oder die ihm lieb sein mußten. Solange 
Bethmann-Hollweg am Ruder war, durfte die deutsche 
Presse solche Dinge nicht besprechen, ebensowenig wie 
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