Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Bischof in bezug auf die Deutschen über seine Lippen 
bringen, das sei ganz unmöglich. Auch enthalte das 
Gebet kein Wort, das die Taten der Deutschen und 
ihrer Verbündeten verdamme. Daraufhin gestattete 
der Papst, daß dem Gebet in Frankreich „eine Aus- 
legung im sranzösischen Sinne" vorausgeschickt werden 
dürfe, und die französischen Bischöfe ließen sich nun- 
mehr herbei, das Gebet des Statthalters Christi, nach- 
dem sie es unwirksam gemacht hatten, in ihren 
Sprengeln zu erlauben. 
Derselbe Wahnsinn des französischen Hasses, der 
hier zutage trat, verhinderte kurz daraus ein anderes 
Friedenswerk des Papstes. Ostern 1915 schlug Vene- 
dikt den Kriegführenden im Westen vor, auf eine 
kurze Zeit die Waffen ruhen zu lassen, damit die 
Leichen der Gefallenen, die massenhaft unbeerdigt 
vor den Schützengräben lagen, bestattet werden könnten. 
Aber selbst dazu verstanden sich die Franzosen nicht, 
und die Engländer traten ihnen bei. Hier zeigte 
sich nicht nur der alles Maß übersteigende Haß, 
sondern auch die merkwürdige Entartung jedes höheren 
menschlichen Gefühls bei den Franzosen, die schon 
häufig und auf mancherlei Weise in dem Kriege an 
den Tag getreten war. Sie machte sich nicht nur 
durch Roheiten gegen den Feind, sondern auch durch 
einen erschrecklichen Mangel an Menschlichkeit gegen 
die eigenen Leute bemerkbar. Sie ließen ihre Ver- 
mundeten tagelang vor den Linien stöhnen und end- 
lich sterben, ehe sie beim Feinde einen Waffenstill- 
stand zu ihrer Bergung beantragten, und an einem 
ehrenvollen Begräbnis ihrer Toten schien ihnen 
überhaupt nichts zu liegen. Ausnahmen gab es freilich 
auch hier, aber sie waren dünn gesät. 
Der Papst ging indessen weiter in seinen Friedens- 
bemühungen. Als Italien in den Krieg eingetreten 
war, sprach er seinen Schmerz darüber in einem 
Schreiben aus, das er dem Dekan des Kardinal- 
Kollegiums zugehen ließ. Er wählte öfter einen 
solchen Weg, um der Welt seine Gedanken mitzuteilen, 
wendete sich nicht an die Kriegführenden selbst, son- 
dern an irgendeine Person oder eine Gesellschaft und 
sagte ihnen, was die ganze Menschheit hören sollte. 
Sie hörte es auch, denn die Worte des Papstes ge- 
langten selbstverständlich in die Presse aller Länder. 
Wilson hat ihm das später häufig nachgemacht 
Benedikt erklärte in jenem Schreiben, er werde sich 
von neuem bemühen, die Leiden des Krieges zu lin- 
dern und einen Weltfrieden herbeizuführen. Diese 
Absicht führte er auch aus. Am ersten Jahrestage 
des Kriegsanfanges richtete er eine Kundgebung „An 
die kriegführenden Völker und ihre Regierungen". 
Wieder forderte er darin die Regierenden auf, dem 
Blutvergießen und der Zerstörung ein Ende zu machen: 
„Ihr, die Ihr vor Gott und vor den Menschen die 
furchtbare Verantwortung über Frieden und Krieg 
habt, hört auf Unsere Bitte, aus die väterliche Stimme 
des Statthalters des ewigen Reiches, dem Ihr Rechen- 
schaft schuldet über Eure öffentlichen Unternehmungen 
wie über Euer privates Leben". Dann warnte er 
davor, eine Entscheidung durch Waffengewalt herbei- 
führen zu wollen, denn wozu könne das führen. Ge- 
länge es, eine Nation zu demütigen und zu unter- 
drücken, so würde sie nur knirschend ihr Joch tragen 
und auf Erlösung hinarbeiten und von Geschlecht zu 
Geschlecht einen traurigen Rest von Haß und Räch- 
sucht vererben. — Warum nicht von jetzt an reinen 
Gewissens die Rechte und gerechten Aspirationen der 
Völker abwägen? Warum nicht mit kräftigem Wil- 
len einen direkten oder indirekten Gedankenaustausch 
unternehmen über das Maß der Möglichkeit, jene 
Rechte, jene Aspirationen abzuwägen, um so den 
furchtbaren Krieg zu beenden, wie es bei anderen 
ähnlichen Gelegenheiten geschehen? — Gesegnet sei, 
wer zuerst den Ölzweig erhebt, dem Feinde die Rechte 
bietet und ihm vernünftige Friedensbedingungen vor- 
schlägt. 
Am Schluß erteilte der Papst „den apostolischen 
Segen allen, die Unserer mystischen Herde anvertraut 
sind. Und auch für diejenigen, die noch nicht zur 
römischen Kirche gehören, bitten wir den Herrn, daß 
er sie Uns durch die Bande der christlichen Liebe 
verbinden möge." 
Am 6. Dezember 1915 mußte der Papst in einer 
Konsistoriumsansprache feststellen, daß dieses Schreiben 
zwar überall eine durchaus achtungsvolle Aufnahme 
gefunden, aber doch keine Wirkung erzielt habe. Er 
mahnte darum aufs neue zum Frieden und zu einem 
Gedankenaustausch, in dem die Ansprüche eines jeden 
klar dargelegt und geprüft werden möchten, unter 
Beseitigung der ungerechten und unmöglichen Forde- 
rungen und in dem man nötigenfalls durch billige 
Kompensationen und Abmachungen dem Rechnung 
trüge, was gerecht und möglich sei. „Es ist unbedingt 
notwendig, daß man von der einen wie von der 
anderen Seite in einigen Punkten nachgibt, daß man 
auf einige der erhofften Vorteile verzichtet, selbst um 
den Preis gewisser Opfer, um nicht vor Gott und 
den Menschen die ungeheure Verantwortung für die 
Fortsetzung dieser beispiellosen Schlächterei auf sich 
zu nehmen." 
Auch dieser Aufruf fand überall taube Ohren, und 
bekümmert erklärte der Papst den Kardinälen in 
seiner Weihnachtsansprache vom 25. Dezember 1915: 
„Leider war dies alles vergeblich. — Wir müssen 
erkennen, daß Wir wenig oder nichts vermocht haben." 
Doch hörte er deshalb nicht auf, zum Frieden und 
zu einer gegenseitigen Aussprache und Auseinander¬ 
setzung zu mahnen. 
Um so sonderbarer war es, daß das bekannte Friedens- 
angebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916 die 
Unterstützung des Päpstlichen Stuhles nicht fand, ob- 
wohl er ausdrücklich darum gebeten wurde. In dieser 
Note schlugen ja die Mittelmächte vor, alsbald in 
Friedensverhandlungen einzutreten und dem Kampfe 
ein Ende zu machen. Sie erklärten sich also zu dem 
bereit, was der Papst gefordert hatte, und Deutsch- 
land wie Österreich-Ungarn sprachen ihm ihre be- 
sondere Hoffnung und Erwartung auf seine Beihilfe 
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