Am 8. Juli wurde daraus sogar ein Verbot allen
Branntweinverkaufs. An demselben Tage wurde die
Zensur der Briese und Telegramme eingeführt. Eng-
land bildete dazu das Muster. Am 10. Juli wurde
durch einen Erlaß des Präsidenten die Nationalgarde
in das Heer eingereiht und zum aktiven Dienst einbe-
rufen. Am 11. wurde im Repräsentantenhaus ein
Gesetz angenommen, wodurch jeder Handelsverkehr
mit feindlichen Ländern verboten war. Am 13. er-
ließ der Präsident den Befehl, daß den amerikanischen
Versicherungsgesellschaften die Rückversicherung mit
deutschen Seeversicherungsgesellschaften verboten und
diesen deutschen Gesellschaften jede Tätigkeit in Amerika
untersagt wurde. Am 15. Juli nahm das Repräsen-
tantenhaus eine Kreditvorlage von 640 Millionen
Dollars zum Vau von 22000 Flugzeugen an. Die
Iankees berauschten sich selbst an solchen Zahlen und
glaubten dadurch die Deutschen zu schrecken. Aber
in Deutschland wirkten sie nicht schreckhaft, sondern
lächerlich, denn die Deutschen bedachten, daß die
22000 Flugzeuge erstens gebaut, zweitens bemannt,
drittens über das Meer gebracht werden mußten.
Darüber mochte noch viel Zeit vergehen, und Hinden-
bürg hatte erklärt, als er über seine Ansichten von
der Bedeutung der amerikanischen Gefahr befragt
worden war: „Glauben Sie denn, daß ich warte,
bis die herüberkommen werden?" Auf solche Worte
baute das deutsche Volk. Es glaubte um so mehr
darauf bauen zu können, als ihm nach einiger Zeit
die Zeitungen fast einmütig erzählten, die 640 Mil-
lionen Dollars seien verschleudert worden, ohne daß
auch nur der vierzigste Teil der Flugzeuge gebaut
worden wäre, es habe also in Amerika eine Unter-
schlagung öffentlicher Gelder stattgefunden, wie sie in
der ganzen Welt noch nicht erhört worden sei. Da-
von war richtig, daß nur der kleinste Teil der ge-
planten Flugzeuge etwa nach Jahresfrist fertig war,
übrigens noch immer gerade genug, um die deutschen
Flieger an der Westfront in eine sehr gefährliche Lage
zu bringen. Aber die große Geldsumme wurde nicht
etwa unterschlagen, sondern wahrscheinlich zum Vau
der riesigen Tankmassen verwendet, die im Sommer
des folgenden Jahres im Felde erschienen und der
Kriegslage eine andere Wendung geben halfen.
Die amerikanischen Kriegsgesetze hatten nicht nur
für die Kriegführenden, sondern auch für die Neu-
tralen in Europa ihre Bedeutung. Fast alle neu-
tralen Staaten waren auf amerikanische Zufuhren an-
gewiesen, und ihre Lage war schon vorher alles andere
gewesen, als rosig. In der Schweiz wurde im August
die Brotkarte eingeführt, und in Schweden beschlag-
nahmte die Regierung im Juli die gesamte Getreide-,
Hülsenfrüchte- und Zuckerrübenernte. In Holland
gab es Lebensmittel- und Kohlenkrawalle. Lag nun
die Entscheidung darüber, inwieweit Lebensmittel und
andere Gegenstände des notwendigen Bedarfs aus
Amerika ausgeführt werden durften, allein in der
Hand des Präsidenten, so waren die kleinen selb-
ständigen Staaten Europas von der Gnade des
Mannes abhängig, der sie schon in den Krieg hatte
hineinziehen wollen. Die Annahme lag nahe, daß
er den Versuch mit größeren Macht- und Druckmitteln
wiederholen werde. Später hat es Wilson daran nicht
fehlen lassen. Aber bis zum Ende des dritten Kriegs-
jahres war noch nichts davon zu spüren. Einstweilen
erhielten die Neutralen von englischer Seite einen
neuen Beweis dafür, wie die großen angelsächsischen
Nationen kleine machtlose Völker zu behandeln liebten.
Holland, dessen Neutralität den Engländern aus be-
greiflichen Gründen von jeher ein Dorn im Auge
war, erlebte in kurzer Aufeinanderfolge freche Ein-
griffe in seine Hoheitsrechte. Im Juli veröffentlichte
das niederländische Marine-Departement folgende
Erklärung:
„Am frühen Morgen des 16. Juli sichteten die Posten der
Küstenwache sieben Frachtschiffe unbekannter Nationalität, die
durch die Hoheitsgewässer in nördlicher Richtung fuhren. Um
615 Uhr morgens wurden von einem der Küstenwächter etwa
zwanzig britische Kriegsschiffe gesichtet, die um 660 Uhr in die
Höhe von Plette kamen und innerhalb der Hoheitsgewässer
die Handelsschiffe zu beschießen begannen. Vier Frachtdampfer
wurden, obwohl sie innerhalb der Hoheitsgewässer fuhren,
weggenommen. Zwei fuhren direkt auf den Strand zu und
wurden, nachdem sie schon festgelaufen waren, noch immer
beschossen. Mehrere Geschosse fielen auf das Land. Ein anderes
Handelsschiff ankerte bei dem Untersuchungsfahrzeug am Ein-
gang nach dem Schulpengat. Als das Untersuchungsfahrzeug
achtzehn englische Torpedojäger sichtete, lichtete es die Anker
und legte sich zwischen die Handelsschiffe und die Torpedo-
jäger, worauf diese in südlicher Richtung wegfuhren. Als um
662 Uhr in dem Helder die Nachricht eintraf, daß britische Tor-
pedojäger innerhalb der Hoheitsgewässer auf Frachtschiffe Jagd
machten, wurden das Kriegsschiff „Kortenaer" und vier Tor-
pedoboote nachgeschickt, die um 826 Uhr an Ort und Stelle
kamen. Zwei andere Torpedoboote erhielten den Befehl, bei
Terel am Schulpengat zu kreuzen. Zwei mußten zwischen
Vlieland und Tezcel kreuzen und zwei bei dem am Sonntag
gestrandeten deutschen Schiffe. Es steht fest, daß der Angriff
innerhalb der Hoheitsgewässer stattgefunden hat."
Die Engländer widersprachen in ihren amtlichen
Berichten der holländischen Darstellung in keiner
Weise. Sie erklärten ihr Vorgehen gegen die deutschen
Schiffe damit, daß die Deutschen auf den englischen
Befehl: „Anhalten! Von Bord gehen!" nicht bei-
gedreht hätten und bestätigten, daß 4 der deutschen
Schiffe eingebracht in ihren Häfen lägen. Nichts
davon, daß die Tat in holländischen Gewässern ge-
schehen war. Warum auch eine solche Kleinigkeit er-
wähnen? Hoheitsrechte zur See gab es ja eigentlich
nur für Großbritannien. Die anderen Staaten wurden
von den englischen Seeleuten nur dann beachtet, wenn
aus besonderen Gründen Rücksicht zu nehmen war,
und gegen das kleine Holland war das nicht nötig.
Die niederländische Regierung hatte den Mut,
für die Verletzung ihrer Hoheitsrechte von der eng-
lischen Regierung Genugtuung zu verlangen. Ob
die Engländer eine amtliche Entschuldigung, die ihnen
ja nichts gekostet hätte, ausgesprochen haben, ist nicht
bekannt geworden. Jedenfalls bewiesen sie kurz daraus
durch die Tat, daß sie nicht gesonnen waren, ihr Ver-
halten zu ändern, denn am 27. Juli machten sie
wieder einen Angriff auf ein deutsches und ein nieder-
ländisches Schiff innerhalb der holländischen Hoheits-
gewässer. Das eine sank dabei, das andere konnte
noch in einen holländischen Hafen geschleppt werden.
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