Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

in den Hauptblättern der französischen Presse gestatten wird. 
Gleichzeitig hat König Konstantin einen Brief an den französischen 
Gesandten in Athen gerichtet, worin er betont, keine Wünsche 
für den Erfolg des einen oder anderen Kriegführenden aus- 
gesprochen zu haben, und wiederholt, daß die angebliche Depesche 
Kaiser Wilhelms an ihn eine Fälschung sei." 
Natürlich machte das alles nicht den geringsten 
Eindruck. Der König konnte beteuern und beschwören, 
was er wollte, er war der Entente im Wege, und 
deshalb mußte er beseitigt werden. Als diese Note 
einging, waren schon wieder neue Vergewaltigungen 
durchgeführt worden. Die Italiener waren in Epirus 
eingerückt, und auf allen jonischen Inseln außer Korfu 
war die Herrschaft der Königlichen Regierung be- 
seitigt worden. Ein Protest dagegen nützte nicht das 
mindeste. Unter dem Druck der Ententegesandten 
mußte der König am 4. Mai das Ministerium Lam- 
bros entlassen und durch ein Ministerium Zaimis 
ersetzen, das sich nach seiner eigenen Erklärung die 
Aufgabe stellte, die „freundschaftlichen Beziehungen 
zwischen Griechenland und den alliierten Mächten 
wiederherzustellen". Aber diese Wiederherstellung 
gelang ihm nicht, denn das Mittel dazu, die Kriegs- 
erklärung an die Mittelmächte, wollte auch Zaimis 
nicht anwenden. Das wollte nur Venizelos, und 
deshalb blieb er der Mann der Entente und durfte 
sich immer frecher gebärden. Ein großer Rummel 
wurde für ihn in Szene gesetzt. Am 10. Mai ent¬ 
deckte man in Saloniki eine „Verschwörung" gegen 
sein kostbares Leben. Darauf hielten dann Männer 
seiner Partei überall Massenversammlungen ab, auf 
denen die Absetzung des Königs gefordert wurde. 
Nunmehr erklärte die „Nationalregierung" am 14.Mai, 
sie sähe sich durch den Willen des Volkes in die Lage 
gebracht, die Abdankung des Königs zu fordern. 
Er selbst müsse das Staatsgebiet verlassen, einer seiner 
Söhne oder sonst ein Mitglied des Königshauses 
solle König sein oder vielmehr heißen. Die könig- 
liche Familie solle unter militärischer Bewachung der 
Ententemächte im Lande bleiben. 
Es verging nicht ein Monat, dann war das Spiel 
der Abdankung des Königs erreicht. Voran ging 
noch eine Gewalttat, eine der schlimmsten von allen, 
die das unglückliche Land zu erdulden hatte. Die 
Ententemächte sandten nach Griechenland einen Fran- 
zosen, den Senator Jonnart, gewissermaßen als den 
Verwalter des Landes mit diktatorischer Gewalt. Ihm 
folgte eine englische und eine französische Flotte, die 
sich vor den Piräus legten. Der englische und fran- 
zösische Gesandte verließen Athen, und zugleich be- 
setzten die Italiener Janina. Jonnart leitete seine 
Regierung in Griechenland damit ein, daß er die 
thessalische Ernte beschlagnahmte, denn wenn Griechen- 
land die thessalische Ernte in der Hand behielte, er- 
klärten die Pariser Zeitungen mit schnöder Offenheit, 
so brauche es keinen Brotmangel mehr zu befürchten. 
Die Blockade verliere also ihre Wirksamkeit, und es 
könne sich den Mittelmächten anschließen. 
Außerdem brauche das Heer Sarrails das grie- 
chische Getreide, und das war richtig, denn die deut¬ 
scheu U-Boote gefährdeten seine Verpflegung immer 
mehr. Damit nun aber das griechische Volk nicht 
verhungere, solle die Ernte zwischen den Griechen 
und Sarrail geteilt werden. Dazu müsse man sie 
beschlagnahmen. Wie die Italiener in Epirus, so 
rückten die Franzosen in Thessalien ein, und zudem 
landete noch ein aus allen Ententetruppen gemischtes 
Korps bei Jthea an der Nordküste des Korinthischen 
Golfs, besetzte Korinth und trennte damit den Pe- 
loponnes, wo das griechische Heer stand, von dem 
übrigen Griechenland. So war es vollkommen ge- 
knebelt, und nun wagten die Raubmächte das 
Äußerste: sie forderten die Abdankung des Königs. 
Am 11. hatte Jonnart eine Unterredung mit dein 
Ministerpräsidenten Zaimis und verlangte von ihm 
im Namen der „Schutzmächte" die Abdankung König 
Konstantins und die Bezeichnung eines Nachfolgers 
unter Ausschluß des Kronprinzen. „Zaimis", so 
meldete die Agence Havas, „erkannte die Uneigen- 
nützigkeit der Mächte an, deren einziges Ziel die 
Wiederherstellung der Einigkeit Griechenlands (!) sei, 
erwiderte aber Jonnart, daß ein Entschluß des Königs 
erst am Abend nach Zusammentritt eines Kronrats 
gefaßt werden könne. Trotz der Hetzerei gewisser 
Agitatoren wurde die Ruhe in den Straßen Athens 
nicht gestört. Nachdem Zaimis Jonnart den Brief 
mit der Annahme der Abdankung überreicht hatte, 
hat der ehemalige König die Absicht ausgesprochen, 
sich auf ein englisches Schiff zu begeben und über 
Italien nach der Schweiz zu fahren. Die Truppen, 
die zur Verfügung des Oberkommissars der Mächte 
standen, hatten Befehl erhalten, nicht zu landen, 
bevor der Entschluß des Königs bekannt war." 
Dieser Entschluß wurde den Beauftragten der 
Schutzmächte in einem Briefe folgenden Wortlauts 
mitgeteilt: 
„Herr Oberkommissar! Nachdem Frankreich, Rußland und 
Großbritannien die Abdankung des Königs Konstantin und 
die Bezeichnung eines Nachfolgers forderten, hat der unter- 
zeichnete Ministerpräsident und Minister der Auswärtigen An- 
gelegenheiten die Ehre, Ew. Exzellenz zur Kenntnis zu bringen, 
daß Seine Majestät, wie immer auf das Wohlergehen Griechen- 
lands bedacht, beschlossen hat, Griechenland mit dem Kronprinzen 
zu verlassen. Er bezeichnet den Prinzen Alexander als seinen 
Nachfolger." 
Am 14. Juni verließ König Konstantin mit seiner 
Familie Griechenland und fuhr auf seiner Jacht, 
geleitet von einem Kriegsschiff, nach Tarent, und von 
da nach der Schweiz. Er verabschiedete sich von 
seinem Volke durch eine Proklamation, in der er 
auf die große Gefahr eines Widerstandes gegen die 
bewaffnete Macht der Entente hinwies. Das grie- 
chische Volk nahm den Entschluß seines Königs schwei- 
gend hin, nicht einmal in Athen ereigneten sich 
Unruhen. Der neue vierundzwanzigjährige König 
Alexander leistete am 16. Juni den Eid auf die Ver- 
fassung und erließ an das Volk folgende Erklärung: 
„In dem Augenblicke, da mein verehrter Vater, indem er 
dem Vaterlande ein sehr großes Opfer brachte, mir die schwere 
Pflicht des hellenischen Thrones anvertraut, spreche ich den 
Wunsch aus, Gott möge meine Bitte erfüllen, möge Griechen- 
land beschützen und uns erlauben, daß wir es wieder einig 
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