Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

Der Bericht des k. k. Generalstabes für den 10. Mai 
lautete: 
In den Kämpfen der letzten zwei Tage haben unsere 
Truppen die russische Schlachtlinie bei Debica durchbrochen. 
Hierdurch wurden die südlich der Weichsel kämpfenden starken 
russischen Kräfte zu schleunigem Rückzug hinter die untere 
Wisloka gezwungen. 
Die Tragweite dieser Ereignisse wird klar durch die seit 
heute früh vorliegenden Meldungen über den Rückzug des feind- 
licheu Südflügels in Rnssisch-Polen. Die stark befestigte Nida- 
front wird vom Gegner als unhaltbar erkannt und eilig ge- 
räumt. Wie der Erfolg bei Gorlice und Jaslo sich auf die 
Karpathenfront übertrug, so beeinflußt jener der Armee des 
Erzherzogs Josef Ferdinand bei Tornow und Debica die 
Situation in Russisch-Polen. 
In Mittelgalizien dringen unsere und die deutschen Truppen 
unter fortwährenden erfolgreichen Kämpfen den Trümmern 
der geschlagenen russischen Korps gegen den Sanabschnitt 
Dynow-Sanok nach. • Ein versuchter russischer Gegenangriff 
von etwa drei Divisionen von Sanok entlang der Bahn gegen 
Westen wurde unter schweren Verlusten des Feindes blutig 
zurückgeschlagen. 
Die aus dem Waldgebirge vorgedrungenen Kolonnen haben 
bei Baligrod den starken Gegner geworfen uud mit Vortruppeu 
den San bei Dwernik überschritten. Die russische 8. Armee, 
die im allgemeinen zwischen Lnpkow und Uzsok kämpfte, ist 
nunmehr mit beträchtlichen Teilen ebenfalls in die Nieder- 
läge verwickelt. 
In Südvstgalizien sind die Russen in mehreren Abschnitten 
zum Angriff übergegangen. Ein Vorstoß starker Kräfte nörd- 
lich des Pruth auf Ezernowitz wurde an der Reichsgrenze 
zurückgeschlagen, 620 Gefangene gemacht. Nördlich Horodenka 
gelang es feindlichen Abteilungen, am südlichen Dnjestrufer 
Fuß zu fassen. Der Kampf dauert hier an. 
Die folgenden Tage zeigten, daß das Hauptheer 
der Russen sich in voller Auflösung befand. Am 11. 
nahm ein Bataillon des Ersten Garde-Regiments zu 
Fuß 4500 Mann, 14 Offiziere, darunter einen Obersten, 
gefangen und erbeutete 4 Geschütze und eine bespannte 
Maschinengewehr-Kompagnie und eine Bagage, und 
vom 9. österreichisch-ungarischen Korps rourden durch- 
einandergewürfelte Mannschaften von 51 Regimentern 
gefangen. Das waren lehrreiche Beispiele dafür, in 
welchem Zustande sich die russische Hauptmacht befand. 
Die Verfolgung schritt dann auch unaufhaltsam vor- 
wärts. Mackensen erreichte und überschritt am 11. den 
San zwischen Sanok und Dynow. „In regellosen 
Kolonnen, teils in Auflösung, flüchteten die Truppen 
und Trains der 3. und 8. russischen Armee in der 
Richtung auf Jaroslau, Przemysl und Ehyrow zurück." 
Wie groß die Verwirrung war, zeigt der Umstand, 
daß der aus dem Räume Sanok-Lisko flüchtende 
größere Teil von ihren eigenen Landsleuten, die über 
Baligrod und Polona vorgedrungen waren, heftig 
angegriffen wurde. Dynow, Sanok, Lisko fielen in 
die Hände der Österreicher und Deutschen, die untere 
Wisloka wurde von ihnen überschritten, Rzeszow erobert. 
Nur in Südgalizien waren die Russen noch im 
Vorteile. Ihr Angriff auf Ezernowitz wurde zwar 
zurückgeschlagen, aber es gelang ihnen, am unteren 
Dnjestr Fuß zu fassen und die Österreicher zur Räumung 
von Zaleszczyki zu zwingen, das kurz vorher von ihnen 
erobert worden war. Am 12. rückten die Russen mit 
starken Kräften über Horodenka vor, fanden aber zähen 
Widerstand. 
Am 12.erreichte Mackensen die Gegend von Dubiecko 
am San, Lancut (an der unteren Wisloka), Kolbus- 
Zowa (nordöstlich Debica). Unter der Einwirkung 
dieses Vordringens wichen die Russen aus ihren 
Stellungen nordwestlich der Weichsel. Dort gelangten 
die Truppen des Generals von Woyrsch, dem Feind 
auf dem Fuße folgend, in die Gegend südlich und 
nordwestlich von Kielce, das noch an demselben Tage 
von deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen 
besetzt wurde. 
In den Karpathen eroberte Linsingen mit deutschen 
und österreichisch-ungarischen Truppen die Höhen östlich 
des oberen Stryj und nahm dabei 3500 Mann ge- 
fangen. Die gesamte Siegesbeute betrug am 12. Mai 
143500 Gefangene, ca. 100 Geschütze und 350 Ma- 
schinengewehre. Davon hatte Mackensen 103000 Ge- 
fangene, 69 Geschütze, 250 Maschinengewehre erbeutet. 
Am 13. erreichte der rastlose deutsche Feldherr Przemysl, 
und von dem Tage an trat diese Festung wieder in 
den Mittelpunkt des Interesses. Solange Przemysl 
nicht gefallen sei, so orakelten die Zeitungs- und Mili¬ 
tärgelehrten Rußlands und seiner Verbündeten, stehe 
die russische Herrschaft in Galizien fest, und die Deut- 
scheu und Österreicher hätten gar nichts gewonnen. 
Überhaupt wurde den Völkern des Dreiverbandes die 
Lage in Galizien als gar nicht übel dargestellt. Während 
die russische Hauptmacht mit jedem Tage mehr aus- 
einanderbarst, wurde immer noch von russischen Siegen 
gefabelt. Nur einige englische Zeitungen hatten hin 
und wieder, leider vorübergehende, Anfälle von Wahr- 
heitsliebe. So schrieb die „Daily Mail": „Einige 
Wenige von uns beginnen einzusehen, daß unsere 
gegenwärtige ungeheuerliche Aufgabe nicht ist, die 
Deutschen zurückzudrängen, sondern uns zu behaupten, 
wo wir sind." Ja, das Blatt wagte es sogar, zu er- 
klären: „Tatsächlich sind die Berichte des deutschen 
Hauptquartiers in der Regel wahrheitsgemäß. Außer- 
dem werden sie mit großer Pünktlichkeit ausgegeben." 
Da die Berichte der deutschfeindlichen Mächte denen 
des deutschen Hauptquartiers gewöhnlich direkt ent- 
gegengesetzt waren, so konnte der aufmerksame Leser 
daraus folgern, daß sie falsch sein mußten. 
Die nächste Aufgabe der deutschen und österreichisch- 
ungarischen Armeen bestand nun darin, den Uber- 
gang über den San zu erkämpfen. Am 14. eroberten 
die Deutschen Jaroslau, die Österreicher und Ungarn 
Rudnik und Lezajsk am San. Südlich davon wurden 
Dobromil, Stary-Sambor und Boryslaw den Russen 
entrissen. Die Armee Linsingen erreichte die Höhen 
südwestlich von Dolina. Am 15. wurde eine starke 
russische Nachhut bei der Magierahöhe zersprengt, 
7 Geschütze, 11 Maschinengewehre erbeutet, über 
1000 Gefangene gemacht. Am 16. wurde Drohobycz 
von den gegen den oberen Dnjestr vorrückenden 
Truppen genommen, wobei 5100 Gefangene und 
8 Maschinengewehre in die Hände der Sieger fielen. 
Bei Jaroslau und an mehreren anderen Stellen 
wurde schon an diesem Tage der San überschritten. 
Der Ubergang größerer Heeresmassen über den San 
gelang erst am 17., und am 18. suchten die Russen 
die über den San gedrungenen deutschen und öfter- 
348
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.