Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

lagen auf den Schlachtfeldern, die tüchtigsten Offiziere 
waren tot oder gefangen, viele Geschütze unbrauchbar 
geworden, die Munition überaus knapp, so knapp, daß 
sie die Angriffskraft des Heeres lahmlegte. Dagegen 
waren die verbündeten deutschen und österreichisch- 
ungarischen Armeen, die ihnen gegenüberstanden, mit 
Munition reichlich versehen, und ihre Verluste waren, 
wenn auch sehr bedeutend, doch mit den russischen 
nicht zu vergleichen. Sie wurden zudem in den 
letzten Apriltagen außerordentlich verstärkt, denn die 
deutsche Heeresleitung erkannte gar wohl die ent- 
scheidende Bedeutung der galizischen Kämpfe. Darum 
warf sie bedeutende Trup- 
penmassen nach Galizien 
und stellte sie unter den Be- 
fehl eines der fähigsten deut- 
schen Führer, des General- 
obersten August von Macken- 
sen. Ihm und seiner Armee, 
verbunden mit österreichisch- 
ungarischen Truppen, ge- 
lang es, das bedeutsamste 
Ereignis des bisherigen Rin- 
gens herbeizuführen. 
Am 3. Mai meldete der 
k. k. Generalstab, daß öfter- 
reichisch-ungarische und deut- 
sche Kräfte die Russen in 
ihren seit Mo'naten herge- 
richteten und besetzten Stel- 
lungen in Westgalizien an- 
gegriffen und auf der ganzen 
Front Malastow - Eorlice- 
Gromnik geworfen hätten, 
über 8000 Gefangene hätten 
sie gemacht, dem Feinde 
schwere Verluste zugefügt, 
Geschütze und Maschinen- 
gewehre in bisher noch nicht 
festgestellter Zahl erbeutet, 
den Ubergang über den un- 
teren Dunajec erzwungen, 
auch in den Waldkarpathen 
östlich Koziowa seien die Russen geschlagen worden. Das 
klang schon sehr vielverheißend, aber wie groß der in 
Galizien erfochtene Sieg war, konnte daraus noch nicht 
erkannt werden, das erfuhr die Welt durch die Bekannt- 
machung der deutschen Obersten Heeresleitung, die an 
demselben Tage veröffentlicht wurde. Sie lautete: 
Im Beisein des Oberbefehlshabers Feldmarschall Erzherzog 
Friedrich und unter Führung des Generalobersten v. Mackensen 
haben die verbündeten Truppen gestern nach erbitterten Kämpfen 
die ganze russische Front in Westgalizien von nahe der 
ungarischen Grenze bis zur Mündung des Dunajec 
in die Weichsel an zahlreichen Stellen durchstoßen 
und überall eingedrückt. Diejenigen Teile des Feindes, 
die entkommen konnten, sind in schleunigstem Rückzug nach Osten, 
scharf verfolgt von den verbündeten Truppen. Die Trophäen 
des Sieges lassen sich noch nicht annähernd übersehen. 
Noch klarer wurde die Größe des errungenen Er- 
folges durch den ausführlichen Bericht der deutschen 
Heeresleitung, der in den nächsten Tagen veröffent- 
licht wurde: 
Völlig überraschend für den Feind hatten sich Ende April 
größere deutsche Truppentransporte nach Westgalizien voll- 
zogen. Diese Truppen, dem Befehl des Generals v. Mackensen 
unterstellt, hatten die russische Front zwischen Karpathenkamm 
und dem mittleren Dunajec im Verein mit den mittleren Armeen 
unserer österreichischen Verbündeten zu durchbrechen. Das 
Problem war ein neues und die Aufgabe keine leichte. Der 
Himmel bescherte unseren Truppen wundervollen Sonnenschein 
und trockene Wege. So konnten die Flieger und die Artillerie 
zu voller Tätigkeit gelangen und die Schwierigkeiten des 
Geländes, das hier den Charakter der Vorberge der deutschen 
Alpen oder den der Hörselberge in Thüringen trägt, über- 
wunden werden. Unter den größten Mühsalen mußte an 
verschiedenen Stellen die Munition auf Tragtieren heran- 
geschafft und die Kolonnen und 
Batterien über Knüppeldämme 
vorwärts gebracht werden. 
Alle für den Durchbruch not- 
wendigen Erkundungen und 
Vorbereitungen vollzogen sich 
reibungslos in aller Stille. Am 
1. Mai nachmittags begann die 
Artillerie sich gegen die russi- 
schen Stellungen einzuschießen. 
Diese waren seit 5 Monaten 
mit allen Regeln der Kunst 
ausgebaut worden. Stockwerk- 
artig lagen sie auf den steilen 
Vergkuppen und deren Hängen, 
mit Hindernissen wohl versehen, 
übereinander. An einzelnen, 
den Russen besonders wichtigen 
Geländepunkten bestanden bis 
zu je sieben Schützengraben- 
reihen hintereinander. Die An- 
lagen waren sehr geschickt ange- 
legt und vermochten sich gegen- 
seitig zu flankieren. Die Infan- 
terie der verbündeten Truppen 
hatte sich in den Nächten, die 
dein Sturm vorangingen, näher 
an den Feind herangeschoben 
und die Sturmstellungen aus- 
gebaut. In der Nacht vom 1. 
und 2. Mai feuerte die Artillerie 
in langsamem Tempo gegen 
die feindlichen Anlagen. Ein- 
gelegte Feuerpausen dienten 
den Pionieren zum Zerschneiden 
der Drahthindernisse. Am 2. Mai 
um 6 Uhr morgens setzte auf der 
ausgedehnten, viele Kilometer 
langen Durchbruchsfront ein 
überwältigendes Artilleriefeuer 
von Feldkanonen bis hinauf 
zu den schwersten Kalibern ein, 
das vier Stunden lang un- 
unterbrochen fortgesetzt wurde. Um 10 Uhr morgens schwiegen 
die Hunderte von Feuerschlünden. Im gleichen Augenblick 
stürzten sich die Schwarmlinien der Sturmkolonne der An- 
greiser auf die feindlichen Stellungen. Der Feind war durch 
schweres Artilleriefeuer derart erschüttert, daß an manchen 
Stellen sein Widerstand nur mehr ein geringer war. In 
kopfloser Flucht verließ er, als die Infanterie der Ver- 
bündeten dicht vor seine Gräben gelangte, seine Befestigungen, 
Gewehre und Kochgeschirre fortwerfend und ungeheure Mengen 
an Infanteriemunition und zahlreiche Tote in den Gräben 
zurücklassend. An einer Stelle durchschnitt er selbst seine Draht- 
Hindernisse, um sich den Deutschen zu ergeben. Vielfach leistete 
er in seinen nahe gelegenen zweiten und dritten Linien keinen 
nennenswerten Widerstand mehr. Dagegen wehrte sich der 
Feind an anderen Stellen der Durchbruchsfront verzweifelt, 
indem er erbitterten Widerstand versuchte. Nachbarschaft haltend 
mit den österreichischen Truppen, griffen bayerische Regimenter 
den 250 rn über ihren Sturmstellungen gelegenen Zamsczyko- 
Berg, eine wahre Festung, an. Ein bayerisches Infanterie- 
regiment errang sich dabei unvergeßliche Lorbeeren. Links der 
Bayern stürmten schlesische Regimenter die Höhen von Sekowo 
und Sokol. Junge Regimenter entrissen dein Feinde die hart- 
Eeneralfeldmarschall v. Mackensen, 
der siegreiche Führer in der für die deutschen und die österreichisch- 
ungarischen Waffen mit so gewaltigem Erfolge gekrönten Durchbruchs- 
schlacht in Westgalizien. Nach einem für die „Jllustrirte Zeitung" 
geschaffenen Gemälde von Professor Angelo Jank. 
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