Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

diesen Todesfällen, die England und Rußland, oder 
vielmehr den zurzeit in ihnen herrschenden Gewalt- 
habern, so überaus willkommen sein mußten, den 
reinen Zufall zu sehen. Die unverbesserlichen Friedens- 
und Beruhigungsmüller in Deutschland entrüsteten 
sich natürlich höchlichst, daß man dem Feind ohne 
zwingende Beweise so Böses zutrauen könnte. Aber 
ihre Entrüstung war Personen gegenüber wie Sir 
Edward Erey und Nicolai Nicolajewitsch sehr wenig 
Die kämpfe an der 
ie Kämpfe an der Westfront zeigten im Mai fast 
ganz dasselbe Bild wie im April: Verzweifelte 
Versuche der Franzosen und Engländer, die deutschen 
Linien zu durchbrechen, hie und da einen meist sehr 
geringen französisch-englischen Teilerfolg. Im großen 
und ganzen mißlangen alle ihre Angriffe. Als der 
Monat zu Ende ging, hatten sie so gut wie nichts 
erreicht. Alle Tapferkeit war vergeblich gewesen, alles 
Blut umsonst geflossen. An einigen Teilen der Front 
hatten sie sogar beträchtliche Schlappen erlitten, zahl- 
reiche Gefangene verloren und waren ein gutes Stück 
zurückgeworfen worden. 
An zwei Stellen tobte der Kampf mit besonderer 
Heftigkeit. Bei Arras und La Vassee und bei Ipern. 
Uber die Schlacht bei Arras und La Vassee, auch 
Schlacht an der Loretto-Höhe genannt, wurde in deut- 
schen Zeitungen von „berufener Seite" ein ausführ- 
licher Bericht gegeben. Er entrollte ein anschauliches 
Bild der furchtbaren Kämpfe, die im Westen geführt 
wurden, wo die Feinde Deutschlands mit der größten 
Ubermacht und einer fast unglaublichen Verschwendung 
von Munition die schwachen deutschen Linien immer 
und immer wieder angriffen und doch geschlagen 
wurden. Er lautet: 
Während in Galizien die verbindeten Armeen von Sieg 
zu Sieg eilen durften, hatte die Armee des Kronprinzen von 
Bayern einen Kampf zu bestehen, der nicht minder heiß, blutig 
und ruhmvoll war. Doch gab es hier kein Vorwärtsstürmen 
durch die Reihen des Feindes, keine Verfolgung der flüchtenden 
Scharen mit des Mannes und Nosses letztem Atemzug. Die 
vielleicht gerade dem deutschen Soldaten schwerste Aufgabe 
galt es zu erfüllen: In einer Verteidigungsstellung den An- 
stürm eines weit überlegenen, mit zahlreicher schwerer Artillerie 
und unerschöpflicher Munition ausgerüsteten Gegners ab- 
zuwehren. 
Denn Großes plante der Feind. Nicht etwa eine Ablenkung 
unserer Stärke von dem in Galizien verblutenden Verbündeten 
galt es. Die Versammlung so starker Kräfte, die Anwesenheit 
des französischen Oberbefehlshabers, die gewaltigen Anstren- 
gungen und die Hartnäckigkeit des Angreifers beweisen es, 
die erbeuteten Befehle bestätigen es: General Joffre erachtete 
den Augenblick für gekommen, die deutsche Front zu durch- 
stoßen, die verlorenen Provinzen und Belgien zu befreien und 
den Krieg an den Rhein zu tragen. Die Not des östlichen 
Verbündeten, der Zusammenbruch seiner Armeen in Galizien 
zwangen dazu, jetzt die Gelegenheit auszunutzen, da Deutsch- 
land scheinbar starke Kräfte nach dem Osten hinübergeschoben 
hatte. Gelang die entscheidende Operation diesmal nicht, so 
bestand die Gefahr, daß Rußlands Angriffskraft erdrückt, die 
Kraft der Deutschen auf dem westlichen Kriegsschauplatze ver- 
mehrt würde. 
Möglichst starke Kräfte galt es, zu diesem großen Ziele zu- 
sammenzuziehen, also nicht nur französische, sondern auch eng- 
lische Truppen dafür zu verwenden. So ergab sich von selbst 
am Platze. Und wenn einer von ihnen fragte, wie 
man sich denn eigentlich, wenn man so etwas von 
seinen Feinden glaube, den zukünftigen Frieden denke, 
den man doch etwa nicht mit Meuchelmördern schließen 
könne, so konnte ihm darauf kühl erwidert werden, 
daß es die deutsche Regierung beim Friedensschlüsse 
ganz sicherlich nicht mit den Leuten zu tun haben 
werde, die zurzeit in den feindlichen Ländern am 
Ruder waren. 
Westfront im 9Mai. 
als Schauplatz des Durchbruchs die Gegend, in der die beiden 
verbündeten Armeen einander berührten. 
Hier schien auch die taktische Lage nicht ungünstig für das 
Vorhaben. Die deutschen Truppen befanden sich nicht in für 
die Verteidigung sorgfältig ausgewählten Stellungen, sondern 
hielten im wesentlichen die Linien, wie sie aus der Offensive ent- 
standen waren. So konnte es nicht an schwachen Punkten fehlen. 
In dem fast ebenen Gebiete Flanderns zwischen der Gegend 
Armentieres und von La Bassee befand sich zwar kein aus- 
gesprochener Geländevorteil in der Hand der Engländer, immer- 
hin gab es, insbesondere in der Gegend östlich Festubert und 
bei La Vassee, manche vorspringende Teile unserer Linien, an 
denen eine Umfassung dem Feinde leicht möglich war. Be- 
günstigt wird hier der Angriff durch die Unübersichtlichkeit 
des dicht mit baumumpflanzten Gehöften besetzten Geländes. 
Das im Mai schon hohe Gras verdeckt den geschickt heran- 
kriechenden Infanteristen dem Verteidiger. Der Artillerie 
fehlen natürliche Beobachtungspunkte. Erst hinter unserer 
Linie von Radingham über Aubers-Fromelles zieht eine leichte 
Welle nach Violaines. 
Ein anderes Bild bietet die südlich davon liegende Land- 
schaft Artois. Hier bildet den südlichen Abschluß der Tiefebene 
ein etwa senkrecht zu unserer Front verlaufender langgedehnter 
und steil abfallender Höhenzug. Weithin erblickt man im Tief- 
land auf ihm den scharf abgesetzten Ostrand des Bois de 
Bouvigny, weithin leuchtete auch früher, als im Herbst zuerst 
unsere Reitergeschwader hierher kamen, die vielbesuchte Wall- 
fahrtskirche von Notre Dame de Lorette. Sie lag am äußersten 
östlichen Rande des schmalen gegen Westen noch ansteigenden 
Plateaus auf diesem Höhenzug und war in den Kämpfen seit 
dem Herbst völlig zerstört worden. Hier hatten die Deutschen 
schon seit dem Oktober Fuß gefaßt Schrittweise war es ihnen 
gelungen, in harten Kämpfen in den Wintermonaten einige 
hundert Meter weit vorzudringen. Immer aber noch blieb der 
ganze Wald im Besitz der Franzosen. So klammerten unsere 
Badener sich nur an einen kleinen Teil dieses Höhenzuges an, 
der von beiden Seiten umfaßt war. da unsere von La Vassee 
über Loos und Angres geführte Stellung von dort mit einer 
scharfen Spitze vorsprang über die Loretto-Höhe zu den beiden 
südlich davon in zwei durch die niedrige Höhe 125 geschiedenen 
Vachgründen tief gelegenen Orten Ablain und Carency. Von 
diesen Dörfern, deren Ausläufer noch in Feindeshand geblieben 
waren, zog die deutsche Linie scharf nach Südosten zurück 
und lief auf die westliche Vorstadt von Arras, St. Laurent, zu. 
Sie führte hier über La Targette dicht westlich des großen 
Dorfes Neuville im allgemeinen in der Tiefe zwischen zwei 
Höhenzügen. Der westliche, auf dem die zerschossenen gewaltigen 
Türme von Mont St. Eloy eine Landmarke des ganzen Ge- 
bietes bilden, bot den Franzosen treffliche Artilleriestellungen 
und in den Dörfern Eeurie und Roelincourt gute Stützpunkte. 
Der östliche Höhenzug steigt von dem im Carencybachtal 
tief gelegenen Orte Souchez aus stark zur Höhe 140 empor 
und senkt sich dann über La Folie zwischen Thelus und Baileul 
hindurch gegen die Scarpe. Die Besitznahme dieser Höhen, 
die die weite Ebene um Douai nach Westen abschließen und 
einer von dieser Stadt vordringenden Armee die erste günstige 
Stellung bieten, war im Oktober für uns von größter Wich- 
tigkeit gewesen. Ihr Verlust konnte uns schwer treffen. 
So bot für die Franzosen der Angriff auf den vorspringen- 
den Winkel bei der Loretto-Höhe und die anschließenden 
Stellungen gute Aussichten. 
Die ersten Tage des Monats Mai begünstigten die Fran- 
zosen. Das Wetter schränkte die Luftaustlärung sehr ein und 
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