diesen Todesfällen, die England und Rußland, oder
vielmehr den zurzeit in ihnen herrschenden Gewalt-
habern, so überaus willkommen sein mußten, den
reinen Zufall zu sehen. Die unverbesserlichen Friedens-
und Beruhigungsmüller in Deutschland entrüsteten
sich natürlich höchlichst, daß man dem Feind ohne
zwingende Beweise so Böses zutrauen könnte. Aber
ihre Entrüstung war Personen gegenüber wie Sir
Edward Erey und Nicolai Nicolajewitsch sehr wenig
Die kämpfe an der
ie Kämpfe an der Westfront zeigten im Mai fast
ganz dasselbe Bild wie im April: Verzweifelte
Versuche der Franzosen und Engländer, die deutschen
Linien zu durchbrechen, hie und da einen meist sehr
geringen französisch-englischen Teilerfolg. Im großen
und ganzen mißlangen alle ihre Angriffe. Als der
Monat zu Ende ging, hatten sie so gut wie nichts
erreicht. Alle Tapferkeit war vergeblich gewesen, alles
Blut umsonst geflossen. An einigen Teilen der Front
hatten sie sogar beträchtliche Schlappen erlitten, zahl-
reiche Gefangene verloren und waren ein gutes Stück
zurückgeworfen worden.
An zwei Stellen tobte der Kampf mit besonderer
Heftigkeit. Bei Arras und La Vassee und bei Ipern.
Uber die Schlacht bei Arras und La Vassee, auch
Schlacht an der Loretto-Höhe genannt, wurde in deut-
schen Zeitungen von „berufener Seite" ein ausführ-
licher Bericht gegeben. Er entrollte ein anschauliches
Bild der furchtbaren Kämpfe, die im Westen geführt
wurden, wo die Feinde Deutschlands mit der größten
Ubermacht und einer fast unglaublichen Verschwendung
von Munition die schwachen deutschen Linien immer
und immer wieder angriffen und doch geschlagen
wurden. Er lautet:
Während in Galizien die verbindeten Armeen von Sieg
zu Sieg eilen durften, hatte die Armee des Kronprinzen von
Bayern einen Kampf zu bestehen, der nicht minder heiß, blutig
und ruhmvoll war. Doch gab es hier kein Vorwärtsstürmen
durch die Reihen des Feindes, keine Verfolgung der flüchtenden
Scharen mit des Mannes und Nosses letztem Atemzug. Die
vielleicht gerade dem deutschen Soldaten schwerste Aufgabe
galt es zu erfüllen: In einer Verteidigungsstellung den An-
stürm eines weit überlegenen, mit zahlreicher schwerer Artillerie
und unerschöpflicher Munition ausgerüsteten Gegners ab-
zuwehren.
Denn Großes plante der Feind. Nicht etwa eine Ablenkung
unserer Stärke von dem in Galizien verblutenden Verbündeten
galt es. Die Versammlung so starker Kräfte, die Anwesenheit
des französischen Oberbefehlshabers, die gewaltigen Anstren-
gungen und die Hartnäckigkeit des Angreifers beweisen es,
die erbeuteten Befehle bestätigen es: General Joffre erachtete
den Augenblick für gekommen, die deutsche Front zu durch-
stoßen, die verlorenen Provinzen und Belgien zu befreien und
den Krieg an den Rhein zu tragen. Die Not des östlichen
Verbündeten, der Zusammenbruch seiner Armeen in Galizien
zwangen dazu, jetzt die Gelegenheit auszunutzen, da Deutsch-
land scheinbar starke Kräfte nach dem Osten hinübergeschoben
hatte. Gelang die entscheidende Operation diesmal nicht, so
bestand die Gefahr, daß Rußlands Angriffskraft erdrückt, die
Kraft der Deutschen auf dem westlichen Kriegsschauplatze ver-
mehrt würde.
Möglichst starke Kräfte galt es, zu diesem großen Ziele zu-
sammenzuziehen, also nicht nur französische, sondern auch eng-
lische Truppen dafür zu verwenden. So ergab sich von selbst
am Platze. Und wenn einer von ihnen fragte, wie
man sich denn eigentlich, wenn man so etwas von
seinen Feinden glaube, den zukünftigen Frieden denke,
den man doch etwa nicht mit Meuchelmördern schließen
könne, so konnte ihm darauf kühl erwidert werden,
daß es die deutsche Regierung beim Friedensschlüsse
ganz sicherlich nicht mit den Leuten zu tun haben
werde, die zurzeit in den feindlichen Ländern am
Ruder waren.
Westfront im 9Mai.
als Schauplatz des Durchbruchs die Gegend, in der die beiden
verbündeten Armeen einander berührten.
Hier schien auch die taktische Lage nicht ungünstig für das
Vorhaben. Die deutschen Truppen befanden sich nicht in für
die Verteidigung sorgfältig ausgewählten Stellungen, sondern
hielten im wesentlichen die Linien, wie sie aus der Offensive ent-
standen waren. So konnte es nicht an schwachen Punkten fehlen.
In dem fast ebenen Gebiete Flanderns zwischen der Gegend
Armentieres und von La Bassee befand sich zwar kein aus-
gesprochener Geländevorteil in der Hand der Engländer, immer-
hin gab es, insbesondere in der Gegend östlich Festubert und
bei La Vassee, manche vorspringende Teile unserer Linien, an
denen eine Umfassung dem Feinde leicht möglich war. Be-
günstigt wird hier der Angriff durch die Unübersichtlichkeit
des dicht mit baumumpflanzten Gehöften besetzten Geländes.
Das im Mai schon hohe Gras verdeckt den geschickt heran-
kriechenden Infanteristen dem Verteidiger. Der Artillerie
fehlen natürliche Beobachtungspunkte. Erst hinter unserer
Linie von Radingham über Aubers-Fromelles zieht eine leichte
Welle nach Violaines.
Ein anderes Bild bietet die südlich davon liegende Land-
schaft Artois. Hier bildet den südlichen Abschluß der Tiefebene
ein etwa senkrecht zu unserer Front verlaufender langgedehnter
und steil abfallender Höhenzug. Weithin erblickt man im Tief-
land auf ihm den scharf abgesetzten Ostrand des Bois de
Bouvigny, weithin leuchtete auch früher, als im Herbst zuerst
unsere Reitergeschwader hierher kamen, die vielbesuchte Wall-
fahrtskirche von Notre Dame de Lorette. Sie lag am äußersten
östlichen Rande des schmalen gegen Westen noch ansteigenden
Plateaus auf diesem Höhenzug und war in den Kämpfen seit
dem Herbst völlig zerstört worden. Hier hatten die Deutschen
schon seit dem Oktober Fuß gefaßt Schrittweise war es ihnen
gelungen, in harten Kämpfen in den Wintermonaten einige
hundert Meter weit vorzudringen. Immer aber noch blieb der
ganze Wald im Besitz der Franzosen. So klammerten unsere
Badener sich nur an einen kleinen Teil dieses Höhenzuges an,
der von beiden Seiten umfaßt war. da unsere von La Vassee
über Loos und Angres geführte Stellung von dort mit einer
scharfen Spitze vorsprang über die Loretto-Höhe zu den beiden
südlich davon in zwei durch die niedrige Höhe 125 geschiedenen
Vachgründen tief gelegenen Orten Ablain und Carency. Von
diesen Dörfern, deren Ausläufer noch in Feindeshand geblieben
waren, zog die deutsche Linie scharf nach Südosten zurück
und lief auf die westliche Vorstadt von Arras, St. Laurent, zu.
Sie führte hier über La Targette dicht westlich des großen
Dorfes Neuville im allgemeinen in der Tiefe zwischen zwei
Höhenzügen. Der westliche, auf dem die zerschossenen gewaltigen
Türme von Mont St. Eloy eine Landmarke des ganzen Ge-
bietes bilden, bot den Franzosen treffliche Artilleriestellungen
und in den Dörfern Eeurie und Roelincourt gute Stützpunkte.
Der östliche Höhenzug steigt von dem im Carencybachtal
tief gelegenen Orte Souchez aus stark zur Höhe 140 empor
und senkt sich dann über La Folie zwischen Thelus und Baileul
hindurch gegen die Scarpe. Die Besitznahme dieser Höhen,
die die weite Ebene um Douai nach Westen abschließen und
einer von dieser Stadt vordringenden Armee die erste günstige
Stellung bieten, war im Oktober für uns von größter Wich-
tigkeit gewesen. Ihr Verlust konnte uns schwer treffen.
So bot für die Franzosen der Angriff auf den vorspringen-
den Winkel bei der Loretto-Höhe und die anschließenden
Stellungen gute Aussichten.
Die ersten Tage des Monats Mai begünstigten die Fran-
zosen. Das Wetter schränkte die Luftaustlärung sehr ein und
336