Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

einer, der das selbst durchgemacht hatte, „wimmelte 
es von Männern, Frauen und Kindern, die zusammen- 
gepfercht auf Stroh lagen, ohne Decken für die Nacht, 
ohne Licht, und vor jeder Zelle stand ein Posten mit 
ausgepflanztem Bajonett." Und worin bestand das 
„Verbrechen" dieser Leute, wofür man sie quälte und 
mißhandelte? Darin, daß sie den ins Elsaß einfallenden 
Franzosen von verräterischen Schurken, wie dem bis- 
herigen Reichstagsabgeordneten Abbe Wetterle und 
Weil! und anderem Gesindel, als besonders gute Deutsche 
angezeigt worden waren. Ihre Wegführung und Miß- 
Handlung war ein reiner Racheakt, hatte mit einer 
Sicherheit der französischen Kriegszwecke, durch die 
eine Aushebung von Geiseln begründet werden konnte, 
gar nichts zu tun. 
Erging es nun schon den Zivilgefangenen so elend, 
so konnte sich jedermann denken, wie es den Militär- 
gefangenen erging. In der Tat ist die Behandlung 
der Gefangenen eines der trübsten Kapitel dieses 
Krieges. Drei der kämpfenden Staaten: Deutschland, 
Österreich-Ungarn und Japan, behandelten ihre Ge- 
fangenen menschlich und dem Völkerrecht entsprechend. 
Sie sorgten für angemessene Unterkunft, ausreichende 
Verpflegung und vermieden jede unnötige Härte. In 
England war die Behandlung sehr ungleich. In 
einem der dortigen Gefangenenlager brach infolge 
der elenden Unterkunft und Beköstigung ein Aufruhr 
aus, der mit blutiger Strenge unterdrückt wurde, an 
anderen Orten war die Behandlung befriedigend. 
Was die deutschen und österreichisch-ungarischen Gefan- 
genen in Rußland erdulden, wird erst nach dem Kriege 
zutage kommen, denn während des Krieges, wenig- 
stens in den ersten zehn Monaten, drang wenig davon 
über die russische Grenze. Was man aber hörte, war 
nicht eben ermutigend für die Angehörigen der in 
Rußland Gefangenen, denn die litten dort vielfach 
Hunger und hatten von der Kälte vieles auszustehen, 
auch wurden einzelne Fälle empörender Mißhand- 
lungen bekannt. Immerhin konnte dabei den Russen 
die Entschuldigung zugebilligt werden, daß sie selbst oft 
Mangel litten und daß in dem klassischen Lande der 
Unordnung nichts bereitwar zur Unterbringung vonGe- 
fangenen. Frankreich dagegen hatte diese Entschuldigung 
nicht, und es muß gesagt werden, daß es alle übrigen 
Nationen, dieSerben vielleicht ausgenommen,anRoheit 
und Gemeinheit in der Behandlung der Gefangenen 
weit in den Schatten stellte. Es gab allerdings einige 
Gefangenenlager in Frankreich, deren Insassen halb- 
wegs menschlich behandelt wurden. Das waren die- 
jenigen, die amerikanischen Menschenfreunden gezeigt 
wurden, wenn solche kamen, um sich persönlich davon 
zu überzeugen, wie die „große Nation" ihre Gefan- 
genen behandele. Es gab aber auch solche, wo die 
französische Verwaltung geradezu darauf hinzuarbeiten 
schien, daß möglichst wenige in die Heimat zurückkehren 
sollten. „Die Männer sollen leiden"! Dieses Wort 
eines französischen Arztes ist bezeichnend für den Geist, 
der in solchen Gefangenenhöllen waltete. Man schleppte 
die Unglücklichen übers Meer nach Eorsika, nach Nord¬ 
afrika, sogar nach Dahomey und ließ sie dort bei un- 
zureichender Nahrung in glühendem Sonnenbrand 
unter der Peitsche schwarzer Aufseher die härtesten 
und niedrigsten Arbeiten verrichten. Viele gingen da- 
bei elend zugrunde. Anfang Juni sah sich endlich die 
deutsche Regierung genötigt, Vergeltungsmaßregeln 
zu ergreifen und schickte einige tausend Franzosen zur 
Arbeit in die Moorkulturen, wodurch sie angeblich eine 
Besserung der Zustände in Frankreich erreichte. Der 
Öffentlichkeit gegenüber rechtfertigte sie diese Maßregel 
durch die amtliche Veröffentlichung der französischen 
Greuel, die sie in Erfahrung gebracht hatte. Es heißt da: 
Zurzeit befinden sich annähernd 400 deutsche Kriegs- und Zivil¬ 
gefangene in Dahomey, teils aus Kamerun, teils aus Togo, lind 
mehrere Tausende von Kriegs- und Zivilgefangenen in Marokko 
uud Tunis und den anderen französischen Besitzungen. 
Ubereinstimmende sichere Nachrichten besagen, daß unsere 
Deutscheu dort, an den verschiedensten Plätzen verteilt, uud 
besonders in Dahomey geradezu schmachvoll behandelt werden. 
Zum größten Teil müssen sie in glühender Sonnenhitze schwere 
körperliche Arbeiten verrichten (Wegearbeiten,Steineklopfen usw.) 
In Dahomey ist ihre Bekleidung völlig unzureichend. Sie 
durften nichts aus Kamerun oder Togo mitnehmen; in den 
leichten Sachen wurden sie im Herbst 1914 nach Dahomey ge- 
bracht. „Abgerissen", mit leichten Kopfbedeckungen, verrichten 
sie ihre Arbeit. 
Sie wurden fast nie in Europäerwohnungen gebracht, 
sondern leben in selbsterbauten Lehm- oder Strohhütten, ohne 
Moskitonetze, auf Strohmatten, ja auf dem nackten Fußboden. 
Zum Teil zimmerten sie sich ihre Betten selbst. Sie müssen 
selbst kochen, eine Bedienung wird ihnen zum Teil versagt. 
Die Bewachung geschieht in entwürdigender Weise durch 
Schwarze, die den Weißen ihre Macht zeigen. Die französische 
Zeitschrift „Minoir" hatte sogar die Stirn, dies in einem Bilde 
zu bringen, das von einem höhnischen Kommentar begleitet war. 
Es fehlt an den nötigen Medizinen, wie Chinin usw., uud 
an ärztlicher Hilfe. Ein französischer Arzt sagte: „Die Männer 
sollen leiden." 
Das Klima in Dahomey ist eines der mörderischsten der 
ganzen Westküste Afrikas; nicht nur deutsche, sondern auch 
französische Fachleute haben sich in diesem Sinne geäußert. 
Gelbes Fieber, Schwarzwasserfieber, Malaria sind an der 
Tagesordnung. Man kann sich nur mit Hilfe von Moskito- 
netzen gegen die Insekten schützen. Wenn es auch Orte geben 
mag, die für die Europäer einigermaßen bewohnbar sind, so 
ist das Klima im allgemeinen eines der ungesündesten. 
Nicht besser ergeht es unseren Kriegsgefangenen in Nord- 
afrika. Mit dem fortschreitenden Sommer erhöhen sich dort 
die Tagestemperaturen auf 80 und 60 Grad Celsius. Ohne 
Tropenhelme müssen unsere braven Soldaten in dieser Glut- 
Hitze schwerste Arbeiten verrichten. Das einzige, was die 
französische Regierung bis jetzt zugestanden hat, ist eine Ver- 
längeruug der Mittagpause von 11 bis 3 Uhr. Nach überein- 
stimmenden Urteilen von Fachmännern ist es für Europäer 
und noch dazu solche, die des Klimas ungewöhnt sind, ohne 
Gesundheitsschädigung unmöglich, diese Arbeiten auszuführen. 
Noch schlimmer erscheint es, daß die Franzosen auch Ver- 
wundete und Kranke nach Afrika gebracht haben und ohne 
Erbarmen zur Arbeit zwingen. 
Die Ernährung ist auch hier durchaus unzureichend. Die 
Pakete aus der Heimat kommen in den meisten Fällen be- 
raubt oder gar nicht an; auch die Geldsendungen gehen sehr 
unregelmäßig ein. 
Die Strafen sind außerordentlich grausam, eine Tatsache, 
die aus der Fremdenlegion schon längst bekannt ist. 
Vielfach haben Kriegsgefangene aus Verzweiflung über ihre 
Lage den Lockungen zum Eintritt in die Fremdenlegion nach- 
gegeben, wo sie es natürlich auch nicht besser haben. 
Aus einer großen Anzahl von Briefen hört man überein- 
stimmend die erschütternden Klagen über die Leiden unserer 
gefangenen Krieger in Afrika heraus. 
Hierbei ist zu bedenken, daß alle Postsachen der Prüfung 
durch die Zensur unterliegen und die Leute nicht das schreiben 
können, was sie wollen. Aber durch die eidlichen Aussagen 
zurückgekehrter Frauen und Missionare und in durchgeschmug- 
gelten Nachrichten zeigt sich stets dasselbe traurige Bild. 
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