Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

raschten Besatzung wurde ein großer Teil niedergeschossen, 
worauf jedoch drei ganz versteckte Strandbatterien ein heftiges 
Feuer aus zirka 12-cm-Geschützen auf den vor der Kanal- 
niündung liegenden Kreuzer „Novara" und Torpedoboot 80 
eröffneten. Letzteres erhielt einen Treffer in der Offiziers- 
messe, wobei ein Mann schwer verletzt und das Boot leck wurde. 
„Novara" führte das Feuergefecht fort, um dem Zerstörer und 
dem Torpedoboot aus der mißlichen Lage herauszuhelfen, 
enfilierte den Schützengraben, demolierte eine Kaserne, erhielt 
aber viele Treffer. Linienschiffsleutnant Persich und vier Mann 
tot, vier Mann schwer, mehrere leicht verwundet. Aber die 
Verluste des Feindes sind vielleicht zehn- bis zwanzigmal 
schwerer. „Scharfschütze" kam vollkommen unversehrt davon, 
Torpedoboot 80 mit Lecktuch nach Pola. In Nimini wurden 
vom Panzerkreuzer „St. Georg" Bahnhof und Brücke beschossen. 
In Senigallia wurden von S. M. S. „Zriny" Eisenbahnbrücke, 
Wasserturm, Hafenanlage, Stationsgebäude und ein Zug demo- 
liert, letztere zwei und ein nahe gelegenes Gebäude verbrannten. 
In Ancona wurden vom Gros der Flotte alte Befestigungen, 
das Artillerie- und Kavallerielager, die Werften, elektrische 
Zentrale, Bahnhof, Gasometer, Petroleumdepot, Semaphor und 
Radiostation beschossen und durch abirrende Geschosse und 
Brände ein ungeheurer Schaden angerichtet. Zwei Dampfer 
im Hafen wurden versenkt, und der auf der Werft neugebaute, 
der schon für den Stapellauf fast klar wnr, demoliert. Wider¬ 
stand wurde nur von einer leichten Batterie und einigen 
Maschinengewehren gegen zwei Zerstörer geleistet. In dem 
einzigen modernen Fort „Alfredo Savio" stand zwar bei Be- 
ginn der Beschießung die Besatzung an den Geschützen, aber 
zwei unserer im richtigen Augenblick erscheinenden Flieger ver- 
trieben sie mit Maschinengewehrfeuer so gründlich, daß sie nicht 
wieder zurückkehrten. Diese Flieger und ein dritter haben auch 
die Ballonholle in Chiaravalla landeinwärts und mehrere mili- 
tärische Objekte mit dreißig Bomben beworfen. Das Luftschiff 
„Citta die Ferrara" warf mehrere Bomben erfolglos gegen 
S. M. S. „Zriny" und versuchte die abziehende Flotte an- 
zugreifen, suchte aber schleunigst das Weite, als zwei Flieger 
herbeiflogen, die übrigens alle ihre Bomben schon verworfen 
hatten. Dasselbe oder ein anderes Luftschiff war schon eine 
halbe Stunde nach Mitternacht von der Flotte auf halbem 
Wege Pola—Ancona im Gegenkurse gesichtet worden und 
zweifellos auf dem Wege nach Pola. Als aber drei es be- 
gleitende Fahrzeuge vor dem Geschützfeuer entflohen, kehrte 
das Luftschiff auch gleich um und verschwand gegen Nordwest, 
ohne, wie es scheint, die Flotte selbst gesehen zu haben. Die 
Eisenbahnbrücke über den Potenzafluß wurde von S. M. S. 
„Radetzky" beschossen und beschädigt. S. M. S. „Admiral 
Spaun" mit vier Zerstörern beschoß die Eisenbahnbrücke über 
den Sinarcafluß, die Eisenbahnstation, Lokomotiven, Pumpen- 
Haus usw. in Campo Marino, demolierte den Semaphor von 
Tremiti und beschädigte den von Torre di Mileto. S. M. S. 
„Helgoland" mit drei Zerstörern beschoß Bieste und Man- 
fredonia und stieß bei Barletta auf zwei italienische Zerstörer, 
die es sofort unter Feuer nahm und verfolgte, der eine ent- 
kam, der zweite, „Turbine", wurde von unseren Zerstörern 
„Csepel" und „Tatra" gegen Pelagosa abgedrängt und durch 
einen Granattreffer in eine Maschine und einen Kessel lahm- 
geschossen und blieb gestoppt, brennend und sinkend liegen. 
Er ergab sich. „Csepel", „Tatra" und „Lika" retteten 35 Mann 
der Besatzung, darunter den Kommandanten, Gesamtdetail- 
Offizier und Maschmenvorstand, und nahmen sie gefangen. 
Das Rettungswerk wurde von zwei von Nordost bis auf 9000 rn 
herankommenden Schlachtschiffen, Typ „Vittorio Emmanuele", 
und einem AuXiliarkreuzer gestört. Im darauffolgenden Feuer- 
gefecht erhielt nur „Csepel" einen unbedeutenden Treffer, wobei 
ein Mann schwer, zwei Mann leicht verwundet wurden. Das 
Feuer wurde von „Helgoland" und den Zerstörern anscheinend 
mit gutem Erfolg erwidert. Nächste Distanz 8000 m. Nach 
kurzer Zeit waren unsere Schiffe außer Schußdistanz. Außer 
den angegebenen hatte die k. uud k. Flotte keinerlei Verluste. 
Italien hatte dreiviertel Jahr lang gerüstet, ehe 
es den Krieg erklärte, und doch war es das zuerst 
Angegriffene, und die Erfolge der Österreicher brachten 
den Italienern einen gewaltigen Sachschaden bei und 
zerstörten wichtige Verbindungswege. Zu Land waren 
es allerdings die Italiener, die den Kampf eröffneten, 
und triumphierend verkündeten ihre Zeitungen, daß 
ihre Vortruppen überall in das „unerlöste Italien" 
eindrängen. Sie logen damit nicht. Die Österreicher, 
jetzt zum Angriff noch zu schwach, zogen sich auf ihre 
starken Verteidigungslinien zurück und waren deshalb 
genötigt, kleine Teile ihres Gebietes den Feinden einst- 
weilen zu überlassen. Die eindringenden Truppen 
Viktor Emanuels machten übrigens dabei die höchst 
betrübende Erfahrung, daß die Mehrzahl der Bevöl- 
kerung ihnen durchaus keine Neigung entgegenbrachte, 
sondern sie mit finsterem Schweigen empfing. Die 
Haltung der undankbaren „Unerlösten" war so, daß 
ihre „Befreier" eine große Menge Verhaftungen vor- 
nehmen, Geiseln hinwegführen, wirkliche und vermeint- 
liche Spione erschießen mußten. Schon das war ent- 
mutigend und noch entmutigender mußte es wirken, 
daß alle die kleinen Zusammenstöße mit österreichisch- 
ungarischen Truppen, die bis Ende Mai sich ereigneten, 
für die Italiener ungünstig verliefen. „Wenn sie von 
uns beschossen wurden, kehrten sie um", sagte die öfter- 
reichische Heeresleitung von den berühmten Alpini, 
dem Stolze der italienischen Armee. 
Vorläufig konnte das alles dem italienischen Volke 
verschwiegen werden und wurde ihm natürlich sorg- 
fältig verschwiegen. Auch von der Beschießung der 
Ostküste erfuhr die Menge nur das Notdürftigste. 
Darum trat in diesen ersten Kriegstagen noch keine 
Dämpfung der Raserei ein, sondern sie stieg bis zur 
Tollwut und führte am 27. und 28. Mai in Mailand 
zu abscheulichen Ausschreitungen gegen die Deutschen 
und Österreicher. Einzelne Fremde waren schon vor- 
her da und dort in italienischen Städten gemißhandelt 
worden, hier aber brach eine Bewegung aus, die sich 
planmäßig zwar nicht gegen das Leben, aber gegen 
die Habe der Deutschen richtete, wobei aber, aller- 
dings wohl wider den Willen der Anstifter, der ver- 
hetzte Pöbel auch mehrere der verhaßten „Tedeschi" 
totschlug und viele mißhandelte. Alle Häuser und 
Geschäfte, die Deutschen. Österreichern und Ungarn 
gehörten, wurden verwüstet, geplündert, zum Teil 
sogar ausgebrannt. Das geschah an Hunderten von 
Stellen, und wohlgekleidete, offenbar den besseren 
Ständen angehörende Männer führten die brüllende, 
tobende und johlende Masse an, hetzten sie aus und 
wiesen ihr nach Listen die Häuser an, wo sie ihr 
Zerstörungswerk in Angriff nehmen konnte. Dabei 
wurden auch sehr viele Wohnungen von Schweizern 
zerstört und von Italienern, die deutsche Namen trugen. 
Erst nach zwei Tagen vermochte das Militär der wüten- 
den Menge Herr zu werden. Die „Barbaren jenseits 
der Alpen" hätten für diese Roheit leicht Vergeltung 
ausüben können, denn viele Tausende von Italienern 
befanden sich in ihrem Lande, aber es wurde keinem ein 
Haar gekrümmt. Nur in Berlin war kurz vor dem 
Ausbruch des Krieges eine Ausschreitung vorgekommen. 
Ein halbwüchsiger Vengel hatte dem italienischen Bot- 
schafter den Hut vom Kopfe geschlagen, worauf ihm die 
Umstehenden sofort die wohlverdienten Prügel verab- 
reicht und ihn der Wache übergeben hatten. Eine amt- 
liche Entschuldigung der deutschen Negierung erfolgte 
in Rom auf der Stelle, sonst ist aus keiner deutschen 
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