Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

in die Kriegstrompete mit einstoßen wollten. Uber bas Maß 
der österreichischen Konzessionen wurde das italienische Volk 
geflissentlich im Dunkel gehalten. So kam es, daß nach dem 
Rücktritt des Kabinetts Salandra sich niemand mehr fand und 
niemand mehr den Mut hatte, ein neues Kabinett zu bilden, 
und daß in den entscheidenden Debatten über die Kriegs- 
vollmachten kein Redner der konstitutionellen Parteien des 
Senats oder der Kammer den Wert der weitgehenden öfter- 
reichischen Konzessionen an die nationalen Wünsche des italie- 
nischen Volkes auch nur zu würdigen versucht hatte. In dem all- 
gemeinen Kriegstaumel mußte die ehrliche Politik verstummen. 
Wenn einst, wie wir hoffen und wünschen, eine Ernüchterung 
bei dem italienischen Volke eingetreten sein wird, dann werden 
ihm auch die Augen darüber aufgehen, wie leichtfertig es in 
diesen Krieg hineingehetzt worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) 
Wir, meine 
Herren, haben 
alles getan, die 
Abkehr Italiens 
vom Dreibunde 
zu verhüten. Uns 
fiel dabei die un- 
dankbare Rolle 
zu, dem treu ver- 
bündeten Oster- 
reich-Ungarn,mit 
dessen Armeen 
unsere Truppen 
tagtäglich Wun- 
den, Tod und 
Sieg teilen, an- 
zusinnen,dieVer- 
tragstreue des 
Dritten durchAb- 
tretung aller wich- 
tiger Gebietsteile 
zu erkaufen. 
In Zorn 
und Abscheu 
gegen die nie- 
derträchtigen 
Anstifter des 
Verrates, den 
ehrvergessenen 
König und die 
durch englisches Geld gekauften Minister, war das 
deutsche Volk mit dem Kanzler völlig einig. Und 
wie der Leiter der deutschen Regierung, so empfand 
es jedermann in Deutschland als etwas ganz Selbst- 
verständliches, daß man auch diesem neuen Feinde 
gegenüber Österreich-Ungarn die Bundestreue halten 
müsse. Die Italiener hatten sich, indem sie den Oster- 
reichern den Krieg erklärten, ganz von selbst auch mit 
Deutschland in Kriegszustand gesetzt, darüber gab es 
nirgendwo im Reiche auch nur den leisesten Zweifel. 
Eine amtliche Kriegserklärung wurde aber zunächst 
nicht an Italien gerichtet, und gerade das empörte 
die Italiener im höchsten Grade. Sie sahen darin 
ein Zeichen schweigender Verachtung, und sie täuschten 
sich damit nicht. Daß Deutschland, wenn es auch zu- 
nächst schwieg, fest entschlossen war, zu Osterreich- 
Ungarn zu halten, das zeigte der sofortige Abbruch der 
diplomatischen Beziehungen. Am Abend des 23. Mai 
verließen der deutsche Botschafter Fürst Bülow und 
der bayerische Gesandte die italienische Hauptstadt, und 
zugleich mit ihnen reisten die preußischen und bayerischen 
Gesandten am Vatikan ab, um zunächst auf schweizeri- 
schem Boden in Lugano ihre Zelte aufzuschlagen. 
Auch der österreichisch-ungarische Gesandte beim päpst¬ 
lichen Stuhl mußte die ewige Stadt verlassen. Es 
zeigte sich jetzt, daß die Hoheitsrechte, die das König- 
reich Italien dem Papst feierlich verbürgt hatte, eitel 
Dunst und Rauch waren. Benedikt X V. war den Kriegs- 
Hetzern sehr verdächtig und unbequem, denn es fiel 
ihm nicht ein, mit in ihr Horn zu stoßen. Er be- 
klagte vielmehr den Eintritt Italiens in den Krieg als 
ein großes Unglück, weil er den Frieden verzögere, 
hütete sich vor jeder' Parteinahme und tat in an- 
erkennenswertester Weise alles, was der Herbeiführung 
des Friedens dienen konnte. Deshalb nahmen Zei- 
tungen und 
Volksmassen 
eine drohende 
Haltung gegen 
ihn an, er durf- 
te es nicht wa- 
gen, Gesandte 
feindlicher Na- 
tionen, wäh- 
rend der Krieg 
tobte, in seinem 
Palaste zuhal- 
ten, er mußte 
sie ziehen lassen 
und konnte so- 
gar nicht ver- 
hindern, daß 
sein freier Ver- 
kehr mit den 
Gläubigen al- 
ler Länderein- 
geengt wurde, 
und daß die 
italienische Re- 
gierung die Briefschaften des Heiligen Stuhles auf- 
brechen und durchschnüffeln ließ. Auf den Einspruch 
des Papstes hin entschuldigte sich dafür Salandra, der 
ein lebhaftes Gefühl dafür befaß, daß man durch Brüs- 
kierung des Papstes Italien keinen Dienst erwies, 
aber die Lage, in der Benedikt sich befand, war 
doch eine äußerst klägliche für das Oberhaupt der 
katholischen Kirche, und die Klage der Päpste, sie 
seien seit 1870 Gefangene im Vatikan, erhielt jetzt 
wirklich Berechtigung. Trotzdem lehnte Benedikt eine 
Einladung des Königs von Spanien ab, wahrschein- 
lich im Gedenken an die wenig rühmliche Eaeilzeit, 
die das Papsttum schon einmal durchgemacht hatte. 
Unbehaglich genug mußte er sich ja wohl fühlen in 
der Mitte eines Volkes, das bis zur Fieberglut auf- 
geregt war. In Rom war niemand, der in das wüfte 
Kriegsgeschrei nicht einstimmte, seines Lebens sicher, 
und die lärmenden Kundgebungen vor den Botschafter- 
Wohnungen Englands, Frankreichs und Rußlands, 
die Straßenaufzüge und öffentlichen Reden wollten 
kein Ende nehmen. Inzwischen handelte Osterreich- 
Ungarn. Schon am 24.erfuhr die Welt mit Staunen, 
daß die österreichisch-ungarische Flotte, die an Zahl 
und Stärke der italienischen noch nicht zur Halste 
Blick auf Ancona an der Ostküste Italiens. 
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