Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

Botschafter in Rom, Grcif Monis, hatte schon da- 
mals geraten, den ungetreuen Bundesgenossen ab- 
zuschütteln, aber seine Stimme war nicht gehört 
worden. Der Dreibund war erneuert worden und 
bestand, als Osterreich-Ungarn und Deutschland in den 
Krieg eintraten. 
Italien war nach dem Wortlaute des Vertrages nicht 
verpflichtet, am Kriege teilzunehmen, und das wurde 
von den beiden mitteleuropäischen Mächten auch gar 
nicht verlangt, wohl aber war es zu wohlwollender 
Neutralität verpflichtet, und diese wohlwollende Neu- 
tralität war durch keinen geringeren als durch den 
König Viktor Emanuel selbst beim Kriegsbeginn am 
Z.August 1914 
dem Kaiser 
Franz Joseph 
noch besonders 
zugesagt wor- 
den. Der Mar- 
chese di San 
Guiliano, Jta- 
liens 
tiger Minister, 
bestätigte das 
dein deutschen 
Botschafter in 
Rom, und die 
von der rö- 
mischen Ne- 
gierung beein- 
flußte Zeitung 
„Tribuna" 
erklärte am 
4.August: 
„Jtalienrvird 
an einem Kriege 
vorläufig nicht 
teilnehmen; es 
behält sich aber vor, zur Wahrung seiner Interessen Mittel 
und Wege zu erwägen, um seinen Verbündeten freundschast- 
lich nützen zu können." 
Das schien ehrlich gemeint zu sein, und da es auch 
den wirklichen Interessen Italiens, das eine friedliche 
Entwicklung dringend nötig hatte, durchaus entsprach, 
so wurde es in Berlin und Wien für bare Münze 
genommen. Das Vertrauen stieg noch, als am 3. Sep- 
tember der Ministerpräsident Salandra eine ihm zu 
sehr günstigen Bedingungen angebotene französische 
Anleihe von einer Milliarde Lire ablehnte und er- 
klärte, Italien beabsichtige nicht, eine auswärtige An- 
leihe aufzunehmen. Damals mag freilich auch der 
König und ein großer Teil seiner Minister geneigt 
gewesen sein, wirkliche Neutralität zu beobachten. Aber 
eine starke Säule des Dreibundes sank dahin, als am 
16. Oktober San Guiliano starb. Er war ein auf- 
richtiger Freund Deutschlands und wußte, daß bei 
dein Bund mit den beiden mitteleuropäischen Groß- 
inächten Italien immer nur der empfangende Teil 
gewesen war. Es verdankte ihrem Schutze den 
Frieden, und es verdankte es ihnen allein, daß es 
ohne Einspruch Frankreichs sich Tripolitaniens hatte 
Ansicht von Trient, der Hauptstadt des 
bemächtigen können. Damals hatten die beiden 
ihren Schild über den eigenmächtigen Bundesgenossen 
gehalten, so peinlich auch in Berlin die Verletzung 
der Türkei durch Italien empfunden worden war. 
Das alles wußte der Erbe Erispis gar wohl und 
handelte darnach. Die übrigen leitenden Männer 
Italiens mußten es freilich auch wissen, aber sie 
handelten nicht darnach. Der Einfluß derer, die 
Italien zum Anschluß an die Mächte des Drei- 
Verbandes bewegen wollten, wurde von Tag zu 
Tag größer. An ihrer Spitze stand die Königin 
Elena, des Königs von Montenegro schöne Tochter, 
die ihren Gatten, den Rc Piccolo, nicht nur körperlich 
weit überragte. 
Als Tochter 
ihres Vaters, 
Schwester der 
Cerbenkönigin 
und zweier rus- 
sischer Groß- 
fürstinnen, bot 
sie natürlich 
ihren ganzen 
Einfluß auf, 
Italien den 
Dreiverbands- 
mächten in die 
Arme zu trei- 
und das 
englische Gold 
tat das übrige. 
So wuchs 
die Kriegspar- 
tei täglich. Die 
Negierung ver- 
Trentino. <Phot, Dr. Trcnller & Co., Leipzig.) kündete aller- 
dings bei den 
verschiedensten Anlässen immer wieder ihren Willen 
zur Neutralität, aber Italien rüstete dabei, zog iminer 
mehr Reserven ein und brachte das Heer und die 
Flotte allmählich auf Kriegsstand. Wunderbarerweise 
wurde Armeekorps über Armeekorps an der öfter- 
reichischen Grenze aufgestellt, während die Grenze 
gegen Frankreich kaum besetzt wurde. Infolgedessen 
inußte Osterreich-Ungarn eine starke Streitmacht seinen 
russisch-serbischen Kämpfen entziehen, während Frank- 
reich feine Alpenjäger und Alpenregimenter ruhig 
gegen die Deutschen verwenden konnte. Eine eigen- 
artige Neutralität, die in Wien und Berlin als sehr 
befremdlich empfunden wurde! 
Schon im Dezember scheint die italienische Regie- 
rung ihre Erpressungsversuche in Wien begonnm zu 
haben. Das Ministerium Salandra war am 31. Ok- 
tober wegen Unstimmigkeiten zwischen dem König 
und dem Finanzminister zurückgetreten, aber der 
König hatte den Ministerpräsidenten mit der Bildung 
eines neuen Kabinetts betraut, das am 5.November 
zusammengetreten war. In dieses neue Ministerium 
Salandras war nun der Mann gekommen, der neben 
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