niemand darüber im unklaren, daß sie in der
strengsten Neutralität zu verharren wünschten, und
sie hielten auch alle Gebote der Neutralität in
ehrenhafter Weise. In Spanien war von jeher eine
Partei für den Anschluß an Frankreich gewesen, denn
die „Phrase von der lateinischen Schwesternation"
verwirrte auch hier die Köpfe aber sie drang nicht
durch, und es bestand auch keine Aussicht darauf,
daß sie den Sieg erringen könne. Dazu war das
Mißtrauen gegen England viel zu tief eingewurzelt.
Die Schmach von Gibraltar brannte dem stolzen Volke
auf der Seele, und jeder einsichtige
Spanier 'mußte sich ja sagen,
daß ein Sieg Englands nicht
nur die Verewigung die
ser Schmach bedeuten
würde, sondern daß
in diesem Falle
auch die spani-
schen Besitzun-
gen in Nord-
afrika schwer
bedroht wä-
ren. Die Eng-
länderscheinen
deshalb dieVe-
mühungen, Spa-
menin den Krieg
hineinzuziehen,mit
der Zeit aufgegeben
zu haben. Sie fanden
dort zu wenig Entge-
genkommen. Ein Teil der
öffentlichen Meinung war sogar
entschieden deutschfreundlich. : In
Amerika wurde selbstverständlich
so weiter gehetzt und geschürt und
mit Lüge und Bestechung gear-
beitet wie am Anfang des Kriege
oder vielmehr schon vor dem Kriege.
Es mußte auf alle Fälle verhin-
dert werden, daß der Einfluß der
Deutschamerikaner und der Iren
ein Ausfuhrverbot für Kriegsbedarf und Waffen er-
zwang, denn geschah das, so konnte England den Krieg
einfach nicht weiterführen. Ob die englischen Staats-
männer wirklich so töricht waren, zu wünschen, Amerika
inöge am Krieg teilnehmen, ist kaum zu denken, denn
dann hätte Amerika seine Lieferungen einstellen müssen,
um erst einmal seine eigenen Arsenale zu füllen. Es
hätte sich auch durch Beschlagnahme der deutschen Schiffe
in seinen Häfen den Grundstock einer großen Handels-
flotte schaffen können, was den Engländern ein überaus
peinlicher Gedanke war. Die Hilfe einer Macht, die
kaum hunderttausend Soldaten unterhält, sonst auf
Freiwillige angewiesen ist, war in diesem Kriege
nicht hoch einzuschätzen, besonders da der letzte Bürger-
krieg in Amerika gezeigt hatte, daß die Freiwilligen
zum größten Teil aus Deutschen und Iren bestanden,
Der Präsident der italienischen Abgeordneten-
kammer, Marcora, der Dichter Gabriele
d'Annunzio (x) und der Bürgermeister von
Genua, General Massoni (in Zivil), begeben
sich zum Felsen von Ouarto bei Genua zu
der am 5. Mai stattfindenden Enthüllungs¬
feier des dein Gedächtnis der Garibaldiner
gewidmeten „Denkmals der Tausend", die
als Massendemonstration für den Krieg in
Szene gesetzt wurde.
die sich sicherlich jetzt nicht hätten anwerben lassen.
Sollte trotzdem das Bestreben der englischen Regierung
dahingegangen sein, Amerika zum Losschlagen gegen
Deutschland zu bewegen, so blieb es erfolglos. Jni
Westen der Union war das Volk entschieden gegen
den Krieg. Im Osten mochte zwar die von England
erkaufte Presse den Anschein erwecken, als wollten
wirklich die Iankees mit über Deutschland herfallen,
aber das alles war nur „Bluff". An den deutschen
Schiffen war nicht der zehnte Teil von dem zu ver-
dienen, was an Munitionslieferungen zu verdienen
war, und somit war dem Volke und
der Regierung der Vereinigten
Staaten ihr Weg klar vor-
gezeichnet. Das Geschäft
über alles! I'be du-
siness kor ever!
Auch auf dem
kau halte der
Dreiverband mit
seinem Werben
kein Glück, ob-
wohl er hier
alle Minen
springen ließ,
Lockungen, Be-
stechungen und
Drohungen ab-
wechselnd oder gleich-
zeitig anwandte.
Griechenland hatte sich,
dank der Weisheit seines
Königs, nicht in das Aben-
teuer von Gallipoli verstricken
lassen; der dreiverbandfreundliche
Minister Venizelos war durch Gu-
naris ersetzt, der keine Lust zeigte,
den Engländern die Kastanien aus
dem Feuer zu holen und sich dabei
die Finger zu verbrennen. In
Bulgarien bestand eine große rus-
senfreundliche Partei, aber sie hatte
nicht die Macht. In dem Volke und
in der Regierung lebte noch zu frisch die Erinnerung an
den Verrat, den Rußland im letzten Balkankriege an Bul-
garien begangen hatte, und Serbien war allzu verhaßt,
als daß man sich in Sofia hätte entschließen können,
ihm direkt oder indirekt Hilfe zu leisten. Rumänien,
das im Jahre 1878 von Rußland um Beßarabien
betrogen worden war, stand noch immer mißtrauisch
bei Seite. Manchmal schien es, als ob der russische
Rubel und der englische Souvereign siegen würden,
durch die mehrere hervorragende Politiker und Volks-
männer, sowie ein Teil der Presse bestochen worden
waren, aber die Regierung und das Volk ließen sich
doch zu der ungeheueren Torheit eines Anschlusses
an Rußland nicht fortreißen. Die Anerbietungen,
die Rußland machte, waren den rumänischen Staats-
leitern nicht groß genug, auch hatten sie ernste Zweifel
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