Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Defensive gedrängt worden sei. Das waren gewaltige 
Erfolge, die freilich nur errungen werden konnten 
durch eine ungeheure Anspannung aller Kräfte, durch 
unerhörte Marschleistungen der Truppen, durch furcht- 
bare Opfer an Blut. Aber die deutsche Heeres- 
leitung wußte, weshalb sie alles daransetzte, schnelle, 
durchschlagende Erfolge zu erzielen. Es sollte den 
neutralen Staaten gezeigt werden, welch ein gewagtes 
Spiel für sie ein Krieg mit Deutichland wäre. Sie 
alle, Italien und Spanien, die skandinavischen Mächte 
und die Balkanstaaten, hatten ja allerdings erklärt, 
daß sie dem Kriege fernbleiben wollten, aber unab- 
lässig hetzte sie England zum Eingreifen an. Vor 
allen Italiens Haltung war sehr unsicher und erweckte 
überall in Deutschland und Osterreich das größte Er- 
staunen und Befremden. Schlichte, einfache Gemüter 
hatten geglaubt, der Dreibund verpflichte Italien zur 
Waffenhilfe für seine Verbündeten. Jetzt mit einem 
Male hieß es, er verpflichte nur zur Neutralität. 
Aber selbst die schien auf sehr schwachen Füßen zu 
stehen trotz aller Beteuerungen. Ein Teil der Nation 
toar entschieden franzosenfreundlich gesinnt, wollte die 
lateinische Schwesternation tatkräftig unterstützen und 
bei der Gelegenheit die italienisch redenden Provinzen 
Österreichs für Italien wiedergewinnen. Dagegen er- 
hoben sich Stimmen in der Presse des Landes, die er- 
klärten, Italien sei der Verachtung wert, wenn es seine 
Bündnispflichten nicht erfülle. Wohin die Regierung 
schließlich neigen werde, schien eine Zeitlang ganz unbe- 
stimmt zu sein. Sie erklärte energisch und wiederholt, sie 
wolle am Dreibunde festhalten, aber sie zog Truppen 
von der französischen Grenze zurück, während sie an 
der österreichischen Grenze starke Massen anhäufte. 
Sie befand sich übrigens wirklich in einer schwierigen 
Lage ihrem zwiespältigen Volke gegenüber und unter 
dem Drucke beständigen Werbens und Drängens der 
Engländer. Denn im Mittelmeere lag die ganze 
französische Seemacht und eine große britische Flotte. 
In den Tagen, als der italienische Botschafter in 
Berlin und der frühere Reichskanzler Fürst Bülow 
nach Rom eilen mußten, um den englischen Intrigen 
entgegenzuarbeiten, stand es sicherlich nicht geheuer 
mit der Neutralität. Sie wurde schließlich aufrecht 
erhalten, aber wieviel die raschen und großen Erfolge 
der deutschen Waffen dazu beigetragen haben, dürfte 
jedem Einsichtigen klar sein. 
Ganz ähnlich stand es mit Rumänien. Der alte 
König Earol, der Zeit seines Lebens ein glänzender 
Staatsmann gewesen war, neigte zu Deutschland und 
Osterreich hin, fand aber eine starke Gegenströmung 
in seinem Lande. Ein weniger rascher Sieg Deutsch- 
lands oder gar eine Niederlage unserer Waffen hätte 
auch hier verhängnisvoll werden können. 
Wirkliche Sympathien fanden Deutschland und 
Osterreich nur an vier Stellen: Bei den Deutschen 
und Iren in Nordamerika, in der deutschen Schweiz, 
bei den skandinavischen Völkern und bei den Türken. 
In den Deutsch-Amerikanern loderte die Liebe zum 
alten Vaterland jetzt mächtig empor. Sie wären zu 
Tausenden herübergekommen, um in das deutsche 
Heer einzutreten, wenn nicht das Meer von den Eng- 
ländern beherrscht gewesen wäre, die jeden Dampfer 
beschlagnahmten, aus dem sich Auswanderer nach 
Deutschland befanden. Die Iren jenseits des Ozeans 
kittete der Todhaß gegen England mit den Deutschen 
zusammen. In Skandinavien und in der deutschen 
Schweiz regte sich das verwandte Blut; auch kannte 
man dort Deutschland und die Deutschen viel zu gut, 
als daß man den britischen Lügen Glauben schenken 
mochte. In Schweden kam dazu die Furcht vor Ruß- 
land, denn jeder schwedische Bauer weiß, daß das 
Zarenreich den Göteborger Hafen seit langem sehn- 
lichst zu besitzen wünscht. Ebenso weiß jeder Türke, 
daß die Durchfahrt durch die Dardanellen und der 
Besitz Konstantinopels ein russischer Traum ist, der seit 
den Tagen der großen Katharina bis jetzt alle Zaren 
beherrscht hat. Das war der Grund dafür, daß man 
den Deutschen im Lande des Halbmondes von ganzem 
Herzen den Sieg wünschte, und daß sogar in den os- 
manischen Moscheen für unsere Waffen gebetet wurde. 
Japans Ultimatum. — Der Krieg mit England zur See und über See. 
HsV^ährend in Europa nach der Kriegserklärung des 
^^Königs der schwarzen Berge kein weiterer Feind 
gegen uns auf den Plan trat, erstand uns plötzlich in 
Asien ein Gegner, an den kaum jemand gedacht hatte. 
Jedermann hatte gewähnt, Japan werde diese gute Ge- 
legenheit benutzen, seinen alten Rivalen Rußland zu 
bedrängen, der ihm vom letzten Kriege her noch viel 
Geld schuldig war. So stand es auch kurz nach der 
Mobilmachung in allen Zeitungen zu lesen, und das 
Volk von Berlin umjubelte schon den japanischen 
Botschafter, wo er sich zeigte. Da übermittelte am 
19. August der japanische Geschäftsträger in Berlin 
dem Auswärtigen Amt im Austrage seiner Regierung 
eine Note, worin unter Berufung auf das englisch- 
japanische Bündnis gefordert wurde, Deutschland solle 
seine Kriegsschiffe aus den ostasiatischen Gewässern so- 
fort zurückziehen oder diese Schiffe abrüsten, und es 
solle das gesamte Pachtgebiet von Kiautschau bis zum 
15. September bedingungslos an Japan abtreten. 
Diese Forderungen seien bis zum 23. des Monats 
unbedingt anzunehmen. 
Die Stimmung, mit der das deutsche Volk dieses 
Ultimatum aufnahm, ist schwer zu beschreiben. Es 
war noch nicht lange her, daß die japanische Regie- 
rung es öffentlich ausgesprochen hatte, wie viel Dank 
ihr Volk den Deutschen schuldig sei für Belehrung 
und Förderung aus allen Lebensgebieten, vor allem 
dem des Militärwesens. Deutsche Offiziere hatten 
die Japaner in der Kriegskunst unterrichtet und zu 
Hunderten waren die Söhne der gelben schlitzäugigen 
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