Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

erfuhr man nicht das geringste. Den Zeitungen war 
die strengste Geheimhaltung aller Truppenbewegungen 
zur Pflicht gemacht worden. Einige vorwitzige Blätter, 
die trotzdem etwas darüber brachten, hörten sofort auf 
zu existieren. Auch den Mannschaften war es ver- 
boten, ihren Angehörigen zu schreiben, wo sie sich 
befanden, so daß die Familien daheim oft nicht ein- 
mal wußten, ob ihre Söhne an der Westgrenze oder 
gegen die Russen im Felde standen. Ja, wie später 
amtlich bekanntgegeben wurde, war sogar der Feld- 
post eine Zeitlang die Beförderung von Soldaten- 
briefen nach der Heimat untersagt, eine Maßregel, 
die gewiß nicht ohne Härte, aber bei der Menge der 
feindlichen Spione, die sich im Lande befanden, un- 
bedingt notwendig war zur Verschleierung unserer 
Operationen. In der Tat erfuhr niemand die Namen 
der Führer und die Stellung der Armeekorps. Noch 
viel weniger wußte man, wo die einzelnen Regimenter 
standen. Wer hinausgezogen war, schien wie unter- 
getaucht zu sein in ein tiefes Dunkel. 
Da flammte im Westen ein heller Blitz auf und 
erleuchtete wenigstens einen Teil dieses Dunkels, und 
sein Glanz war so grell und feurig, daß er zunächst 
das Auge blendete und man kaum für wirklich hal- 
ten wollte, was man in seinem Lichte sah. 
Es kam die Kunde, daß General von Emmich am 
7. August die belgische Festung Lüttich mit seinen 
Truppen erstürmt und erobert habe. In Berlin ließ 
der Kaiser selbst durch seinen Flügeladjutanten dem 
Publikum die große Botschaft verkündigen, und wie 
dort in der Reichshauptstadt, so jubelte überall in 
Deutschland das Volk laut auf. Der erste Erfolg! 
Und welch ein Erfolg! Die zweitstärkste Festung 
Belgiens durch einen kühnen Handstreich erobert! 
Es erschien kaum glaublich, und überall hörte man 
das Urteil: Das ist mehr als Spichern! Mit solcher 
Führung und mit solchen Truppen ist alles möglich! 
Dieses Urteil ist richtig und muß auch heute noch 
aufrecht erhalten werden, obwohl man jetzt weiß, daß 
am 7. August nur einige Forts von Lüttich durch 
Sturm erobert worden sind. So etwas läßt sich auf 
alle Fälle nur durchführen mit Truppen, die von der 
wunderbarsten Tapferkeit beseelt sind, und auch da 
nur, wenn der Feind kopflos und unvorbereitet ist. 
Denn die Erstürmung eines mit allen modernen Ver- 
teidigungsmitteln ausgerüsteten Forts ist fast ein Ding 
der Unmöglichkeit. Sie erfordert erschreckliche Opfer an 
Blut, und die sind vor Lüttich gebracht worden und muß- 
tengebracht werden, weil sich sonst die Franzosen darin 
festgesetzt haben würden. Aber die tapferen Regi- 
menter, die das Stürmen besorgt hatten, kamen zum 
Teil nur in der Stärke eines Bataillons aus dem 
Feuer zurück. An der Spitze eines dieser Regimenter 
war der Prinz Friedrich Wilhelm zur Lippe gefallen, 
ein Oheim des regierenden Fürsten — der erste Sproß 
eines deutschen Fürstengeschlechtes, der in diesem Kriege 
fürs Vaterland blutete und starb. 
Nachdem die Gefahr beseitigt war, daß Lüttich zu 
einem Stützpunkte französischer Unternehmungen 
wurde, stand man von weiterem Stürmen ab und 
wartete, bis die schwere Artillerie heran war. Die 
schoß dann die übrigen Forts in ein paar Tagen 
Eine Dorfstraße in Lagarde. 
Nach einer Originalzeichnung für die „Jllustrirte Zeitung" von Professor Hans von Hayek. Durch das Loch im Kirchturm wurde das an dem Kampf 
vout 11. August beteiligte bayrische Ulanenregiment von einem Maschinengelvehr beschossen. 
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