Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Flieger brachten im Lustkampfe bei Epinal ein fran- 
zösisches Flugzeug zum Absturz und setzten die Ka- 
fernen von Geradmer in Brand." 
Wieder hatten also die Franzosen eine offene Stadt 
bombardiert, wieder einen Frevel an dem Völker- 
recht begangen, das bisher gegolten hatte. Aber 
die bösen Deutschen waren in der Lage, aus jede 
freche Gewalttat ihrer Feinde eine entsprechende Ant- 
wort zu geben. 
Am 1. Juni brachte das Reuter-Büro folgende 
unsäglich alberne Meldung: 
„Wer Ramsgate Bratwood und einigen anderen Orten 
in unmittelbarer Nachbarschaft Londons wurden Zeppeline ge- 
sehen. Es brachen viele Brände aus, doch läßt es sich nicht 
mit Sicherheit feststellen, ob die Brände mit dem Besuche der 
Luftschiffe im Zusammenhang stehen." 
In Deutschland war man der Meinung, das hätte 
sich leicht auf der Stelle mit Sicherheit feststellen lassen. 
Die deutschen Zeitungen konnten wenigstens schon nach 
einigen Tagen recht interessante Einzelschilderungen 
über den Zeppelinflug angeben und feststellen, daß 
ein gewaltiger Schaden in den Docks von London 
und auch an Gebäuden angerichtet worden war, und 
daß ein Zeppelin die ganze Stadt überflogen hatte 
und bis Finchley im äußersten Norden von London 
gelangt war. Die englischen Zeitungen durften außer 
einem ganz kurzen Berichte nichts über die Sache 
bringen, was natürlich nur die Folge hatte, daß sich 
die unsinnigsten Gerüchte im ganzen Lande ver- 
breiteten. 
Das waren die nicht eben bedeutenden Ereignisse 
des See- und Luftkrieges, die sich nach der Ver- 
senkung der „Lusitania" im Mai abspielten. In der 
Lusitania-Angelegenheit, die noch immer die ganze 
Welt beschäftigte, brachte der Monat noch ein gewich- 
tiges Aktenstück, nämlich die Antwort der deutschen 
Regierung auf die amerikanische Note. Ihr bedeu- 
tungsvollster Teil lautete: 
Die Regierung der Vereinigten Staaten geht davon aus, 
daß die „Lusitania" als ein gewöhnliches, unbewaffnetes 
Handelsschiff zu betrachten ist. Die kaiserliche Regierung ge- 
stattet sich in diesem Zusammenhange darauf hinzuweisen, daß 
die „Lusitania" einer der größten und schnellsten mit Regie- 
rungsmitteln als Hilfskreuzer gebauten englischen Handels- 
dampfer war und in der von der englischen Admiralität heraus- 
gegebenen „Navy List" ausdrücklich aufgeführt ist. Der kaiser- 
lichen Regierung ist ferner aus zuverlässigen Angaben ihrer 
Dienststellen und neutraler Passagiere bekannt, daß schon seit 
längerer Zeit so gut wie alle wertvolleren englischen Handels- 
schiffe mit Geschützen. Munition und anderen Waffen versehen 
und mit Personen bemannt sind, die in der Bedienung der 
(beschütze besonders geübt sind. Auch die „Lusitania" hat nach 
hier vorliegenden Nachrichten bei der Abfahrt von Neuyork 
Geschütze an Vord gehabt, die unter Deck versteckt aufgestellt 
waren. 
Die kaiserliche Regierung beehrt sich ferner die besondere 
Aufmerksamkeit der amerikanischen Regierung darauf zu lenken, 
daß die britische Admiralität ihrer Handelsmarine in einer 
geheimen Anweisung vom Februar dieses Jahres empfohlen 
hat, nicht nur hinter neutralen Flaggen und Abzeichen Schutz 
zu suchen, sondern sogar unter dieser Verkleidung durch Rammen 
angriffsweise gegen deutsche Unterseeboote vorzugehen. Auch 
sind als besonderer Ansporn zur Vernichtung der Untersee- 
boote durch Handelsschiffe von der britischen Regierung hohe 
Preise ausgesetzt und auch bereits ausgezahlt worden. An- 
gesichts dieser ihr einwandfrei bekannten Tatsachen vermag die 
kaiserliche Regierung englische Kauffahrteischiffe auf dem vom 
Admiralstabe der kaiserlich deutschen Marine bezeichneten See- 
kriegsschauplatz nicht mehr als „unverteidigtes Gebiet" anzu- 
sehen; auch sind die deutschen Kommandanten infolgedessen 
nicht mehr in der Lage, die sonst für das Seebeuterecht üblichen 
Regeln zu beobachten, denen sie früher stets nachgekommen 
sind. Endlich muß die kaiserliche Regierung besonders darauf 
hinweisen, daß die „Lusitania", wie schon früher, so auch auf 
ihrer letzten Reise, kanadische Truppen und Kriegsmaterial, 
unter diesem nicht weniger als 5400 Kisten Munition an Vord 
hatte, die zur Vernichtung tapferer deutscher Soldaten, die 
mit Opfermut und Hingebung ihre Pflicht im Dienst des Vater- 
landes erfüllen, bestimmt waren. Die deutsche Regierung glaubt 
in gerechter Selbstverteidigung zu handeln, wenn sie mit den 
ihr zu Gebote stehenden Kriegsmitteln durch Vernichtung der 
für den Feind bestimmten Munition das Leben ihrer Soldaten 
zu schützen sucht Die englische Schiffahrtsgesellschaft mußte 
sich der Gefahren, denen die Passagiere unter diesen Umständen 
an Bord der „Lusitania" ausgesetzt waren, bewußt sein. Sie 
hat, roenn sie sie trotzdem an Bord nahm, in voller Überlegung 
das Leben amerikanischer Bürger als Schutz für die beförderte 
Munition zu benutzen versucht und sich in Widerspruch zu den 
klaren Bestimmungen der amerikanischen Gesetzgebung gesetzt, 
die die Beförderung von Passagieren auf Schiffen, die EX- 
plosivstoffe an Bord haben, ausdrücklich verbietet und mit 
Strafe bedroht. Sie hat dadurch in frevelhafter Weise den 
Tod so zahlreicher Passagiere verschuldet. Nach der ausdrück- 
lichen Meldung des betreffenden l^-Bootkommandanten, die 
durch alle sonstigen Nachrichten lediglich bestätigt wird, kann 
es keinem Zweifel unterliegen, daß der rasche Untergang der 
„Lusitania" in erster Linie auf die durch den Torpedoschuß 
verursachte EXplosion der Munitionsladung zurückzuführen ist. 
Anderenfalls wären die Passagiere der „Lusitania" menschlicher 
Voraussicht nach gerettet worden. 
Die kaiserliche Regierung hält die im vorstehenden an- 
geführten Tatsachen für wichtig genug, um sie einer aufmerk- 
samen Prüfung der amerikanischen Regierung zu empfehlen. 
Indem die kaiserliche Regierung sich ihre endgültige Stellung- 
nähme zu den im Zusammenhang mit der Versenkung der 
„Lusitania" gestellten Forderungen bis nach Eingang einer 
Antwort der amerikanischen Regierung vorbehalten darf, glaubt 
sie schließlich an dieser Stelle darauf hinweisen zu sollen, wie sie 
seinerzeit mit Genugtuung von den Vermittelungsvorschlägen 
Kenntnis genommen hat, die seitens der amerikanischen Re- 
gierung in Berlin und London unterbreitet worden sind, um 
einen modus vivendi für die Führung des Seekrieges zwischen 
Deutschland und Großbritannien anzubahnen. Die kaiser- 
liche Regierung hat damals durch ihr bereitwilliges Ein- 
gehen auf diese Vorschläge ihren guten Willen zur Genüge 
dargetan. 
Die Verwirklichung dieser Vorschläge ist, wie bekannt, an 
der ablehnenden Haltung der großbritannischen Regierung 
gescheitert. 
Die deutsche Negierung stellte also ausdrücklich fest, 
daß die englische nicht nur den Untergang der „Lusi- 
tania" aus dem Gewissen hatte, sondern die immer 
furchtbarer sich gestaltende Form des Seekrieges über- 
Haupt. Der ganze U-Boot-Krieg gegen Handels- 
schiffe wäre vermieden worden, wenn England 
aus den Hungerkrieg hätte verzichten wollen. Es 
war ihm das durch die amerikanische Regierung 
nahegelegt worden, aber es hatte nicht gewollt. — 
Wen Gott verderben will, den schlägt er zuvor mit 
Blindheit. 
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