Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

reiche", annahm. Auf einem der wichtigsten Kriegs- 
schauplätze hatten die Türken den Sieg davon ge- 
tragen und hielten ihre Faust fest an Rußlands Gurgel, 
so daß dem Riesenreiche mehr und mehr die Luft aus- 
ging. Dagegen wollte es wenig oder gar nichts be- 
sagen, daß sie im Kaukasus nur mit wechselndem 
Glücke kämpften, in Ägypten nicht recht vorwärts¬ 
kamen, in Mesopotamien sogar einige Schlappen er- 
litten. Auch der Verlust ihres Kreuzers „Medjidi" 
am 3. April und die Beschießung offener Hafenstädte 
an der kleinasiatischen Küste waren leicht zu ver- 
schmerzende Verluste. Solange der Dreiverband die 
Dardanellen nicht besaß, hatte er gegen die Türken 
gar nichts ausgerichtet. 
Der See- und Luftkrieg im Mai. 
<^n der Luft und zur See ereignete sich im Mai 
'Otmr Unbedeutendes. Die Engländer schonten nach 
wie vor ihre kostbare Flotte, die Deutschen konnten 
ihren Vorstoß auf die englische Ostküste nicht wieder- 
holen, da sie durch einen immer dichter werdenden 
Minengürtel geschützt ward. Daher kam es zu keinem 
größeren Zusammenstoß. Unablässig aber arbeiteten 
die deutschen Unterseeboote an der Zerstörung der 
feindlichen Handelsflotte. Kein Tag verging, an 
dem nicht ein englischer Dampfer torpediert wurde, 
und dadurch stiegen die Preise in Großbritannien auf 
eine immer bedenklichere Höhe. Besonders das Fleisch 
ward immer teurer und seltener. In London und 
anderen großen Städten mußte eine Menge von 
Fleischerläden geschlossen werden, weil die Metzger 
nichts mehr zu verkaufen hatten. Die Teuerung und 
der Mangel wurde in dem fleischessenden Volke sehr 
bitter empfunden, zumal da auch die Hochseefischerei 
durch massenhafte Versenkung von Fischdampfern zu 
einem großen Teile unterbunden worden war, und 
somit ein Ersatz für Fleisch nicht beschafft werden 
konnte. 
Schon Mitte des Monats wurde die erstaun- 
liche Tatsache festgestellt, daß die Lebensmittel in 
Deutschland und Osterreich - Ungarn, obwohl auch 
hier die Preise gewaltig angezogen hatten, doch be- 
trächtlich billiger waren als in England, das angeblich 
die See beherrschte. Schon tauchte in zahlreichen 
britischen Hirnen die Befürchtung auf, der Pfeil des 
Hungerkrieges, den das Jnselreich gegen Deutschland 
abgeschnellt habe, könnte vielleicht auf den Unglück- 
lichen Schützen zurückprallen, und tiefbekümmert stellten 
englische Zeitungen fest, daß es gegen die Pest der 
Unterseeboote kein Mittel der Abwehr gäbe, als die 
Vernichtung ihrer Schlupflöcher. Aber an diese konnte 
man sich nicht heranwagen, da die verwünschten 
deutschen Riesenkanonen dahinter standen und sie 
deckten. 
Auch die deutsche Heeresleitung erkannte zwar nicht 
mit Bekümmernis, sondern mit innigem Vergnügen 
das Gleiche wie die englichen Zeitungen und fuhr 
daher mit dem Vau immer neuer Unterseeboote rüstig 
fort. Fieberhaft wurde auf allen deutschen Werften 
daran gearbeitet. Alle anderen Schiffsbauten mußten 
dahinter zurückstehen, und nicht nur die Zahl, sondern 
auch die Größe und Leistungsfähigkeit der Boote 
wurde beständig gesteigert. Dadurch erhielt Deutsch- 
land eine immer furchtbarere Waffe gegen das Land, 
das bis vor kurzem den Wahn gehegt hatte, un- 
angreifbar zu fein. 
Mit einem Erfolg dieser deutschen Waffe begann 
der Mai. Am 1. versenkte ein deutsches U-Boot den 
englischen Torpedobootzerstörer „Recruit" in der Nähe 
des Galoper Feuerschiffes. Die Schlappe wurde aller- 
dings von den Engländern an demselben Tage wieder 
wettgemacht, denn es gelang ihnen, zwei deutsche 
Vorpostenschiffe in der Nähe des Noordhinder Feuer- 
schiffes zu vernichten. Diese Vorpostenschifse hatten 
einen Kampf ausgefochten mit mehreren bewaff- 
neten englischen Fischdampfern, und es war ihnen 
gelungen, einen davon zu versenken. Aber eine dazu- 
kommende englische Zerstörer-Flottille brachte ihnen 
das Verderben. Am 3. Mai hatte die englische Marine 
einen neuen Verlust zu beklagen. Man hatte sich 
in England viel versprochen von der Verwendung der 
Luftfahrzeuge gegen die Unterseeboote — wunder- 
lich, daß nun gerade diese Waffe gegen ein englisches 
Unterseeboot wirksam wurde. Ein deutsches Marine- 
luftzeug kam in der Nordsee ins Gefecht mit englischen 
U-Booten, und es gelang ihm, eins von ihnen durch 
Bombenwürfe zu versenken. Auch England selbst 
wurde wieder von deutschen Luftschiffen heimgesucht. 
In der Nacht vom 9. zum 10. erschienen Zeppeline 
über Westcliffe und Southend in der Grafschaft Essex 
und warfen Bomben herab, wodurch beträchtlicher 
Schaden angerichtet wurde. Auch Frankreich wurde 
wieder von oben her beunruhigt. Am 11. beschoß 
ein deutscher Eindecker St. Denis bei Paris, tötete 
und verwundete eine Anzahl Menschen und entkam 
dem verfolgenden Luftgeschwader mit Leichtigkeit. Am 
16. Mai kam Calais an die Reihe. Hier sollten die 
Franzosen durch die Bomben der Luftfahrzeuge dafür 
bestraft werden, daß sie die offene deutsche Stadt 
Schlettstadt bombardiert hatten. Die deutsche Antwort 
kam ja eigentlich an eine falsche Adresse, denn Calais 
war eine französische Stadt gewesen. Schon seit Mo- 
naten hatten sich dort die Engländer häuslich ein- 
gerichtet, und die Franzosen hatten in ihrer Festung 
nichts mehr zu sagen. Einige englische Zeitungen 
ließen sich dahin vernehmen, man müsse aus Calais 
ein zweites Gibraltar machen, falls die Deutschen im 
Besitze von Antwerpen bleiben sollten, denn ohne das 
werde man stets die deutsche Hand an der Kehle 
haben. Sie plauderten damit ohne Frage das aus, 
was die Mehrheit ihres Volkes plante. Das durch 
den Krieg, wie er auch auslaufen mochte, maßlos 
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