Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

damit seine Zukunft opfern, um sich in der gegen- 
wärtigen Not behaupten zu können. Was jetzt zu- 
gründe ging, das konnte nie ersetzt werden, denn 
schon vor dem Kriege waren die Sterbefälle hau- 
figer gewesen als die Geburten. Unzählige Fami- 
lien mußten aussterben. In den Anzeigenteilen der 
französischen Blätter stimmten Väter und Mütter 
mit erschütternder Häufigkeit die Klage an, daß ihr 
einziger Sohn gefallen sei. Die Schuld des Völker- 
selbstmordes, an dem die Reiche des Altertums zu- 
gründe gegangen waren, rächte sich nun auch am 
französischen Volke, und es wurde offenbar, daß es 
ein absterbendes Volk war. 
Wunderbar aber und alles Ruhmes würdig waren 
der Mut und die Zähigkeit, womit sich dieses Volk 
gegen seine Niederlage wehrte. Alle die „großen Offen- 
siven" der Franzosen waren bis jetzt kläglich zu- 
sammengebrochen, aber das hielt sie nicht ab, immer 
von neuem Durchbruchsversuche zu wagen. Diesmal 
war es die Cöte Lorraine, die sie sich zum Ziele ihrer 
kriegerischen Tätigkeit ausersahen. Es ist das ein 
Höhenzug, der im Norden die Festung Verdun, im 
Süden die Festung Toul trägt. Zwischen beiden 
Festungen standen die Deutschen schon seit dem Herbste, 
hatten die Sperrforts in Trümmer geschossen und 
waren bis St. Mihiel vorgedrungen. Sie hatten sich 
keilförmig in die französischen Stellungen hinein- 
geschoben und hielten den Ubergang über die Maas 
in ihrer Hand. Hier die Deutschen zurückzutreiben, 
war das Ziel der neuen „großen Offensive", die 
neben vielen Einzelangriffen an anderen Stellen der 
deutschen Front Anfang April einsetzte und am 1. Oster- 
feiertags ihren Höhepunkt erreichte. Sie war ein ge- 
fährliches Unternehmen, denn die Deutschen standen 
in gut gedeckten, vorzüglich ausgebauten Stellungen. 
Selbstverständlich unternahmen die Franzosen den 
Angriff mit weit überlegenen Kräften, und es kann 
nicht geleugnet werden, daß sie die größte Tapfer- 
keit dabei entfalteten, aber die deutschen Truppen 
standen wie die Mauern, gingen hie und da trotz 
ihrer geringen Zahl sogar zum Angriffe über und 
gönnten ihren Feinden nicht den geringsten Er- 
folg. Der deutsche Eeneralstab berichtete darüber 
am 7. April: 
Bereits vor Ostern war zu erkennen, daß die Franzosen 
zu einer neuen großen Unternehmung gegen die von den 
Deutschen befestigten Maashöhen, die Cöte Lorraine, schreiten 
würden. Wie aussichtslos ein bloßer Frontalangriff sein würde, 
hatten die Erfahrungen des Winters gezeigt. Der neue Ver- 
such wurde deshalb gegen beide Flanken der deutschen Kräfte 
zwischen Mosel und Maas unternommen und eine neue Armee 
hierfür — wie Gefangene aussagen — gebildet. 
Nach den ersten tastenden Versuchen, gleichzeitig von unseren 
Fliegern beobachteten Verschiebungen hinter der französischen 
Front, sowie einleitenden Infanteriekämpfen im Priesterwalde 
und westlich davon, begann am 3. April eine heftige Tätigkeit 
der französischen Artillerie im Norden bei dem viel umstrittenen 
Combres und auf der Südfront zwischen Mosel und Maas. 
Die deutschen Vorposten gingen, als sich die feindliche Infanterie 
entwickelte, planmäßig von Regnieville und Fey-en-Haye auf 
die Hauptstellung zurück. 
Am Ostermontag, den 5. April, begann der eigentliche An- 
griff der FräAzosen, auf der Südfront zunächst nördlich Toul, 
dann auch im Priesterwalde und gleichzeitig am Nordflügel 
südlich der Orne, sowie zwischen Les Eparges und Combres. 
Ein Erfolg war den Franzosen nirgends beschieden. Wo kleine 
Trupps an einzelnen Stellen bis an die deutschen Gräben 
oder selbst in sie hinein gelangten, wurden sie überall wieder 
hinausgeworfen. 
Am heftigsten entbrannte der Kampf an zwei Punkten. 
Zwischen der Maas und Apremont kamen in dem waldigen 
Gelände die Franzosen nahe an die deutschen Stellungen heran, 
ehe vernichtendes Feuer sie auf kurze Entfernung empfing. 
Besonders östlich von Flirey entwickelte sich eine regelrechte 
Schlacht. Den französischen Schützen, die geschickt jede Gelände- 
falte ausnutzend vorgingen, folgten starke Reserven, um den 
Angriff nach Norden vorzutragen. Hier fand die deutsche Ar- 
tlllerie große Ziele und gelangte zu gewaltiger Wirkung gegen 
sie. Nach kurzer Zeit waren die Reserven in wilder Flucht, 
während der Schützenangriff im deutschen Gewehrfeuer ver- 
blutete. Bei Flirey selbst war es nötig, im nächtlichen 
Kampfe zum Bajonett zu greifen, um die deutschen Gräben 
zu behaupten. 
Sobald der Jnfanteriekampf am 5. April erloschen war, ver- 
stärkte sich auf beiden Seiten die Tätigkeit der Artillerie, mit 
welchem Erfolge für die deutschen Geschütze, geht aus der Ve- 
obachtung hervor, die am 6. April morgens gemacht wurde. 
Hunderte von Leichen wurden aus den französischen Gräben 
nach vorwärts hinausgeworfen. Am 6. April scheiterten bei 
Flirey drei neue französische Angriffe. Auch im Priesterwalde 
griff der Feind von neuem an. Hier warf sich dem franzö- 
fischen 13. Infanterieregiment ein rheinisches Bataillon, die 
„Wacht am Rhein" singend, mit der blanken Waffe entgegen 
und schlug den Feind in die Flucht. Südlich der Orne ent- 
wickelte sich am 6. April ein neuer Kamps, der für uns günstig 
steht. In der Mitte der Stellungen längs der Maas war nur 
Artillerie tätig. Bisher haben die Franzosen nur neue Miß- 
erfolge in dem schon oft umstrittenen Gebiet zu verzeichnen; 
doch scheint es, als sei ihr Angriff noch nicht zu Ende. 
Das war richtig. Die Angriffe waren keineswegs 
zu Ende. Sie erneuerten sich vielmehr nach einem 
kurzen Abflauen in den nächsten Tagen mit außer- 
ordentlicher Heftigkeit, und kein Tag verging ohne 
die erbittertsten Kämpfe. Erfolge waren freilich auch 
jetzt den Franzosen nicht beschieden. Am 7. April 
waren ihre sämtlichen Angriffe in der Woevre-Ebene 
gescheitert. Auf der Combres-Höhe waren sie schon 
in die vordersten Gräben der Deutschen eingedrungen, 
wurden aber wieder hinausgeworfen. Nördlich von 
St. Mihiel waren sie aus dem Selouse-Walde gegen 
die deutsche Stellung vorgebrochen, wurden aber 
unter schweren Verlusten in den Wald zurückgetrieben. 
Vier Angriffe nördlich von Flirey und zwei Abend- 
angriffe westlich des Priesterwaldes brachen unter 
sehr starken Verlusten zusammen. Der deutsche Be- 
rieht des Tages hob die furchtbaren Verluste der 
Franzosen ausdrücklich hervor und fügte hinzu, daß 
sie trotzdem auch nicht die geringsten Erfolge davon- 
getragen haben. 
Am 8. April erneuerten sie ihre Angriffe mit der 
größten Heftigkeit, wurden aber zurückgeschlagen und 
verloren sehr viele Tote und Verwundete, so in der 
Woevre-Ebene, bei den Combres-Höhen nördlich von 
St. Mihiel, im Ailly-Walde westlich von Apremont. 
Bei Flirey kam es sogar zu einem erbitterten Hand- 
gemenge, in dem die Deutschen Sieger blieben. An 
demselben Tage wurden die Belgier aus Drie Grachten 
verjagt, wobei sie eine beträchtliche Anzahl von Ee- 
fangenen verloren. Nordöstlich von Le Mesnil und 
südwestlich von Chäteau-Salins scheiterten französische 
Angriffe. Uber die Kämpfe am 9. April meldete die 
deutsche Heeresleitung:
	        
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