damit seine Zukunft opfern, um sich in der gegen-
wärtigen Not behaupten zu können. Was jetzt zu-
gründe ging, das konnte nie ersetzt werden, denn
schon vor dem Kriege waren die Sterbefälle hau-
figer gewesen als die Geburten. Unzählige Fami-
lien mußten aussterben. In den Anzeigenteilen der
französischen Blätter stimmten Väter und Mütter
mit erschütternder Häufigkeit die Klage an, daß ihr
einziger Sohn gefallen sei. Die Schuld des Völker-
selbstmordes, an dem die Reiche des Altertums zu-
gründe gegangen waren, rächte sich nun auch am
französischen Volke, und es wurde offenbar, daß es
ein absterbendes Volk war.
Wunderbar aber und alles Ruhmes würdig waren
der Mut und die Zähigkeit, womit sich dieses Volk
gegen seine Niederlage wehrte. Alle die „großen Offen-
siven" der Franzosen waren bis jetzt kläglich zu-
sammengebrochen, aber das hielt sie nicht ab, immer
von neuem Durchbruchsversuche zu wagen. Diesmal
war es die Cöte Lorraine, die sie sich zum Ziele ihrer
kriegerischen Tätigkeit ausersahen. Es ist das ein
Höhenzug, der im Norden die Festung Verdun, im
Süden die Festung Toul trägt. Zwischen beiden
Festungen standen die Deutschen schon seit dem Herbste,
hatten die Sperrforts in Trümmer geschossen und
waren bis St. Mihiel vorgedrungen. Sie hatten sich
keilförmig in die französischen Stellungen hinein-
geschoben und hielten den Ubergang über die Maas
in ihrer Hand. Hier die Deutschen zurückzutreiben,
war das Ziel der neuen „großen Offensive", die
neben vielen Einzelangriffen an anderen Stellen der
deutschen Front Anfang April einsetzte und am 1. Oster-
feiertags ihren Höhepunkt erreichte. Sie war ein ge-
fährliches Unternehmen, denn die Deutschen standen
in gut gedeckten, vorzüglich ausgebauten Stellungen.
Selbstverständlich unternahmen die Franzosen den
Angriff mit weit überlegenen Kräften, und es kann
nicht geleugnet werden, daß sie die größte Tapfer-
keit dabei entfalteten, aber die deutschen Truppen
standen wie die Mauern, gingen hie und da trotz
ihrer geringen Zahl sogar zum Angriffe über und
gönnten ihren Feinden nicht den geringsten Er-
folg. Der deutsche Eeneralstab berichtete darüber
am 7. April:
Bereits vor Ostern war zu erkennen, daß die Franzosen
zu einer neuen großen Unternehmung gegen die von den
Deutschen befestigten Maashöhen, die Cöte Lorraine, schreiten
würden. Wie aussichtslos ein bloßer Frontalangriff sein würde,
hatten die Erfahrungen des Winters gezeigt. Der neue Ver-
such wurde deshalb gegen beide Flanken der deutschen Kräfte
zwischen Mosel und Maas unternommen und eine neue Armee
hierfür — wie Gefangene aussagen — gebildet.
Nach den ersten tastenden Versuchen, gleichzeitig von unseren
Fliegern beobachteten Verschiebungen hinter der französischen
Front, sowie einleitenden Infanteriekämpfen im Priesterwalde
und westlich davon, begann am 3. April eine heftige Tätigkeit
der französischen Artillerie im Norden bei dem viel umstrittenen
Combres und auf der Südfront zwischen Mosel und Maas.
Die deutschen Vorposten gingen, als sich die feindliche Infanterie
entwickelte, planmäßig von Regnieville und Fey-en-Haye auf
die Hauptstellung zurück.
Am Ostermontag, den 5. April, begann der eigentliche An-
griff der FräAzosen, auf der Südfront zunächst nördlich Toul,
dann auch im Priesterwalde und gleichzeitig am Nordflügel
südlich der Orne, sowie zwischen Les Eparges und Combres.
Ein Erfolg war den Franzosen nirgends beschieden. Wo kleine
Trupps an einzelnen Stellen bis an die deutschen Gräben
oder selbst in sie hinein gelangten, wurden sie überall wieder
hinausgeworfen.
Am heftigsten entbrannte der Kampf an zwei Punkten.
Zwischen der Maas und Apremont kamen in dem waldigen
Gelände die Franzosen nahe an die deutschen Stellungen heran,
ehe vernichtendes Feuer sie auf kurze Entfernung empfing.
Besonders östlich von Flirey entwickelte sich eine regelrechte
Schlacht. Den französischen Schützen, die geschickt jede Gelände-
falte ausnutzend vorgingen, folgten starke Reserven, um den
Angriff nach Norden vorzutragen. Hier fand die deutsche Ar-
tlllerie große Ziele und gelangte zu gewaltiger Wirkung gegen
sie. Nach kurzer Zeit waren die Reserven in wilder Flucht,
während der Schützenangriff im deutschen Gewehrfeuer ver-
blutete. Bei Flirey selbst war es nötig, im nächtlichen
Kampfe zum Bajonett zu greifen, um die deutschen Gräben
zu behaupten.
Sobald der Jnfanteriekampf am 5. April erloschen war, ver-
stärkte sich auf beiden Seiten die Tätigkeit der Artillerie, mit
welchem Erfolge für die deutschen Geschütze, geht aus der Ve-
obachtung hervor, die am 6. April morgens gemacht wurde.
Hunderte von Leichen wurden aus den französischen Gräben
nach vorwärts hinausgeworfen. Am 6. April scheiterten bei
Flirey drei neue französische Angriffe. Auch im Priesterwalde
griff der Feind von neuem an. Hier warf sich dem franzö-
fischen 13. Infanterieregiment ein rheinisches Bataillon, die
„Wacht am Rhein" singend, mit der blanken Waffe entgegen
und schlug den Feind in die Flucht. Südlich der Orne ent-
wickelte sich am 6. April ein neuer Kamps, der für uns günstig
steht. In der Mitte der Stellungen längs der Maas war nur
Artillerie tätig. Bisher haben die Franzosen nur neue Miß-
erfolge in dem schon oft umstrittenen Gebiet zu verzeichnen;
doch scheint es, als sei ihr Angriff noch nicht zu Ende.
Das war richtig. Die Angriffe waren keineswegs
zu Ende. Sie erneuerten sich vielmehr nach einem
kurzen Abflauen in den nächsten Tagen mit außer-
ordentlicher Heftigkeit, und kein Tag verging ohne
die erbittertsten Kämpfe. Erfolge waren freilich auch
jetzt den Franzosen nicht beschieden. Am 7. April
waren ihre sämtlichen Angriffe in der Woevre-Ebene
gescheitert. Auf der Combres-Höhe waren sie schon
in die vordersten Gräben der Deutschen eingedrungen,
wurden aber wieder hinausgeworfen. Nördlich von
St. Mihiel waren sie aus dem Selouse-Walde gegen
die deutsche Stellung vorgebrochen, wurden aber
unter schweren Verlusten in den Wald zurückgetrieben.
Vier Angriffe nördlich von Flirey und zwei Abend-
angriffe westlich des Priesterwaldes brachen unter
sehr starken Verlusten zusammen. Der deutsche Be-
rieht des Tages hob die furchtbaren Verluste der
Franzosen ausdrücklich hervor und fügte hinzu, daß
sie trotzdem auch nicht die geringsten Erfolge davon-
getragen haben.
Am 8. April erneuerten sie ihre Angriffe mit der
größten Heftigkeit, wurden aber zurückgeschlagen und
verloren sehr viele Tote und Verwundete, so in der
Woevre-Ebene, bei den Combres-Höhen nördlich von
St. Mihiel, im Ailly-Walde westlich von Apremont.
Bei Flirey kam es sogar zu einem erbitterten Hand-
gemenge, in dem die Deutschen Sieger blieben. An
demselben Tage wurden die Belgier aus Drie Grachten
verjagt, wobei sie eine beträchtliche Anzahl von Ee-
fangenen verloren. Nordöstlich von Le Mesnil und
südwestlich von Chäteau-Salins scheiterten französische
Angriffe. Uber die Kämpfe am 9. April meldete die
deutsche Heeresleitung: