widersprach natürlich allen Regeln des Völkerrechtes,
um die sich ja England überhaupt nur kümmert,
wenn sie in seinen Kram passen. Aber zu ihrem
maßlosen Erstaunen mußten die Herren in London
erfahren, daß die Zeiten vorüber waren, in denen
sie sich ungestraft alles erlauben durften. Die deutsche
Regierung griff in den reichen Schatz ihrer Gefangenen-
lager und steckte auf der Stelle genau soviele eng-
lische Offiziere in Gefängnishaft, wie die Zahl der
gefangenen I^-Bootsleute betrug. Mit weisem Be-
dacht wählte sie dazu nur Söhne der besten englischen
Familien aus, Söhne oder Vettern von Carls und
Lords, worauf sofort das ganze Chor der englischen
Zeitungen aufheulte, Deutschlands Verhaltungsmaß-
regeln verstoßen gegen das Völkerrecht. Nur einzelne
Stimmen in England warnten davor, auf diesem
Wege weiter zu schreiten, denn auf jeden Hieb von
englischer Seite könne ein viel stärkerer von deutscher
Seite erfolgen. Das war unzweifelhaft richtig, denn
die Zahl der gefangenen Deutschen in England ver-
hielt sich zur Zahl der gefangenen Engländer in
Deutschland wie eins zu zwanzig. Aber sie predigten
tauben Ohren. Die überwiegende Masse der eng-
Iischen Zeitungen billigte das Verhalten ihrer Re-
gierung und verlangte auch weiterhin eine härtere
Behandlung der Unterseebootsgefangenen.
Haß und Furcht des englischen Volkes entluden
sich in diesem unwürdigen Gebaren unö nicht zu¬
letzt auch der Neid. Von englischen Heldentaten zur
See wußte niemand etwas zu erzählen, von deutschen
um so mehr. Immer höher stieg dadurch der Ruhm
der deutschen Marine, immer mehr verblaßte daneben
das Ansehen der englischen, die immer nur zu schlagen
wagte und zu siegen verstand, wenn sie eine unge-
heuere Übermacht ins Treffen führen konnte. Eine
dieser deutschen Seetaten sei hier erzählt. Auf den
Gang des Krieges hat sie keinen Einfluß ausgeübt,
aber sie zeigte mehr als jede andere, welch ein Geist
in der jungen deutschen Marine lebte:
Als die „Emden" bei den Kokos-Jnseln den Unter-
gang gefunden hatte, war gerade ein Teil der Veman-
nung ans Land gegangen. Diese kleine Schar unter
Führung des Kapitänleutnants von Mücke fuhr auf
ihren beiden Booten nach Port Refuge, eroberte dort
das japanische Schiff „Ayesha" und jagte dessen Mann-
schaften ans Land. Dann kreuzte sie achtzehn Tage
auf dem Meer umher und kam schließlich nach Padang,
verproviantierte sich mit Hilfe deutscher Handelsschiffe,
die dort im Hafen lagen, und rüstete sich aus. Dann
ging sie wieder in See, kaperte den britischen Kohlen-
dampfer „Oxford", schädigte zwei Monate hindurch
die ganze Schiffahrt im Indischen Ozean, fuhr durch
die Straße von Perim und landete endlich in der
Nähe von Hodeida in Sicht eines französischen Panzer-
kreuzers, begeistert empfangen von den dort stehenden
türkischen Truppen.
Zunächst wollte niemand diese Geschichte glauben,
denn sie klang, als wäre sie einem überspannten See-
romane entnommen. Aber sie beruhte auf Wahrheit
und bewies die fast grenzenlose Kühnheit und Tat-
kraft, die in den deutschen Seeleuten lebendig war.
Mit Recht schrieb auf die Kunde davon ein ange-
sehenes deutsches Blatt: „Die Tat der Emdenleute
wiegt moralisch soviel wie eine gewonnene Schlacht."
Die Kämpfe im Westen bis zum deutschen Siege bei Ppern.
H^ach der verunglückten Winterschlacht in der Cham-
^pagne, wo der Durchbruch der Franzosen unter
riesigen Verlusten gescheitert war, gelang es den Ver-
bündeten, im Westen einen bescheidenen Erfolg zu
erzielen. Am 10. März griffen 43 englische Bataillone
3 deutsche in Neuve-Ehapelle an, und es gelang ihnen,
unterstützt durch ein furchtbares Artilleriefeuer, das
Dorf nach erbittertem Kampfe zu nehmen. Zunächst
erhob sich deshalb in der englischen Presse ein wildes
Siegesgeschrei, das aber schließlich ganz verstummte.
Denn die Eroberung des unwichtigen Dorfes und
das Vordringen um ein bis zwei Kilometer war mit
den grauenhaftesten Opfern, besonders an Offizieren,
erkauft worden, und eine englische Zeitung sagte selbst,
wenn man so weiter siege, so werde von den an-
gekündigten Millionenheeren Lord Kitcheners wenig
übrig sein, falls es gelingen sollte, die Deutschen aus
Belgien herauszutreiben. Das Siegen war überhaupt
schnell wieder zu Ende, denn schon am 14. machten
die Deutschen die Schlappe von Neuve-Ehapelle wieder
wett, indem sie bei St. Elvi, südlich von Ipern, eine
englische Höhenstellung erstürmten.
Weitere Kämpfe zwischen Engländern und Deutschen
fanden im März nicht statt. Die Franzosen dagegen
versuchten immer wieder, da und dort durchzubrechen,
Versuche, die freilich alle kläglich scheiterten. So am
11. März in der Champagne, am 13. östlich von
Souain und nördlich von Le Mesnil. Es schien, als
hätten ihre Angriffe die eigentliche Kraft verloren,
als wären sie durch die bisherigen Mißerfolge tief
entmutigt worden. In dieser Annahme mußten die
Deutschen bestärkt werden durch einen Armeebefehl
des Generals Joffre, der am 17. März in ihre Hände
fiel. Er wurde von der deutschen Heeresleitung ver-
öffentlicht, damit das deutsche Volk klar erkenne, mit
welchem Feinde man es zu tun habe. Der Bericht
stehe hier als ein Denkmal französischer Schande, als
ein Dokument der Gemeinheit, mit der die Führer
unserer Feinde die Ehre des deutschen Namens be-
sudelten, und zugleich als Zeugnis dafür, in welch
unglaublicher Weise das französische Volk und Heer
von seinem großen General angelogen wurde:
Großes Hauptquartier, 18. März 1915.
Bei einem im Walde von Volante in den Argonnen ge-
fallenen Offizier des 15. Kolonialregiments wurde der nach-
stehende gedruckte Befehl gefunden. Zunächst wurde das Schrift-
stück hier nicht ernst genommen, da es nicht glaubhaft schien, daß
sich die französische Heeresleitung zur Ausgabe eines solchen
Machwerkes erniedrigen würde. Nachdem aber festgestellt ist,
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