Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Amerikas, wie bisher, fernerhin für den Frieden ge- 
betet wurde. Die nationale Ehre schien für die Re- 
gierung Amerikas nicht mehr in Betracht zu kommen, 
und schon wurde in deutschen und österreichischen 
Blättern der Verdacht ausgesprochen, der Staats- 
sekretär Bryan sei von England oder von den Muni- 
tionslieferanten in Amerika gekauft. Bei einem 
Mann, der als Minister, „um sein Einkommen zu er- 
höhen", Zirkusvorträge gehalten hatte, war bei seiner 
jetzigen Haltung der Verdacht naheliegend. 
Wieviel mutiger und ehrenhafter verfuhren das 
kleine Schweden und das noch kleinere Norwegen! 
Als im Dezember der Dreiverband die Öffnung des 
Hafens von Narvik und die Durchführung von Kriegs- 
Material durch beide Länder verlangt hatte, war dieses 
Verlangen glatt abgelehnt worden. Schweden hatte 
dann alle Durchfuhr von Waffen schon am 12. Januar 
kurzerhand verboten und hielt auch darauf, dctsj dieses 
Verbot streng beobachtet wurde. Dadurch war Ruß- 
land verhindert, seinen Kriegsbedarf aus England 
oder Amerika aufzufüllen. Die russische Presse war 
infolge dieser schwedischen Maßregel in ein Wutgeheul 
ausgebrochen und überschüttete Regierung und Volk 
mit den gröbsten Schmähungen, und die russische Re- 
gierung versuchte unter sehr ernsten Vorstellungen die 
Schweden zur Aufhebung des Verbots zu veranlassen. 
Aber es war vergebens, Schweden blieb fest, und 
siehe, es ging auch so. 
Schweden war überhaupt das Land, das Deutsch- 
land und Österreich-Ungarn die meiste Zuneigung 
entgegenbrachte und sich den Verlockungen, Verleum- 
düngen und Drohungen der Dreiverbandsmächte am 
wenigsten zugänglich erwies. Ein Mann muß da be- 
sonders hervorgehoben werden: der große Forschung?- 
reifende Sven Hedin. Er hatte selbst das deutsche 
Heer besucht und seine Eindrücke in dem hinreißen- 
den Buche „Ein Volk in Waffen" geschildert, zugleich 
auch seinen Landsleuten die ihnen von Rußland 
drohende Gefahr, die natürlich für Dänemark und 
Norwegen ganz ebenso bestand, eindringlich vor Augen 
geführt. Sein Urteil hatte ein großes Gewicht, und 
seine Stimme wurde weit in der Welt gehört und 
hat sicherlich zur Klärung der Ansichten in den skan- 
dinavischen Staaten viel beigetragen. Eine Änderung 
ihres Verhaltens zu England wagten freilich alle diese 
Länder weder einzeln, noch vereinigt vorzunehmen. 
Es blieb noch immer der Welt ein tiefes Geheimnis, 
was die drei Könige des Nordens bei ihrer Zusammen- 
kunft in Malmö in Dezember des vorigen Jahres 
eigentlich beraten hatten. Zu einem Proteste rafften 
sich die drei Reiche nicht auf, und er hätte ihnen auch 
nichts genützt, denn England war fest entschlossen, auf 
dem bisherigen Wege fortzufahren. Es erließ am 
1. März mit Frankreich zusammen ein Rundschreiben 
an die neutralen Mächte. Darin erklärte es, die eng- 
tische und französische Regierung hielten sich für be- 
rechtigt, Schiffe mit Waren, die mutmaßlich für den 
Feind bestimmt seien, ihm gehörten, oder feindlichen 
Ursprungs seien, anzuhalten und in den Hafen zu 
bringen. Wenn also z. V. ein amerikanisches Schiff 
von Holland abfuhr, wo es in Deutschland hergestellte 
Puppenköpfe an Bord genommen hatte, so verfiel es 
der Beschlagnahme. Haarsträubender konnte aller- 
dings der Wirtschaftskrieg nicht geführt, brutaler die 
Rechte und Lebensinteressen des neutralen Handels 
nicht verletzt werden. Aber niemand wagte es, ernstlich 
dagegen die Hand zu rühren. Papierne Proteste 
legte England kühl beiseite, und die führenden Zeitungen 
Londons sprachen es aus: auch nicht der schärfite 
Protest von irgend welcher Seite werde auch nur die 
geringste Wirkung ausüben. England sei jetzt ent- 
schlössen, den Krieg mit vollster Ausnutzung seiner 
Überlegenheit zur See zu führen, und die Welt werde 
nun erfahren, wie tief Englands Schwert beißen könne, 
wenn es ernstlich gezogen sei. 
In Deutschland machte das ganze englische Gerede 
wenig Eindruck. Was die britische Regierung an- 
kündigte, war im Grunde nichts anderes, als die 
amtliche Feststellung eines bereits bestehenden Zu- 
standes. Zu überbieten war nun England freilich 
nicht mehr, neue Kampfmittel konnten gegen den 
großen Seeräuberstaat nicht mehr ins Feld geführt 
werden. Aber die bisher ins Feld geführten brauchte 
Deutschland nur mit der nötigen Rücksichtslosigkeit 
anzuwenden, um die Lage des Jnselreiches mit jedem 
Tage zu verschlimmern. Denn fast jeder Tag brachte 
die Nachricht von der Versenkung eines englischen 
Dampfers. Es war nicht zu vermeiden, daß dabei 
auch die Deutschen Verluste erlitten. Am 4. und 
10. März wurde je ein deutsches Unterseeboot zum 
Sinken gebracht, ihre Besatzungen nur teilweise gerettet. 
Im übrigen war der März arm an bemerkens- 
werten Ereignisjen zur See. Erwähnt soll eines 
werden, das ein merkwürdiges Licht auf den Zustand 
der französischen Marine fallen läßt. Am 3. März 
fuhr ein französischer Munitionsdampfer Ostende an 
und wurde natürlich in den Grund geschossen. Von 
den geretteten Mannschaften erfuhren die Deutschen, 
daß der Kurs auf Ostende zu versehentlich einge- 
schlagen worden sei. Die Besatzung sei gerade be- 
trunken gewesen 
Das wichtigste Ereignis des Seekrieges im März 
war ein für Deutschland unerfreuliches. Der kleine 
Kreuzer „Dresden", der dank der Aufopferung des 
Grafen Spee aus der Schlacht bei den Falklands- 
inseln entkommen war, wurde gegenüber der chile- 
nischen Küste von einer riesigen englischen Ubermacht 
angegriffen. Es gelang ihm, schwer beschädigt das 
neutrale Gewässer zu erreichen, aber die Engländer 
kümmerten sich nicht im mindesten darum, und ob- 
wohl sie darauf aufmerksam gemacht wurden, daß 
sie sich im Hoheitsgebiete der Republik Chile befänden, 
fuhren sie fort, das Schiff zu beschießen. Da sprengte 
der deutsche Kommandant, nachdem alle Geschütze und 
Munitionskammern unbrauchbar gemacht worden 
waren, die „Dresden" selbst in die Luft. Die Be- 
satzung wurde bis auf wenige Mann gerettet und 
in Chile eingeschlossen. 
260
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.