ihnen der Kaperkrieg der deutschen Auslandskreuzer
erspart geblieben; hätten sie die Nordsee nicht wider-
rechtlich gesperrt, so hätten sie den Unterseebootskrieg
nicht erlebt. Auf jede Verletzung des Völkerrechts,
die sie begangen hatten, war von Deutschland prompt
eine schlimme Antwort erfolgt. Jetzt wurde, wie eine
große englische Zeitung feststellte, täglich „mit auf-
reizender Regelmäßigkeit" ein englischer Handels-
dampfer versenkt, manchmal auch deren mehrere.
Entweder mußten die
Herren in London ein-
lenken oder den Gegner
wieder zu überbieten ver-
suchen. Sie wählten, wie
zu erwarten war, den
Weg des Überbietens. Am
24. Februar erließ die
englische Admiralität fol-
gende Bekanntmachung:
„Das Befahren des Meeres
zwischen einer nordwestlichen
Linie von 55 Grad 22 V, Mi¬
nuten nördlicher Breite und
6 Grad 17 Minuten westlicher
Länge bis zu 55 Grad 31 Mi-
nuten nördlicher Breite und
6 Grad 2 Minuten westlicher
Länge, einer südöstlichen Linie
von 55 Grad 101/* Minuien
nördlicher Breite und 5 Grad
24^/,Minuten westlicher Länge
bis zu 55 Grad 2 Minuten
nördlicher Breite und 5 Grad
40*/, Minuten westlicher
Länge, sowie einer südwest-
lichen Linie von A nach D
und einernordwestlichen Linie
von B nach C ist für Schiffe
aller Größen und jeder Na-
tioualität ab 23. Februar voll-
ständig verboten. Der ganze
Verkehr, der durch den nörd-
lichen Irischen Kanal zu gehen
wünscht, mutz sich zwischen
Sonnenaufgang und -unter-
gang südlich der Nathlin-
Inseln entwickeln. Nachts
darf sich kein Schiff innerhalb
von 4 Meilen von den Rathlin-
Anseln befinden."
Nach Auslassungen der
„Times" war der Zweck
dieses Verbotes, den
größeren Teil des nörd-
lichen Kanals zu schließen und den Verkehr auf den
Tag zu beschränken, um die Untersuchung der Schiffe
zu erleichtern, die von Westen in die Irische See ein-
laufen, und es feindlichen Schiffen zu erschweren, in
dieser Gegend zu operieren. Die Hauptleidtragenden
waren also wiederum die Neutralen, deren Schiffahrt
durch diese neue Maßregel schikaniert wurde, und sie
nahmen das auch ruhig und geduldig hin, wie alles,
was ihnen England bisher an Unverschämtheiten ge-
boten hatte. War eine solche Lammesgeduld bei Däne-
mark oder Norwegen aus ihrer Ohnmacht zu erklären,
so war sie bei Amerika schlechthin unerklärlich, denn
die Jankees hatten Englands Schicksal in der Hand.
Der berühmte schwedische Forscher Sven Hedin (link-.),
den die Royal Geographica! Society in London wegen der roahrheits-
getreuen Schilderung seiner Erlebnisse an der Westfront als Ehrenmitglied
der Gesellschaft gestrichen bat, auf dein östlichen Kriegsschauplatz. Rechts
Rittmeister Tzschirner. (Hofphot. Kühlermndt.)
„Nicht sechs Wochen," so schrieben die größten ameri-
konischen Zeitungen, ohne Widerspruch zu finden,
„hätte England den Krieg fortführen können ohne die
nordamerikanische Munitions- und Waffenzufuhr."
Jede Bedingung hätten die Amerikaner den Eng-
ländern vorschreiben können, wenn sie nur gewollt
hätten. Anstatt dessen steckten sie die frechsten Be-
leidigungen ruhig ein und ließen sich unwürdiger
behandeln als die Holländer und andere kleine
Staaten. Das wurde der
Welt besonders klar ge-
zeigt durch das Schicksal
des Schiffes „Dacia". Ein
Deutsch-Amerikaner hatte
es von der Homburg-
Amerika-Linie, als es in
einem amerikanischen Ha-
fen lag, angekauft und es
als sein Eigentum in die
Schiffsliste der Vereinig-
ten Staaten eintragen
lassen. Da England sei-
nem freiwilligen Vasallen
huldvoll gestattet hatte,
Baumwolle nach Deutsch-
land einzuführen, so
wurde das Schiff mit
Baumwolle beladen nach
Bremerhaven gesandt.
Darob ungeheure Ent-
rüftung in England, denn
fand dieses Beispiel in
Amerika Nachahmung —
vielleichtsogarvonStaats
wegen — so hatten die
Vereinigten Staaten mit
einem Male, was sie
längst erstrebten, eine
große, leistungsfähige
Handelsflotte. In den
amerikanischen Häfen la-
gen ja deutsche Handels-
dampfer zu Hunderten.
Das mußte auf alle Fälle
verhindert werden, denn
das wackere Britenreich
hatte doch nicht den einen Konkurrenten überfallen,
um den anderen zu stärken. Daher erklärte die
englische Negierung, sie könne die Übernahme des
Schiffes an einen Amerikaner nicht gestatten, und
wirklich wurde die „Dacia", die inzwischen nach langen
Verhandlungen in See gegangen war, am 27. von
einem französischen Kreuzer aufgebracht und in einen
französischen Hafen geschleppt. Dort wurde die La-
dung des Schiffes zwangsweise vom französischen
Staate angekauft. Die amerikanische Regierung tat,
als wäre das ganz in der Ordnung, ließ weiter
Munition, Lebensmittel und Kriegsbedarf aller Art
nach England verkaufen, während in den Kirchen
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